Hugo Krechan Santiago 2001 Als Pilger mit dem Fahrrad von St. Etienne über Le Puy Lourdes nach Santiago de Compostela vom 23. April bis 19. Mai 2001 Übersicht über die gefahrenen Tagesetappen: von Tag nach über Seite 1 St.Etienne Unieux, Retournac, Varey
2 Le Puy Les Baraques, Bains, St. Privat 3 Monisterol Tour, le Villeret, Chanaleilles, St. Roche 4 St. Alban sur Limagnole, Rimeize, Aumont-Aubrac, Lasbros, Nasbinals, Aubrac, Chely d' Aubrac 5 Espalion Bozouls, Rodez, Baraqueville, Montmeyrac,Albi 6 Marsac Aussac, Montdragon, Lautrec, Soual, Revel,, St. Felix 7 Villefranche Nailloux, Auterive, 8 St. Sulpilce Capens, Carbonne, Cazeres, St. Martory, St. Gaudens, Montreieau, 9 Lannemezan Tournay, Tarbes, 10 Lourdes St. Pe, Betharram, Louvie-Juzon, Oloron, 11 Navarrenx Sauveterre, St. Palais, Galzetaburu 12 St.Jean-Pied-de-Port, Valcarlos, Ibaneta-Pass 13 Roncevalles Erro-Höhe, Larrasoana, Pamplona, Alto del Pojo, Puente la Reina, Cirauqui, 14 Estella Los Arcos, Torres del Rio, Viana, Logrono, 15 Navarrete Najera, Santo Domingo de la Calzada, 16 Belorado Villafranca Montes de Oca, Burgos, Olmillos, 17 Castrojeriz Bodegas, Fromista, Carrion de los Condes, Ledigos 18 Sahagun
18 Sahagun Gordaliza (Ri. N 601), Mansilla de las Mullas, Leon, 19 Villadangos Puerte de Orbigo, Astorga, Castrillo de los Polvazares, El Ganso, Rabanal, Eisenkreuz, 20 Molinaseca Ponferada, Villafranca del Bierzo, Trabadelo. Pedrafitta, O'Cebreiro, 21 Triacastella Samos, Sarria, Portomarin, Ligonde, 22 Pallas de Rei Melide, Arzua, San Marcos, Monto del Gozzo, Santiago de Compostela Vorwort. Wie immer beginnen die Vorbereitungen zu einer Fahrt bei mir frühzeitig, d. h. in diesem Falle schon im Jahr 2000. Schon oft hatte ich mir bei den Radtouren während der Wochen Gedanken darüber gemacht, was ich im nächsten Jahr unternehmen werde. Dabei kam mir immer häufiger Santiago in den Sinn. Sollte ich tatsächlich ein drittes Mal dahin fahren?, warum eigentlich nicht?. Was mir schon immer unter den Nägeln brannte, war Le Puy, die Stadt im französischen Zentralmassiv, von wo ein Pilgerweg bis nach St. Jean-Pied-de-Port führte und sich dort mit den Wegen aus Paris und Vezelay vereinigte. Dass das ein schwieriges Unterfangen werden würde, bedachte ich zunächst nicht. Doch in der Tat durchquert der Pilgerweg mehrere Flusstäler von wo es wieder recht steil die Berge hoch geht. Die mittlere Höhe des Weges dürfte so etwa bei 900 1000 Metern liegen, die höchsten Punkte bei ca. 1.300 und die der Täler ungefähr bei 600 m. Fast jeder Fluss durchfließt tiefe Schluchten, Gorges genannt, was allerdings reizvolle Landschaftsbilder abgibt. Die Schwierigkeiten, die sich vor mir auftaten, hatte ich überhaupt nicht recht bedacht, wir werden es sehen. Meine Vorstellungen gingen dahin, diesmal nicht von zu Hause abzufahren, sondern erst etwa ab Lyon. Das bedeutete, dass ich bis dorthin mit dem Zug fahren würde. Von früheren Überlegungen wußte ich, dass ich dafür das Rad ab Bahnhof Forbach vorschicken müsste. Bei der Nähe der französischen Grenze zu uns, sollte das ja kein Problem sein. Und noch was bezog ich in meine Überlegungen ein: Bei Gesprächen mit verschiedenen Personen kam im Herbst auch öfters der Name Fatima ins Gespräch. Bei der Fahrt mit Werner Lauer, 1998, hatte dieser in Santiago den Vorschlag gemacht, noch bis Fatima weiter zu fahren. Das kam für mich damals zu überraschend. Ich hatte mich überhaupt nicht darauf eingestellt und wollte das nicht. Nun aber war Werner mit seiner Frau Maria dort gewesen und war sehr beeindruckt. Danach begann ich zu rechnen: Wenn ich erst ab Lyon fahre, habe ich ab Alsweiler rund 600 Kilometer eingespart. Und von Santiago bis Fatima dürften es auch nicht mehr sein. Falls ich also in Santiago noch gut 'drauf' wäre, könnte ich diese Fahrt wagen. Das klang eigentlich sehr verlockend. Aber ich musste mir auch selbst eingestehen, dass die weiten Fahrten im zunehmenden Alter für mich immer beschwerlicher werden würden. Also in dieser Hinsicht mal abwarten.
So ging es ab Oktober 2000 mit den Vorbereitungen los. An Literatur benutzte ich vornehmlich Heinrich Wipper, Der Jakobsweg von Le Puy nach Cahors' sowie aus der englisch sprachigen Serie der Bruderschaft of Saint James, Nr.3 Le Puy to the Pyrenees' Obwohl ich die englische Sprache nicht beherrsche, konnte ich gerade aus dieser Broschüre nützliche Angaben über Unterkünfte mit den Preisen, Entfernungen, Höhenangaben, Einkaufsmöglichkeiten, Sehenswürdigkeiten u. dgl. entnehmen. Weiterhin benutzte ich den großen Michelin-Straßenatlas sowie den Baedeker für Frankreich. Für die Fahrt durch Spanien brauchte ich eigentlich keine besondere Vorbereitung mehr, da kannte ich mich ja von den beiden vorherigen Fahrten aus. Zudem hatte ich ja auch hier noch meinen altbewährten Pilgerführer. Ich entschied mich also ab Lyon über St. Etienne zu fahren und dann an der Loire aufwärts bis Le Puy. Ab dort wollte ich dem Pilgerweg, der Via Podensis' heißt über Monistrol-d' Allier, Sauques, La Roche, St. Albain sur Limagnole, Aumont- Aubrac, Chely bis Espalion am Lot folgen. Dort wollte ich den eigentlichen Pilgerweg zunächst verlassen und weiter über Rodez, Albi, Castres nach Villefranche am Kanal du Midi fahren, um in Auterive der Familie Bonay einen kurzen Besuch abzustatten und ihnen auch nochmals meinen Dank auszusprechen. Ich dachte einfach, die Leute haben dir 1999 in großer Not geholfen und dir ein Bett und einiges mehr geboten, da kannst du, wenn du mal wieder in dieser Gegend bist, nicht einfach vorbeifahren, als sei nichts gewesen. Etwa eine Stunde Aufenthalt, evtl. bei einer Tasse Kaffee dürfte es schon sein. Weiterhin würde ich danach auch wieder Lourdes aufsuchen und dann über St.Jean Pied-de-Port und den Ibaneta Pass nach Roncevalles fahren. Hier bin ich schon auf dem großen französischen Weg nach Sanrtiago. Die evtl. Weiterfahrt nach Fatima plante ich vorsorglich ebenfalls mal ein. Auch von Portugal her gibt es einen Jakobsweg, genauer gesagt von Porto bis Santiago. Diesen könnte ich also in umgekehrter Richtung benutzen. Auch da ist ein Führer in englisch aus der schon erwähnten Serie vorhanden. So konnte ich mir wenigstens schon mal ein Bild über den Weg und die Orte mit Herbergen