Kunst im Knast

Meine Damen und Herren, liebe Besucher der Aussstellung

Wenige Menschen, wenige von Ihnen kennen den Alltag des Strafvollzugs. Bestimmt fragen sich viele von Ihnen, was bedeutet Kunst und was ist das Kunst im Knast? Oder vielleicht "denken" sogar einige von Ihnen
WAS SOLL DAS: KUNST IM KNAST?

Ich möchte Ihnen keine ausführliche Kunstinterpretation, Therapieversuche und Beschäftigungsprogramme vorstellen, sondern Ihre Sensibilität nützen und Sie einführen in eine Welt die Ihnen ansonsten verborgen bleibt.

Ich würde mir für den heutigen Tag wünschen, daß Sie durch die Ausstellung für sich eine Antwort finden. Versuchen Sie sich durch die Ausstellung hineinzufühlen, in die Vergangenheit von diesen jungen Menschen. Machen Sie sich bewußt, daß es sich um Jugendliche im Alter von 14 bis 21 Jahren handelt.

Die meisten von ihnen konnten in unserer Leistungsgesellschaft nicht bestehen. Kein Schulabschluß, keine berufliche oder schulische Maßnahme konnte ihnen helfen. Im Vollzug gelandet warten sie auf der Zelle, es sind Drogenabhängige, besonders problematische Aggressive oder nicht Gemeinschaftsfähige. Ebenfalls sind es Gefangene mit intellektuellen und künstlerischen Fähigkeiten. In der Künstlerwerkstatt können sie malen, sie merken, daß sie durch ihre Bilder einen Teil ihres Lebenswegs aufzeigen können.

Ich möchte Ihnen heute über ein Gespräch mit einem Gefangenen, der wegen Drogen-verstoß inhaftiert wurde berichten. Grund für das Abrutschen in die Drogenszene sind Neugier, Außenseiterrolle, man will sich einer tollen Gruppe anschließen. Ein sehr hoher Prozentsatz sind Personen, die eigene Probleme nicht bewältigen können. Jugendliche aus Heimen, die allein ohne Familie leben. Alle gemeinsam haben körperliche und seelische Behinderungen und Defizite. Man war eingepfercht und will die anderen Seiten des Lebens kennenlernen. Man will anders sein als die Gesellschaft. Auch öfters sind es Jugendliche aus wohlhabenden Familien, die ein ausgeprägtes Konsumverhalten mitbringen.

In der Gruppe der Drogensüchtigen wird man akzeptiert, man ist ein vollwertiges Mitglied. Durch die Drogen werden wir zur Solidargemeinschaft. Feindbild ist oftmals die Gesellschaft. Es ist ebenfalls eine Fluchtreaktion aus der Realität, man baut sich eine eigene Welt auf, in der man besser reden kann, in der man gleich gut drauf ist, in der man zusammen genießt. Es begann mit Alkohol, Zigaretten über Haschisch, LSD, Koks (Kokain) Speed (Amphitamine).

An einem Gramm Koks habe ich einen Tag Spaß. Die Anschaffungskriminalität setzt ein. Die meisten gehen diehlen oder klauen, um den eigenen Bedarf zu decken. So kommt es zu Raubüberfällen. Man ist in einer Lage, in der die Folgen nicht mehr wahrgenommen werden. Die Sucht ist so stark, daß man nicht mehr überlegen kann. Die einzige Chance aus dieser Abhängigkeit herauszukommen ist, man fällt auf die eigene Schnauze, das heißt: Ein Arzt oder im Krankenhaus wird mir gesagt, es ist Schluß. Oftmals setzt ein Bewußtseinsprozeß ein. Man überlegt: "Halt stop" "Ich will mit 23 nicht sterben".


Durch die Inhaftierung, den kalten brutalen Entzug wird man fast wahnsinnig, man hat Schmerzen im Kopf, in der Zelle hört man Stimmen, schweißgebadet, ständig steigende Angst, Paranoia. Der Knast als Entgiftungsmaßnahme wird bei medizinischer Betreuung akzeptiert. Die geistige und seelische Abhängigkeit wird jedoch verstärkt, es entsteht ohne Drogen eine nicht zu bewältigende Problemlage. Nach Angaben des Gefangenen haben Drogenabhängige keine Zukunft, nur heute zählt

* keine Perspektiven, was ist in 5 oder 10 Jahren
* als Drogenabhängiger werde ich sowieso nicht alt
* als Knastbruder habe ich in der Gesellschaft sowieso keine Chance
* ich habe kein Recht auf meine eigene Welt, ich habe kein Recht Negatives wegzuschieben, zu vergessen
* meine Probleme kann ich allein nicht bewältigen.

Es wäre gut, wenn alle Drogen weg wären. Es wird immer Drogensüchtige geben. Es wird immer Menschen geben, die mit der Realität nicht zurechtkommen. Man soll diese Menschen dulden, und nicht zu Außenseitern machen.



Aus diesem biografischen Stoff sind diese Bilder gemalt. Daß dies hinter Gittern geschieht, erhöht ihren Informationswert und ihre besondere Bedeutung für uns. Sie unterscheiden sich so von Werken üblicher Kunstausstellungen.

Was bedeutet also, "Kunst im Knast"? Ich denke es wird ihnen hiermit möglich sein, einen Einblick zu bekommen.


Es zeigt sich für den jugendlichen Inhaftierten, daß er durch diese Bilder mit der Gesellschaft in Dialog treten kann. Hierüber sensibilisiert sich beim Gefangenen das Empfinden dafür, ein Teil einer Gemeinschaft zu sein und führt dazu, die eigene Situation zu überdenken und neue Möglichkeiten der selbstbestimmten Gestaltung des Lebens kennenzulernen.
Viele dieser Gefangenen haben es geschafft. Andere wiederum nicht. Es ist jedoch die unbestrittene 15jährige Erfahrung, daß von der künstlerischen Arbeit ein Impuls ausgeht über die Selbsterkenntnis zu einem normalen Leben zurückzufinden.


Die 70 Bilder und Skulpturen belegen diesen Prozeß und zeigen damit, daß Erziehung in einer schwierigen Situation, dem Knast möglich ist.

Ich wünsche mir mit meinen Ausführungen Ihnen heute eine Hilfestellung gegeben zu haben, hineinzusehen in eine Ihnen sonst verborgene Welt.

S. Veith
JVA Ottweiler

Bilder zur Ausstellung Kunst im Knast

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