machen. Darüber hinaus war es mir möglich, Zugverbindungen für die Rückfahrt im Internet zu finden. Also schon wesentliche Anhaltspunkte. Für Fatima selbst kaufte ich mir in der Missionsbuchhandlung St.Wendel ein entsprechendes Pilgerbüchlein sowie einen Reiseführer über Portugal. Hinzu kam noch, dass ich auf der Geburtstagsfeier vom Richard Becker einen von dessen Bekannten kennen lernte, der als ausgesprochener Fatima Experte gilt. Dies ist Herr Rudi Peter aus St. Wendel, der wiederum den in Fatima lebenden Pater Kondor kennt. Dieser ist Leiter der Kommission, die die Untersuchung für die Seligsprechung der beiden Seherkinder Jacinta und Francisco führte. Er hat im Jahre 1956 in Tholey seine Primiz gefeiert und ist seitdem mit der Familie Peter befreundet. Herrn Peter selbst und seine Frau hat er in Fatima getraut. Falls ich dort hin komme, könne ich mich ruhig an ihn wenden und mich auf Herrn Peter berufen. Zwischendurch hatte ich Besuch von Herrn Scheid aus Namborn u d Herrn Schumacher aus Niederlinxweiler und deren Frauen. Sie sind miteinander befreundet und beabsichtigten im April/Mai ebenfalls den Jakobsweg von Pamplona bis Santiago mit dem Fahrrad zu fahren. Sie wollten näheres über meine Erfahrungen wissen. Sicher konnte ich ihnen einiges vermitteln. Herr Scheid wollte mit einem Mountainbike fahren und sein Gepäck in einem Rucksack mitführen. Das konnte ich ihm ausreden und meinte, er solle ein Rad mit Gepäckträger nehmen. Ich lieh ihm hierzu meine noch gut erhaltene erste Packtasche. Anfang Februar brachte mir der Apotheker Jung ein Mail rüber, wo ein Herr Burggraf aus Münstereifel um weitere Informationen zu meinen Berichten im Internet bat. Bei einer anschließenden telef. Unterredung mit ihm ergab sich, dass er auch mit dem Fahrrad nach Santiago fahren wolle. Allerdings sah er weit größere Tagesetappen als ich vor. Nach meiner Rückkehr habe ich nochmals mit ihm gesprochen. Anders als vorgesehen war er bis nach Lissabon geflogen und dann über Fatima und Santiago bis nach Hause gefahren. Er hatte zusätzlich ein Zelt dabei und ist schon mal bis in den Abend hinein gefahren. Dabei hat er Tagesetappen bis zu 200 Km zurückgelegt. Respekt! Die weiteren Vorbereitungen meinerseits liefen fast routinemäßig ab. Die Packliste habe ich mittlerweile im Computer gespeichert, die druckte ich mir aus und ergänzte sie in einigen Positionen. Besser wäre allerdings gewesen, wenn ich was gestrichen hätte, denn ich hatte mal wieder viel zu viel eingepackt. Doch darüber später mehr. Für den mir noch unbekannten Teil der Strecke fertigte ich mir einen Auszug über vorhandene Herbergen. Die Streckenbeschreibung ab Le Puy gestaltete ich diesmal etwas anders als bisher. Zusätzlich trug ich die im Straßenatlas ersichtlichen Steigungen ein, markierte sie mit einem roten Dreieck und den angegebenen Höhenmetern (Hm) Ich habe es schon erwähnt, die Höhe dieser Knüppel!' lag durchweg zwischen 900 und 1300 Metern. Nur als Beispiel: Le Puy liegt etwa 650 m hoch und Espalion 350 m. Zwischen diesen beiden Orten habe ich knapp 200 Km in drei Tagen gefahren. Auf dieser Strecke hatte ich etwa 20 dieser Steigungen, wo ich drüber musste. Wenn ich das heute nachbetrachte, muss ich sagen, das war einfach zu viel. Was mir noch auf dem Magen lag, war die Fahrradbeförderung nach Lyon. Im Februar war ich mal mit dem Pkw in Saarbrücken und fuhr anschließend die paar Kilometer bis zum Bahnhof Forbach in Frankreich, um entsprechende Auskünfte einzuholen. Ich wollte tagsüber so früh wie möglich losfahren. Doch da gab es schon den ersten Haken. In Metz war erst um 11.23 Uhr der erste Anschluß nach Lyon, wo ich dann um 17.34 Uhr ankommen werde. Eigentlich hatte ich mir das etwas früher vorgestellt, um evtl. noch etwas von der Stadt zu sehen und um rechtzeitig in die Jugendherberge Lyon-Vennisieux zu kommen. Man sagte mir auch, dass ich das Fahrrad vorschicken müsse. Das erledige eine Spedition im Auftrag der Bahn, würde allerdings 300.-frs (rd. 100.-DM) kosten. Das ist zwar ein stolzer Preis, aber das kann man nicht ändern. Nun wußte ich jedoch Bescheid und konnte meine Planungen weiter durchziehen. Als Zeitpunkt meiner Abfahrt legte ich den 23. April fest, das ist der Montag nach dem Weißen Sonntag. Da könnte ich auch noch nach Fatima fahren und wäre doch noch am 20. Mai wieder zu Hause. Etwas hatte ich bei meinem ersten Besuch im Bahnhof Forbach nicht Bedacht, die Osterfeiertage. Ich wurde unsicher, ob das Fahrrad noch rechtzeitig in Lyon ankommen werde, wenn ich es erst nach Ostern aufgeben würde. So fuhr ich nochmals hin, um das zu klären. Diesmal war ein anderer Beamter am Schalter. Mit dem sprach ich nochmals meine Problem durch. Fazit: Ja es würde reichen, wenn ich Dienstags nach Ostern das Fahrrad bringen würde. So war ich dann am Osterdienstag gegen 9.00 Uhr schon dort. Zwei lange Schlangen standen vor den beiden Schaltern in der Halle. Ich stellte mich an der einen an und wartete geduldig. Doch Geduld musste ich auch haben, denn es ging nur sehr langsam voran. Ich werde ja in solchen Fällen immer gleich unruhig. Als ich an die Reihe kam, bediente mich ein etwas korpulenter, aber sehr freundlicher Herr. Der hatte die Ruhe weg und ich muss im Nachhinein sagen, das war gut so. Auf mein Begehr, das Absenden des Fahrrades, fragte er: Muss das denn sein?" Etwas verdutzt gab ich zur Antwort, dass es doch wohl keine andere Möglichkeit gebe. Er meinte aber, wenn ich nicht unbedingt über Tag fahren wolle, könne ich ab Metz einen Nachtzug bis Lyon benutzen. Und da könne ich das Fahrrad, wie in Deutschland üblich, im Zug mitnehmen. Allerdings käme ich dann während der Nacht, so gegen 03.00 Uhr in Lyon an. Etwas verärgert gab ich zur Antwort, dass ich doch schon zweimal hier am Schalter um Auskunft gebeten hätte, ebenso bei der Fahrradhotline der Deutschen Bahn in Saarbrücken, und niemand habe mich bisher auf diese Möglichkeit hingewiesen. Da brauchte ich nicht lange zu überlegen, denn ich dachte, so etwas nach 05.00 Uhr wird es ja schon hell, und so gibt es ja keine allzu lange Wartezeit. So bat ich also den Herrn, mir gleich die notwendigen Fahrunterlagen fertigzumachen. Die Beförderung des Fahrrades war in diesem Falle sogar ohne zusätzliche Kosten.
Tag der Abfahrt, Montag, 23. April 2001
Endlich ist es soweit, der Tag der Abfahrt ist gekommen. Von der Uhrzeit her bin ich noch nie so spät losgefahren. Heute ist Montag, der Tag nach dem Weißen Sonntag. Thomas ist mit seiner Familie nochmals zur Kommunionfeier bei seinem Patenkind Carolin Laub. Er hat die anderen dort zurückgelassen und bringt mich zum Bahnhof nach St. Wendel, wo der Zug um 18.05 Uhr abfährt. Das klappt alles wie vorgesehen. In Saarbrücken steige ich in einen französischen Triebwagen um, ein schon etwas älteres Gefährt mit einem lauten Dieselmotor. Die Fahrt bis Metz dauert etwa 1½ Stunden. Zum Umsteigen habe ich genau eine weitere halbe Stunde Zeit Nachdem ich zu Hause meine Taschen gepackt hatte, habe ich sie gewogen. Es waren fast 25 Kg. Ich muss doch fast verrückt sein. Jedesmal nehme ich mir vor, eine sorgfältigere Auswahl an dem zum treffen, was ich mitnehmen werde. Aber statt weniger, wird es immer mehr. Um die hohen Bahnsteigtreppen im Bahnhof Metz hoch zu kommen, müsste ich eigentlich die Taschen vom Rad nehmen und extra hoch tragen. Das ist mir etwas umständlich und so sehe ich mich nach einem Aufzug um, den ich dann auch finde. So geht es bequem zum Bahnsteig. Der Zug steht schon bereit. Einen Bahnbediensteten frage ich nach dem Fahrradabteil. Offensichtlich bin ich an den falschen geraten, er weiß es nicht. Doch er geht sich in einen Dienstraum informieren. Er kommt schließlich mit einem weiteren Eisenbahner zurück. Dieser kennt sich aus und zeigt mir das Abteil. Ich muss sagen, das hätte ich wahrscheinlich allein nicht gefunden. Das Einsteigen durch die normale Tür war mit dem Rad nicht einfach, eng und hoch. Hier musste ich das Gepäck nun doch abnehmen. Im Waggon selbst war jede Menge Platz für die Fahrräder. Vorsichtshalber sicherte ich es mit dem Spiralschloss. Bei diesem Platzangebot kam in mir wieder der Ärger hoch, warum mich bei meinem Auskunftsersuchen weder jemand in Forbach noch in Saarbrücken auf diese Möglichkeit hingewiesen hat. Der Waggon, zu dem das Fahrradabteil gehörte, war nicht mehr der neueste, ganz altmodische, nicht komfortable Sitze. Doch ich wollte mich nicht allzu weit vom Rad entfernen und nahm in einem Abteil Platz, in dem schon ein Mann saß. Der nahm kaum Notiz von mir, er mimte den Schlafenden. Wir blieben allein und vorerst stumm. Die Sitze konnte man ausziehen und somit die Füße hoch legen Das taten wir später auch. Im Zug kann ich seit jeher gut schlafen. Und so dauerte es nicht lange, bis ich nach der Fahrkartenkontrolle eingeschlafen war. Natürlich wird man ab und zu mal wach. Ich bekam auch mit, dass wir irgendwo einen längeren Aufenthalt hatten. So ab zwei Uhr bemühte ich mich, wach zu bleiben, damit ich die Ankunft in Lyon nicht verpassen werde. Als ich dann merkte, dass mein Partner auch mal wach war, fragte ich ihn, ob wir bald an meinem Ziel seien? Und siehe da, er sprach gut deutsch, er war Lothringer. Nein, meinte er, wir hätten mehr als eine Stunde Verspätung. Mir war das egal, ich konnte ohnehin nicht so früh in Lyon weg. Apropos Lyon, da hatte ich meinen ursprünglichen Plan wieder geändert. In Erkenntnis der doch nicht leichten Verhältnisse im Zentralmassiv dachte ich, dass ich die Länge der Tagesetappen reduzieren müsse und dadurch wohl einen Tag länger brauchen werde. Deshalb wollte ich in Lyon die Situation überprüfen und evtl. noch bis St.Etienne mit dem Zug weiterfahren. Dann hätte ich den zusätzlichen Tag wieder zurückgewonnen. Mal sehen.
Kurz vor vier Uhr waren wir dann im Lyon-Perrache. Der Bahnhof ist noch geschlossen, aber es gibt einen Notausgang bzw. Eingang. Ich sehe mich um und stelle fest, dass um 05.10 Uhr ein Zug nach St.Etienne fährt. Den werde ich dann wohl zur Weiterfahrt benutzen. Der Bahnhof hat den Zugang zu den Bahnsteigen nicht durch eine Unterführung, sondern über eine Überführung. Dort oben befindet sich auch eine Gaststätte und die Fahrkartenausgabe. Ich stelle das Fahrrad in eine Ecke und gehe über eine Treppe hoch. Bis 6.00 Uhr ist noch alles geschlossen, lediglich eine Auskunft ist besetzt. Ich erkundige mich, ob ich den von mir ins Auge gefassten Zug mit dem Fahrrad benutzen kann. Ja, heißt es, und die fehlende Fahrkarte könne ich im Zug nachlösen. Bis hierher bin ich zufrieden. Beim Abgang zum Fahrrad über die Treppe, springen die Rolltreppen an. Es ist kurz nach vier Uhr. Ich werde also das Rad nach oben schaffen und mich noch eine Weile im Warteraum aufhalten. Aber das Rad mit dem Gepäck die sehr hohe Treppe hinauf zu schaffen, ist schon mehr als beschwerlich. Ich habe dafür hin und wieder schon mal die Rolltreppe benutzt, obwohl das sicherlich mit gewissen Sicherheitsrisiken verbunden ist. Also stelle ich das Rad auf die Treppe, halte beide Bremszüge mit den Händen ganz fest und stemme mich dagegen. Das geht auch zunächst recht gut. Doch dann wird es offensichtlich doch von dem Gewicht des Gepäcks nach hinten gezogen und überschlägt sich.
Dabei werde ich mitgerissen und komme auf der Treppe unter dem Rad zum Liegen. Vergeblich versuche ich aufzustehen, indem ich das Rad mit dem Rücken hoch drücken will. Das geht einfach nicht, und die Treppe läuft unerbittlich weiter. Da wird es mir schon arg mulmig. Es ist niemand in der Nähe, der helfen könnte. Ich denke, hoffentlich geht das gut, wenn wir oben sind. Und es ging glimpflich ab. Das Rad und ich werden wie am Meer einfach an Land' gespült.
Da liege ich nun, hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Zunächst befreie ich mich von dem Rad. Dabei stelle ich fest, dass das Ganze nicht ohne Folgen abgegangen ist. An der rechten Hand habe ich Fleischwunden am Handballen und an zwei Fingerkuppen. Im Nu sind die Fliesen am Treppenabgang mit großen Bluttropfen übersät. Mit einem Tempotaschentuch gelingt es mir die Wunden zu reinigen und notdürftig zu stillen. So kann ich schließlich zum Warteraum gelangen und das Rad mal vorerst dort abstellen.
In der Packtasche habe ich eine ErsteHilfeBox, so dass ich die Wunden verpflastern kann. Es geht schon bald wieder, doch im rechten Knie verspüre ich ebenfalls Schmerzen. In welche Situation war ich da hinein gekommen. Aber eigentlich hätte es noch schlimmer ausgehen können, und ich war selbst schuld an der ganzen Sache Ja, das war also der erste Abschnitt meiner Fahrt, schon einiges erlebt, aber noch keinen Meter auf dem Rad gesessen.
Der erste Tag mit dem Fahrrad, Dienstag, 24. April 2001 St. Etienne Le Puy Den Schock von dem Sturz stecke ich schnell weg, es muss ja weitergehen. Als der Zug bereit gestellt wird, schaffe ich das Rad auf den Bahnsteig und in den Zug. Es ist wieder ein Triebwagen, der ein Fahrradabteil hat. Das Lösen der Fahrausweise bei der Schaffnerin bereitet keine Schwierigkeiten. Kurz nach sieben Uhr sind wir in St. Etienne. Ich hatte noch gar nicht damit gerechnet, erst recht nicht, weil das für eine so große Stadt ein so unscheinbarer Bahnhof ist. Ich dachte, wir seien erst in einem Vorort. Doch die Schaffnerin hatte aufgepasst und sagte mir Bescheid. Der Zug fuhr übrigens weiter nach Le Puy. Beim Gang über den Bahnsteig sah ich ein Hinweisschild zu einer Behindertentoilette. Diese suchte ich auf, um meine Fahrradkleidung anzuziehen. Dabei bemerkte ich auch auf dem rechten Knie eine Wunde auf der Kniescheibe, die offensichtlich auch zu den Schmerzen beitrug. In der Bahnhofshalle kaufte ich mir an einem Backwaren - Verkaufsstand zwei Stückchen und einen Cappuccino, die ich an einem der Stehtische verzehrte. Hier herrschte um diese Zeit reger Betrieb. Das Rad hatte ich etwas abseits in der Halle auf der Stütze abgestellt. Plötzlich gab es einen Knall und das Fahrrad lag auf dem Boden. Was war geschehen? Kurz vor der Abfahrt von zu Hause hatte ich mir noch eine neue Stütze gekauft, weil die alte schon etwas ausgeleiert war. Ich war der Meinung, dass ich etwas gutes getan hätte. Aber nun war sie unter der Last des Gepäcks einfach abgebrochen. Offensichtlich hat sie auf dem glatten Marmor Fußboden nicht den rechten Halt gefunden und ist einfach weggerutscht und schließlich zerbrochen. Das ließ sich nun nicht gleich reparieren. Das abgebrochen Teil steckte ich vorerst in die Packtasche. Das Rad aber konnte ich vorerst nur noch dann abstellen, wenn es sich anlehnen ließ. Seltsamerweise habe ich keine große Eile, vom Bahnhof loszukommen. Es ist schon fast 08.00 Uhr als ich abfahre. Ein Taxifahrer erklärt mir den Weg in Richtung Unieux an der Loire. Das Wetter ist auch nicht sehr aufmunternd. Es könnte Regen geben. Vor allem aber ist es sehr kühl.
Die Weiterfahrt ins Tal der Loire muss man sich so vorstellen: St. Etienne liegt schon im Zentralmassiv, am Ende eines Tales, dessen Wasser in die Rhone, bei Lyon abfließt. Zur Loire, an der später auch Le Puy liegt, sind es etwa 17 Km. Bekanntlich fließt die Loire nach langem Lauf in den Atlantik. Also muss ich nun zuerst über eine Wasserscheide. Dieser Weg hätte ruhig etwas leichter sein können. Hinzu kam, dass die Verkehrsführung für mich nicht immer leicht zu erkennen war. Ich musste ein paar mal nachfragen. Zudem gab es den ersten kräftigen Schauer, der mich zwang, die Fahrt für einige Zeit zu unterbrechen. Doch der Regen hatte möglicherweise auch etwas Gutes; die Wolken lichteten sich und die Kälte war herabgekommen. Zeitweise kam nun die Sonne hervor und es wurde wärmer. Es war schon fast 10.00 Uhr, als ich an die Loire kam. Ich dachte, nun geht es einfach bis Le Puy am Fluss entlang. Dem war jedoch nicht so . Oft war im Tal nur Platz für den Fluss, so dass die Straße über dem Steilhang an den Bergen vorbei führte. Und da muss man erst mal hinauf. Glücklicherweise waren die Temperaturen jetzt angenehm, ich konnte erstmals für dieses Jahr überhaupt in kurzen Trikotärmeln fahren.
Im Tal der Loire zwischen Unieux und Le Puy
Eigentlich hätte ich nun zufrieden sein können. Aber die immer wieder zu nehmenden Steigungen setzten mir körperlich mehr zu als ich dachte. So wurde ich langsam richtig missmutig. Als dann die mühsam gewonnene Höhe bei Retournac auf einer relativ kurzen, aber steil abfallenden Strecke wieder verloren ging, hatte ich den Rest meines Mutes fast gänzlich verloren. Unten im Tal war neben dem Bahnübergang auch der Bahnhof der Stadt. Da fuhr ich mal hin. Es war etwa halb zwei Uhr. Am Aushang-Fahrplan informierte ich mich über Fahrmöglichkeiten nach Le Puy. Im Nachhinein muss ich sagen, Gott sei Dank gab es vor vier Uhr keine Zugfahrt. Ich wäre sonst tatsächlich den Rest der Strecke mit dem Zug gefahren, so lädisch' war ich. Wahrscheinlich kamen ein paar Faktoren zusammen: Mit Sicherheit fehlte mir von der Nacht etwas Schlaf. Dann der Sturz auf der Rolltreppe und die noch nachwirkenden Schmerzen. Und nicht zuletzt hatte ich seit dem Frühstück in St. Etienne nichts mehr gegessen. Nun war es schon fast 14.00 Uhr. Als erstes wollte ich nun mal das Essen nachholen. In einer Bar bestellte ich mir einen Sandwich und eine Fanta. Die Wirkung stelle sich schon nach kurzer Zeit ein, mir wurde wesentlich besser. Nun fand ich wieder zu meiner gewohnten Form zurück. Dazu kam, dass sich hinter Retournac das Tal wieder aufweitete und die Straße nunmehr weitgehend eben in Richtung Le Puy weiterführte. Dennoch hatte ich noch ein gutes Stück zu fahren. Es ist schon gegen 18.00 Uhr, als ich in Le Puy ankam. Vom Äußeren beeindrucken zunächst zwei Dinge: Die Kirche St. Michael und die übergroße Marienstatue. Beide befinden sich auf hohen, spitzen Felsen aus vulkanischem Gestein, die aus der Ebene herausragen. Ihre Besichtigungen stelle ich zurück, weil ich mich zunächst um die Übernachtung kümmern muss. Das Zentrum Pierre Cardinal', die Jugendherberge, in Nähe der Kathedrale, habe ich schnell gefunden. Wie so oft liegt sie mal wieder auf einem Berg, da muss ich das letzte Stück des Weges tüchtig schieben. Doch das wichtigste ist, man hat noch ein Bett für mich. In einem Vier-BettZimmer komme ich unter. Mit Frühstück verlangt man 53.-frs (etwa 18.-DM). Einer der Zimmergenossen ist ein etwa 40-jähriger Franzose, von Beruf Ingenieur, und heißt Rouven. Er stammt aus Amneville in Lothringen, ist zu Fuß unterwegs und will in etwa zehn Wochen in Santiago sein. Er spricht deutsch und will natürlich viel von mir wissen, nachdem ich ihm erzählt habe, dass ich schon zum dritten mal nach Santiago unterwegs bin. Das mache ich natürlich gerne, muss aber schließlich darauf hinweisen, dass ich auch noch etwas Zeit für meine eigenen Bedürfnisse wie Duschen, Essen u. dgl. brauche. Jedenfalls war es eine schöne Begegnung mit ihm.
Nach dem Duschen mache ich mich auf den Weg in die Stadt um etwas zu essen. Hierbei komme ich an der Kathedrale vorbei, der ich dann zuerst einen Besuch abstatte. Viele Treppenstufen führen nach oben. Von Pilgern oder sonstigen Personen ist nichts zu sehen. Am Aushang stelle ich fest, dass morgens um sieben eine Messe ist. Da möchte ich hinein gehen. In der Kirche ist vor allem die Schwarze Madonna', eine Nachbildung des in der französischen Revolution öffentlich verbrannten Originals sehenswert. Zum Essen muss ich weiter hinab in die Stadtmitte. In einem Schnellimbiss bestelle ich mir ein Schnitzel, das allerdings sehr klein geraten war, eine Portion Pommes frites und ein Bier. Der Preis war wie das Schnitzel, 32 Frs. Es hat mir sehr gut geschmeckt. Der erste Tag mit dem Rad hat mich doch sehr mitgenommen, das hätte ich nicht gedacht. Richtig müde schleppe ich mich wieder den Berg hoch und lege mich sofort ins Bett. Immerhin bin ich heute auf eine Fahrleistung von 95 Km gekommen. Die Fahrzeit betrug 8,30 Std. der Durchschnitt war 11,23 Km/h
2. Tag, Mittwoch, 25. April 2001 Le Puy Monisterol sur Allier Rouven ist schon früh aus dem Bett und verlässt alsbald die Herberge. Das Wetter ist nicht besonders, es ist stark bewölkt und regnerisch. Dennoch stehe auch ich auf und mache mich fertig. Um 07.00 Uhr wollte ich ja zur Messe, aber das schaffe ich nicht. Zuerst zum Frühstück. Es ist noch kein Personal da. In der Küche steht ein Körbchen mit meinem Namen, da ist Zwieback drin (schon wieder) sowie Butter und Marmelade. Nescafé steht an der Kochplatte, den muss man sich selbst herrichten. An sich kein Problem, ich komme zurecht. Ein Ehepaar hantiert ebenfalls noch in der Küche. Es sind Holländer. Ich komme mit ihnen ins Gespräch und sie erzählen, dass sie seit dem 11. März von Holland aus zu Fuß nach Santiago unterwegs sind. In Le Puy haben sie einen zusätzlichen Ruhetag einlegen müssen, weil die Wanderschuhe des Mannes in Reparatur sind.
Sehr begeistert sind sie von ihrem Aufenthalt in Vezelay, wo auch Werner und ich in 1998 waren. Der Plausch mit ihnen wird länger als gedacht, so komme ich gerade noch zu der Messe um 9.00 Uhr in einer Seitenkapelle der Kathedrale. Doch das ist nicht so tragisch, denn es hat mittlerweile angefangen zu regnen. Bei diesem Wetter werde ich ohnehin vorerst nicht abfahren.
Le Puy, Madonna St. Michael Dennoch packe ich mal meine Taschen und belade das Fahrrad. Von der Stadt habe ich auch noch nicht viel gesehen. Als dann der Regen weniger wird, begebe ich mich zunächst mal hinter die Kathedrale, wo der Aufstieg zur Madonna beginnt. Ich habe gewisse Zweifel, ob die Ausführung der Statue gut gelungen ist. Für meinen Geschmack nicht besonders. An den Treppen des steilen Anstiegs kehre ich um, das ist mir zu mühsam. Auch nach St. Michael gehe ich nur bis zum Fuße des Berges. Nun, es ist abzusehen, dass sich das Wetter bessert und so mache ich mich wieder auf den Weg in die Herberge. Es ist schon nach halb zwölf, als ich endlich abfahren kann. Der Regen hat aufgehört und das Wetter ist nun durchaus zum Radfahren geeignet. Der Weg aus der Stadt führt steil bergauf. Irgendwo muss ich eine Abfahrt verpasst haben, denn ich befinde mich schließlich auf dem Weg nach Aubenas. Zunächst dachte ich, dass dies die richtige Richtung sei. Doch ich hatte den Namen mit Aumont-Aubrac verwechselt, das eines meiner Fernziele war. Aubenas liegt nämlich im Quellgebiet der Ardeche, wo ich mal mit Lenje gewesen war. Deshalb war mir auch dieser Name irgendwie geläufig. Außer einem kleinen Umweg war das nicht so tragisch, das ließ sich korrigieren, ohne umzukehren, bergauf ging es auf jedem Weg. Ab und zu gab es Aussichtspunkte, von wo man auf den Talkessel von Le Puy zurückblicken konnte. Links von meiner Fahrtrichtung, das ist grob gesagt in Richtung Rhonetal, befinden sich die höchsten Berge dieser Gegend. Auf den Gipfeln liegen noch Schneereste. Ein Zeichen, dass die Temperaturen noch recht niedrig sind. Bis les Baraques fahre ich 9 Km auf der N 88 stets aufwärts und biege dann auf eine kleine Straße über St. Christoph in Richtung Bains ab. Bei dem Ort Cordes komme ich dann auf die eigentlich vorgesehene D 589. Ab hier geht es wieder aufwärts. Vor mir liegen noch drei Hügel', bis ich den höchsten Punkt bei 1143 Hm erreichen werde. Was aber nun zusätzlich die Fahrt erschwert, ist der aufkommende heftige Gegenwind. Ein begeisterter Radfahrer und Buchautor hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: Der Wind kommt immer von vorn'. Wie sehr er damit recht hat, habe ich schon oft feststellen müssen. Das ist symptomatisch, nur ganz selten bläst er von hinten, und das fast überhaupt nicht am Berg. Vielleicht machen diese Beschwerlichkeiten, zu denen ich z.B. auch Pannen und dgl. zähle einen Teil des besonderen Reizes meiner Fahrten aus. Ich möchte dies keineswegs herbei reden, denn am liebsten ist es mir, wenn bei schönem Wetter alles glatt verläuft. Doch muss ich auch sagen, dass es ein schönes Gefühl ist, wenn man eine Negativsituation bestanden hat. Die Gegend hinter Bains ist nur dünn besiedelt. Ich möchte nun mal Picknick machen, doch es bietet sich keine rechte Möglichkeit. Der Wind bringt auch noch eine gewisse Kälte mit. Das einzige, was ich akzeptieren kann ist eine Schlehenhecke an einem kleinen Hang, der mir schließlich auch noch das Ausstrecken der Beine beim Sitzen gestattet. Das ist schon sehr ungemütlich, und das beim Mittagessen'. Endlich bin ich hinter Montbonnet oben und ich mache eine kleine Trinkpause. Auch muss ich mal nach meinem Knie sehen, das schmerzt nach diesem Aufstieg. Neben der Wunde ist es etwas angeschwollen. Danach geht es über eine steile Abfahrt ins Tal der Allier. Bis zum nächsten Ort, St.Privat, an einem Nebenflüsschen der Allier, sind es gerade mal 6 Km und schon ist der mühsam errungene Höhengewinn wieder vertan. An einem TanteEmmaLaden' halte ich an, um meinen Getränkevorrat aufzufrischen. Eine Ruhemöglichkeit gibt es auf einem kleinen Parkplatz nebenan. Hier im Tal sind nun wieder angenehmere Temperaturen. Und bedeutend weniger Wind. Das Wetter ist sogar richtig schön geworden. Sonne und Kumuluswolken wechseln sich ab. Ein besonders schönes Bild gibt die auf einer Bergkuppe stehende Kirche des Ortes ab. Nach kurzer Zeit komme ich zur Gorges l' Allier' (Schlucht der Allier). Tief unten im Tal windet sich der Fluß und zeitweise sind die Gleise der Bahnlinie Clermont Nimes zu sehen. Die Bahn verschwindet aber bald wieder in einem Tunnel. Was sind das schöne Landschaften, die an einem vorbei huschen Für die Mühen der vorangegangenen Anstiege fühle ich mich reichlich belohnt In Monistrol sur Allier weitet sich das Tal etwas auf, so dass für den kleinen Ort mit dem Bahnhof Platz ist. Am Anfang des Dorfes steht eine Herberge, an der ich aber noch stramm abwärts vorbeifahre. Ein größeres Hotel befindet sich in der Ortsmitte, zu dem auch eine Unterkunft für Wanderer gehört. Interessenhalber studiere ich mal die Preistafel und komme zu dem Ergebnis, dass ich eigentlich auch schon hier gut übernachten könne. Aber ich habe ja noch nicht allzuviel gefahren, obwohl es schon auf fünf Uhr zugeht. Bis zum nächsten Ort, Saugues, möchte ich doch wenigstens noch kommen, das sind noch etwa 20 Km. Beherzt gehe ich am Ende des Ortes das Straßenstück aus der Schlucht aufwärts an. Hui, das ist wieder nicht so einfach. Nach ein paar hundert Meter beginne ich zu überlegen: Wenn das so beschwerlich weiter geht, brauche ich ja etwa drei Stunden bis Saugues und dann darf aber nichts dazwischen kommen. Nein, unter diesen Umständen kann es ja gut 20.00 Uhr werden, das mache ich nicht. Nochmals so ca. 350 Hm sind mir am Ende des Tages doch etwas zu viel. Für heute reicht's, ich kehre um und fahre wieder in den Ort zurück. In dem erwähnten Hotel des Gorges' frage ich nach einer Unterkunft. Ja, ich kann ein Zimmer haben. Das ist sehr preiswert. Mit dem Abendessen kostet es nur 130,-frs, das sind etwas über 40,-DM. Ein Frühstück nehme ich nicht, ich muss zumindest einen Teil meiner Vorräte wegschaffen. Aber einen Cappuccino trinke ich gleich. Es ist erst 17.15 Uhr. Das Zimmer ist sehr ordentlich, hat allerdings ein Doppelstockbett. Aber das kümmert mich nicht. Ansonsten hat es warmes und kaltes Wasser und einen Klo. Die Dusche ist auf dem Flur. Da auch die Heizung funktioniert, nutze ich die Gelegenheit, um meine Unterwäsche zu waschen. Die wird heute noch bequem trocken.
Das Tal der Allier mit der Bahnlinie Um 19.00 Uhr gibt es schon Abendessen. Da wäre ich mal gespannt, was das bei dem Preis ist. Doch mein Pessimismus war absolut nicht angebracht. Das zähle ich mal auf: Ein Körbchen mit Brot und eine Karaffe Wasser standen schon auf dem Tisch. Dann kam eine Terrine feine Gemüsesuppe. Von der habe ich mir mal vorsorglich einen Nachschlag genommen. Das Hauptgericht war ein großer Teller mit Nudeln, Gulasch und Mischgemüse. Danach gab es zwei Scheiben Ziegenkäse, das ist allerdings was für Kenner, wozu ich mich nicht zähle. Der Nachtisch bestand aus einem Becher Pudding mit Eischnee. Dazu trank ich ein viertel Rotwein, der kostete 15.-frs extra. Also da kann man wirklich nichts sagen. Außer mir waren noch vier Pilger im Haus, die haben auch alle was gegessen. Meine heutige Fahrleistung hielt sich, was die Kilometer angeht, doch sehr in Grenzen. Allerdings habe ich ja am Morgen kaum was gefahren. Es sind gerade mal 46 Km in 4,30 Std. und einem Durchschn. von 10,30 Km/h. geworden. Aber, ich bin müde wie ein Hund', und gehe nach dem Essen gleich ins Bett. 3. Tag, Donnerstag, 26. April 2001 Monistrol St. Alban sur Limagnol Gut geschlafen stehe ich rechtzeitig auf. Das angeboten Frühstück habe ich nicht angenommen, ich habe noch ausreichend Proviant in der Tasche, den muss ich mal wegessen. Es wird doch gut acht Uhr bis ich wegfahren kann. Noch ist es kühl, aber trocken, die Sonne wird sich vielleicht durchsetzen. Das erste Stück des Weges in Richtung Saugues kenne ich ja noch von gestern. Es geht noch eine Weile bergauf, dann wird es flacher. Neben der Straße rauscht ein Bach ins Tal zur Allier. Das flache Teil hält allerdings nicht lange an. Die Straße überquert nun den Bach und dann geht es unaufhörlich den Berg hinauf. Gestern habe ich schon mal hinter Bains gesehen, dass an den Steigungen neben der normalen Kilometrierung auch die erreichten Höhenmeter angegeben sind. So ist es auch hier. Im Prinzip ist das eine gute Sache, man ist immer auf dem Laufenden in welcher Höhe man sich befindet. Es ist auch heute wieder nicht leicht für mich, die Steigungen hochzufahren. Irgendwie habe ich diese Berge unterschätzt. Wie es auch sei, ich muss da hoch. Dann muss ich eben öfters mal eine Pause machen und mich ausruhen. Langsamen Trittes geht es weiter. Sehnsüchtig blicke ich nach vorne, wann die nächste Tafel mit den Kilometer- und Höhenangaben kommt. In Monistrol bin ich bei 650 Hm abgefahren. Saugues soll nach den Angaben in meinem Atlas bei 980 Meter liegen, aber da bin ich doch vorbei. Schließlich erreiche ich den höchsten Punkt. Gott sei Dank. Das letzte Schild zeigte 1.100 Hm. Nach Saugues fällt in der Tat die Straße wieder ab, so dass die Höhenangaben von ca. 1000 m. zutreffen dürften. Es ist schon gegen 11.00 Uhr, als ich dort ankomme. Somit wurde mir auch klar, dass ich gestern in Monistrol den etwaigen Zeitbedarf nach hier ziemlich richtig war und dort übernachtet habe. Als erstes trinke ich einen Cappuccino und esse ein Stückchen, das tut gut. In der nahen Kirche sollen die Gebeine von zwei Heiligen ruhen, St. Benilde und St, Menardus. Einer der Schreine ist zu sehen. Ich zünde mal Kerzen an, in der Hoffnung, dass ich die momentanen Strapazen wenigstens psychisch besser verkrafte. Sehenswert ist auch der sogenannte Turm der Engländer. Im unteren Geschoß betreibt ein Kunsthandwerker sein Gewerbe. Im Obstladen kaufe ich mir schließlich als Vorrat noch zwei Bananen, und dann geht es gegen 12.00Uhr über die D 585 weiter. Eine Weile lässt es sich nun gut fahren. Der Weg verläuft nun durchs Tal der Seuge. Zwar ist mittlerweile die Sonne zeitweilig zu sehen, doch es ist immer noch recht kühl. Ohne Jacke geht es nicht. Doch dann steht mir vor der Ortschaft Tour mal wieder ein Berg im Weg. Doch diesmal ist es nicht so schlimm. Im Ort ist ein ehem. Schloss zu sehen. Vom Zentralmassiv war mir bekannt, dass es hier wildwachsende Narzissen gibt. Schon im Tal der Loire hatte ich danach Ausschau gehalten, habe aber keine gesehen. Ich glaubte, sie seien schon verblüht, zumal ich Pflanzen mit ähnlichen Blättern sah, die ich für Narzissen hielt. Doch in der folgenden Hügellandschaft, es ging hier mehrmals leicht auf und ab, sah ich dann bei dem Örtchen la Brugeire doch welche. Anfangs nur wenige auf einer Wiese, wie bei uns die Schlüsselblumen. Schnell machte ich den Fotoapparat fertig, denn ich dachte, es könnten auch schon die letzten Exemplare sein. Mal wieder einer meiner Irrtümer. Denn nun begann das erst. In der Folge kam ich an große Wiesenflächen, die über und über mit den Narzissen voll standen. Ich war regelrecht entzückt ob der Pracht und musste noch mehrmals den Fotoapparat in Aktion bringen. Mittlerweile bin ich mal wieder in einem Tal und fahre auf den Ort Chanaleilles zu, wo ich eine Pause einlegen möchte. Vor dem Dorf kommen mir zwei belgische Pilger entgegen, mit denen ich mich kurz unterhalte. Sie meinen, ich hätte eine Abfahrt versäumt und müsse wieder ein Stück zurückfahren. Sie zeigen mir eine schmale Straße, die bergauf führt. So recht traue ich dem Braten nicht und befrage mich deshalb bei einem Bauern, der mit seinem Traktor daher kam. Der bestärkte mich dann in meiner Ansicht, dass ich wieder nach Chanaleilles zurück müsse. Hier komme ich dann auch zu meiner Kaffeepause. Auf dem Kartenauszug und in meiner Streckenbeschreibung hatte ich anschließend wieder einen recht steilen Streckenabschnitt vermerkt. Da kam mir die gerade beendete Pause sehr zugute. Dennoch, war das an einigen Stellen steil. Da konnte ich das Rad im kleinsten Gang gerade noch fahren. Ich glaube, ich hätte an diesen Stellen auch genau so schnell geschoben. Und wieder mal verwünschte ich die schweren Gepäcktaschen, ob ich nicht doch ein Paket mache und etwas nach Hause schicke. Das wäre nicht schlecht Im oberen Teil des Anstiegs wird es dann wieder etwas flacher. Die Höhe, wo ich nun hinkomme, heißt St. Roche und liegt bei 1309 Hm. In der Nähe ist eine Kapelle mit dem gleichen Namen. Das ist für mich Anlass zu einer Besichtigung und zum Ausruhen. Zwei Mädchen mit Rucksäcken kommen ebenfalls dazu. Sie sind aus der Schweiz und gehen bis Santiago. Sie hoffen in etwa zwei Monaten dort zu sein. Ich mache ihnen ein Foto, notiere eine Adresse und verspreche, ihnen das Bild zuzusenden. (das habe ich inzwischen auch getan).
An der Kapelle St. Roche Nun gibt es wieder eine schöne Abfahrt nach St. Alban sur Limagnole.
Vom Wetter habe ich ja schon gesprochen, es war oft blauer Himmel mit Sonne und Wolken, aber auf den Höhen sehr, sehr kühl. Heute Nachmittag gab es auch wieder zeitweise heftigen Wind, der mich vor allem nach St. Alban sehr vorsichtig abfahren ließ, denn wie schnell ist man von einer Bö erfasst und fliegt in den Graben. In meinem Führer ist St. Alban wieder mit einem Hotel Centre- verzeichnet, dem eine Herberge angeschlossen ist. Das ist direkt gegenüber der Kirche, wo ich ohnehin anhielt. Und sofort kam der Monsieur von der Rezeption über die Straße herbei und fragte, ob ich übernachten wolle. Das war mir mal wieder etwas zu aufdringlich und lehnte ab. Doch dann überdachte ich meine Situation und kam zur Ansicht, dass es doch besser sei, wenn ich hier bleiben würde. Es war zwar erst 16.30 und ich hatte erst knapp 60 Kilometer gefahren. Ich sagte mir, dass ich mich nun doch etwas vernünftig verhalten müsse, um einigermaßen gut aus diesem verflixten' Massiv heraus zu kommen. So fragte ich dann doch den Herrn, der noch vor der Tür stand, ob dies die angegebene Herberge sei und was ein Zimmer kosten würde. Er nahm mich mit hinein und machte mir ein Angebot für ein Zimmer mit Dusche und WC sowie mit Abendessen und Frühstück für 350,-frs. Das war mir etwas zuviel, so dass er mir ein Zimmer mit Etagendusche für insgesamt 300.- frs anbot. Das war mir dann recht. Vorsichtshalber ließ ich mir das Angebot aufschreiben. Das Zimmer war recht ordentlich, es lag zur Straße mit Blick auf die Kirche. Nach dem Duschen sah ich mir den Ort mit der Kirche und dem Schloss an. In einem kleinen Supermarkt kaufte ich etwas Reiseproviant und Getränke, schon für morgen ein. Hier gab es auch Karlsbräu' aus Homburg, wovon ich mir eine Dose als Schlaftrunk mitnahm. Gespannt war ich auf das Abendessen. Das war wirklich gut. Zuerst gab es einen Salatteller mit Flit, dann eine Poulardenkeule mit Zucchinigemüse und fritierten, dicken Kartoffelscheiben sowie einen Nachtisch. Dazu trank ich wieder ¼ l Rotwein für diesmal 8.-frs. Gefahren hatte ich heute 61,2 Km in 6,25 Std. bei einem Durchschnitt von nur 9,6 Km/h. Das war wieder ein anstrengender Tag gewesen.
4. Tag, Freitag, 27. April 2001 St. Alban Espalion Das Frühstück gibt es nicht so früh, erst um acht Uhr. Es reicht, wenn ich um halb sieben aufstehe und mich in aller Ruhe fertig mache. Vom Zimmerfenster werfe ich einen ersten Blick nach draußen. Welch schöner Anblick heute morgen. Über dem Glockenturm der Kirche ein wolkenloser, blauer Himmel. Das kann ja im wahrsten Sinne des Wortes ein heiterer Tag werden. Das hebt natürlich die Stimmung. Das Frühstück ist, mal abgesehen von der spärlichen Butterration, gut und sehr reichlich, mit Café au lait. Das schaffe ich nicht alles. Als ich dann das Fahrrad aus der Garage hole und belade, stelle ich fest, dass es doch noch empfindlich kühl ist. In der Nacht hatte es Frost gegeben, die Scheiben der Autos sind vereist und müssen frei gekratzt werden. Ohne Jacke geht es vorerst nicht. Am nahen Verkehrskreisel finde ich gleich die richtige Straße in Richtung AumontAubrac. Sie hat einen eigenen Namen und heißt Route Margeride', ist also was besonderes. Die Wiesen sind noch von Rauhreif überzogen und durch das Tal windet sich ein kleiner Bach, der jedoch bald in einen größeren mündet. Gestern abend schon hatte ich eine Rötung der Nase und des Gesichts im Bereich der Backenknochen festgestellt. Offensichtlich hatte ich mir am Nachmittag durch die Sonneneinstrahlung, aber auch möglicherweise durch den Wind und die UV-Strahlen in der Höhe einen leichten Sonnenbrand zugezogen. Vorsichtshalber hatte ich mir schon etwas SystralCreme aufgetragen. Doch nun spüre ich es wieder. So mache ich im nächsten Örtchen, Rimeize, Halt und reibe mir das Gesicht mit Sonnenschutzöl ein. Hier war ich nun in einem, ich nenne es mal so, Hochtal', wo wieder viele Narzissen, aber auch Löwenzahn blühten. Der Rauhreif war nun schon zum Teil von der Sonne aufgeleckt worden. Von den Hügeln und aus dem nahen Waldstück kommt das Flüßchen Rimeize und plätschert munter durchs Wiesental hinab. Weiter oben umkurvt das glasklare Wasser die im Bachbett liegenden großen Steine oder springt munter über die kleineren hinweg. Eine wunderbare, so scheint es, noch vollkommen heile Welt. Auf der mit Birken und Pappeln umsäumten Straße ist an diesem Morgen kaum Verkehr. Ich muss einfach ein paar mal anhalten, um die herrlichen Anblicke zu genießen. Unwillkürlich denke ich an ein Lied von Franz Schubert, das ich zu Hause auf einer LP habe und das von Hermann Prey gesungen wird. Es beginnt: Oh, wie schön ist deine Welt, Vater, wenn sie golden strahlet. Wenn dein Glanz hernieder fällt, und den Staub wie Schimmer malet': Obwohl ich überhaupt nicht singen kann, sehe ich mich hier in dieser menschenleeren Gegend veranlasst, die zwei Strophen des Liedes, so quasi als Morgenandacht, zu singen. Ich befinde mich in einer richtigen Hochstimmung. An einer Brücke, die über den Bach führt, klettere ich hinab und mache ein Foto. Danach komme ich noch an einem Mühlenbetrieb vorbei und dann ist das Tal zu Ende.
Das Flüßchen Rimeize zwischen St. Alban und Aumont Danach zieht sich die Straße wieder am Hang vorbei durch den Wald bis auf 1120 Hm. Mein Nahziel ist Aumont Aubrac, das ich nun bald erreiche. Hier ist Wochenmarkt, da schlendere ich mal drüber. Ein buntes Bild beherrscht die Szene in dem hübschen Dörfchen. Heute ist Freitag, das Wochenende ist nahe. Als ich an der Post vorbeikomme, sehe ich dort einen Geldautomaten. Ich denke, da kannst du dir deine Reisekasse auffüllen. Wer weiß, wann die nächste Gelegenheit wieder kommt. Jedoch durch die Sonneneinstrahlung kann ich das Display nicht lesen. Kurzerhand bitte ich den Schalterbeamten mir behilflich zu sein. Das geht dann reibungslos, ich habe 1.000 frs. mehr im Geldbeutel. So geht es nach kurzem Aufenthalt weiter. Das Gelände ist wieder sehr wellig. Obwohl es generell so um 900 bis 1000 Meter hat, sind immer wieder Steigungen von 100 bis 200 Hm zu nehmen. Schon am ersten längeren Anstieg ärgere ich mich über mich selbst; da hatte ich doch gestern in Erwägung gezogen, evtl. ein Paket zu machen und überflüssige Dinge nach Hause zu schicken, und nun habe ich eben in Aumont bei der Post die allerbeste Gelegenheit nicht genutzt. Es plagt mich aber noch ein weiteres Problem, mit dem ich eigentlich oft zu tun habe, aber über das ich, so glaube ich, bisher noch nie was geäußert habe: Meine empfindlichste Stelle am Körper ist beim Radfahren der Po. Bei großer Anstrengung kommt es immer wieder vor, dass die Haut an bestimmten Stellen regelrecht aufreißt. Das ist schon etwas schmerzhaft und beeinträchtigt die Sitzhaltung. Seit gestern plage ich mich nun wieder mit dem Problem herum. Abhilfe schaffe ich mir mit Cremes und Salben, die ich immer bei mir habe Kurz nach 12.00 Uhr komme ich in den kleinen Ort Malbouzon. Ah , hier ist wieder eine Poststelle, doch die haben schon Mittagspause. Und die mache ich nun auch. In einer Gaststätte kehre ich ein und trinke einen Cappuccino und esse ein Hörnchen. Offensichtlich ist in der Nähe ein Betrieb, dessen Arbeiter hier ihre Mahlzeit einnehmen, denn nun kommen laufend Leute in Arbeitskleidung und verschwinden im Speisesaal. Die Bedienung ist regelrecht am Laufen. Etwas gestärkt geht es dann weiter den Berg hinauf in Richtung Nasbinals. Die Landstraße hat hier einen neuen Namen. Sie heißt nun Route en Aubrac'. Wo der Wind nicht ankommt, ist es relativ warm. Diese Möglichkeit nutze ich am Dorfplatz in Nasbinals, wo ich meine zwei Bananen esse. Doch ehrlich, es ging nicht nur um die Bananen, es war auch mal wieder eine Ruhepause fällig. Ich bin immer noch nicht oben, an diesem Berg. Das ist überhaupt der höchste Punkt, den ich bis weit über die Pyrenäen hinaus zu überfahren habe. Übrigens spätestens hier stand mein Entschluss endgültig fest, dass ich nicht nach Fatima fahren werde. Wenn ich bis Santiago kommen sollte, ist Schluß. Also, auf geht's zum Col d' Aubrac'. Ich kann hier nur die kleinsten Gänge fahren. Es ist eine karge Landschaft, am Berg liegen noch Schneereste. Und recht kühl ist es auch noch. Ab und zu zischt ein Laster an mir vorbei und bringt mich fast aus dem Gleichgewicht. Bei schwerem Tritt denke ich schon mal, wie schön wäre es, wenn einer von den anhalten und mich bis zum Gipfel mitnehmen würde. Doch wie sagt der Volksmund: Wer langsam reit' kommt genau so weit'. Endlich bin ich oben am Schild mit der Aufschrift: Col d' Aubrac Altitude 1340 m'. Hier war auch die DepartementGrenze von Lozere und Aveyron. Zuerst packe ich mich zusätzlich ein, denn nicht nur hier ober ist es ziemlich kühl, sondern auch auf der zu erwartenden Abfahrt wird es wegen der mangelnden Bewegung nicht besser.
Eigentlich hatte ich die ganze Zeit gezweifelt, dass ich heute noch zu meinem vorgesehenen Ziel Espalion kommen würde, doch nun bin ich sicher, dass ich die gut 30 Km abwärts schaffen werde. Es ging zwar nicht in einem Schuss bergab, flache Stellen und sogar leichte Anstiege waren immer wieder drin, dafür aber lange Strecken mit ausgeschilderten 8% Neigung. Da ist man natürlich oft in Versuchung, einfach laufen zu lassen, doch zu hoch darf die Geschwindigkeit nicht werden. Ab und zu kamen mir Radfahrer entgegen, die also dorthin wollten, wo ich her kam Die bedauerte ich regelrecht. Nach etwa 25 Km komme ich nach Come d' Olt am Fluß Lot. Das ist mal wieder ein etwas größerer Ort, dessen Kirchturm eine merkwürdig schiefe Spitze hat. Hier suche ich als erstes nach der Poststelle, die ich auch in der Ortsmitte finde. Eigentlich komisch, nun bin ich aus dem gröbsten heraus, und nun will ich mir Marscherleichterung' verschaffen. Doch was zu viel ist, ist einfach zuviel. Also gebe ich mir einen Ruck und gehe hinein. Hinter dem Schalter bedient eine Frau, zwei weitere sind als Kundinnen da. Es dauert eine Weile, bis ich an die Reihe komme, die haben sich einiges zu erzählen. Derweil sehe ich mich um und entdecke auf einem Schrank ausgestellte Faltkartons als Angebot. Da bin ich schon mal in dieser Hinsicht beruhigt. Mit meinem Wunsch ist die Dame am Schalter wohl etwas überfordert. Nach Deutschland"? fragt sie nachhaltig, das hatte sie offensichtlich noch nicht gehabt. Sie ruft in die Privaträume nach ihrem Sohn. Der kennt sich besser aus. Als erstes rechnet er mir den Preis aus und sagt, ein Paket von ca. 5 Kg würde 225 frs. kosten, das sind stolze 75.-DM. Im Prinzip würde sich das überhaupt nicht rechnen, wenn ich nicht auch meinen Hausanzug dazu auserkoren hätte, frühzeitig die Heimreise anzutreten. Der war ein Weihnachtsgeschenk von den Kindern und wie ich weiß, nicht gerade billig. Alles andere hätte ich ruhig dem Abfallkorb anvertrauen können. Ich werde also mit mir und dem jungen Mann einig, dass das Paket wie vorgesehen abgeschickt wird. Es sind in der Tat mehr als 4 Kg, die ich aus meinen Taschen ausräume. Das bin ich mal los, der Weg bis Spanien ist noch weit. Erleichtert fahre ich dann am Lot vorbei in Richtung Espalion. Dabei überschlage ich mal den Höhenunterschied, den ich gerade hinter mich gebracht habe. Espalion liegt bei 342 Hm, das sind also rund 1000 m.
Espalion, Brücke über den Lot
In Espalion komme ich gegen 17.00 Uhr an, wo ich zuerst die Information aufsuche und mich nach der Herberge erkundige. Die Angestellte gibt mir einen Stadtplan und die Adresse. Ich frage, ob sie nicht für mich dort anrufen wolle. Natürlich werde ich es bezahlen. Ich weiß, dass das den Angestellten oft nicht erlaubt ist, aber auf meine nochmalige Bitte ist sie dann doch dazu bereit. Sie bestellt mir ein Bett und gibt meinen Namen durch. Da kann ich schon mal beruhigt weiter fahren. Die Herberge ist etwas außerhalb der Stadt. Es ist eine Kombination zwischen Jugend- und Wanderherberge, und wird von einer gutmütigen, älteren Dame betreut. Da es am nächsten Morgen vor acht Uhr kein Frühstück gibt, buche ich nur die Übernachtung. Die kostet 60 frs. Ich habe für die Nacht ein Vier-Bett-Zimmer für mich allein. Nach dem Duschen fahre ich wieder in die Stadt zurück. Das ist eine hübsche kleine Stadt, mit etlichen romantischen Anziehungspunkten. Dazu zählen u.a. der Fluß mit einer Brücke aus dem Mittelalter sowie das Rathaus und die Kirche. Im Zentrum lasse ich mich in einem Straßenlokal nieder und trinke ein Bier. Dabei stelle ich fest, dass sich einige der Gäste an einem nahen Imbisswagen mit einer Pizza bedienen und die hier an den Tischen verzehren. Ich frage die Bedienung, ob das so üblich sei, und sie stimmt zu. Also mache ich das ebenso. Dazu trinke ich noch ein zweites Bier und gebe für das Entgegenkommen ein etwas großzügigeres Trinkgeld. Die Zeit verrinnt oft schneller als gedacht. Und so fahre ich alsbald zur Herberge zurück. Jetzt muss ich mich aber mal mit meinem Körper befassen. Die Wunden an der Hand beginnen zu heilen. Aber das Knie schmerzt und ist angeschwollen. Die Wunde auf der Kniescheibe hatte ich tagsüber mit einem Pflaster versorgt, sie ist noch weiterhin offen. Mit dem Knie mache ich mir schon ein paar Sorgen, aber ich nehme an, dass in den kommenden Tagen die Belastungen weniger werden und es dann besser wird. Zu einem Arzt werde ich vorerst noch nicht gehen. Aber ich behandele es mal selbst mit Bepanthen aus meiner 'Bordapotheke' und mit Beinwohlgel. Trotz der schönen Landschaft, die ich am Morgen erleben durfte, bin ich bei der heutige Etappe wieder sehr gefordert worden. Dennoch habe ich 82 Km gefahren. Das ist wohl in erster Linie auf die tolle Abfahrt am Schluss zurückzuführen. Damit ist auch der gute Durchschnitt von 13,25 Km/h bei der Fahrzeit von 6,33 Std. zu begründen.
5. Tag, Samstag, 28. April 2001 Espalion Marsac bei Albi Im Centre de Herbergement' ist noch alles still, als ich gegen halb sieben aufstehe. Mein Frühstück bereite ich mir aus meinen Vorräten. Die finanzielle Seite habe ich gestern schon geregelt und meinen Ausweis zurückbekommen. Das Knie hat sich wieder zu seinem normalen Zustand zurückgebildet. Dennoch versorge ich es mit Salbe. Auch der Po bekommt seine Einreibung' weg. Eigentlich wollte ich heute bis Albi fahren, aber das ist eine an sich weite Strecke. Ob ich die nicht besser kürzen soll, mal sehen. Kurz vor acht Uhr fahre ich los, die Herbergsmutter kommt gerade mit dem Pkw an. In der Stadt hatte ich schon gestern die Richtung ausgemacht, in der ich weiter fahren muss. Die Burgruine Calmont d' Olt, die oben auf dem Berg steht, habe ich schon gestern gesehen, war aber der Meinung, dass ich wahrscheinlich nichts mit ihr zu tun habe. Doch das war wieder ein Trugschluss. Noch in der Stadt ändert die Straße ihre Richtung und führt nun schon wieder steil aufwärts. Nach den letzten Häusern befinde ich mich dann schon bald auf der Höhe der Burg. Das Wetter ist heute ziemlich gut, vor allem ist es nicht so kalt wie in den Morgenstunden der letzten Tage. Und trocken ist es auch. Also in dieser Hinsicht schon mal gute Aussichten. Die Bergstrecke war wieder etliche Kilometer lang, aber neu ausgebaut. Für die ins Tal fahrenden LKW waren besondere Hinweisschilder aufgestellt, die zur Vorsicht mahnten. Auch das Gefälle war angegeben, meistens 7 10 %, das bedeutete für mich also Aufstieg. Ab und zu waren an Aussichtspunkten, in den Kurven der alten Straße, Rastplätze angelegt, die ich gerne annahm. Von 340 Hm in Espalion war ich schließlich bei 630 m oben. Danach ging es wieder besser. Zunächst ein recht langes Stück über eine Hochfläche, dann aber in einem Schuss hinab ins Tal des Aveyron nach Rodez. Für diese Stadt hatte ich mir etwas Zeit zur Besichtigung eingeplant. Vor allem wollte ich zu der im Baedeker angegebenen Kathedrale Notre Dame'. Doch die liegt im oberen Teil der Stadt, einem recht hohen Hügel. Den schaffe ich nicht mit dem Rad, ich muss etliche Meter schieben. Am Berg komme ich auch an der romanischen Kirche St. Amans vorbei, die ebenfalls ein schönes Bild abgibt. In der Nähe der Kathedrale trank ich auf der Terrasse einer Gaststätte einen Cappuccino. Am Nachbartisch saßen Franzosen, ein junges Pärchen mit den Eltern des Mannes. An der, an meiner Packtasche befestigten Jakobsmuschel hatten sie gleich erkannt, was es sich mit mir auf sich haben könnte. In französisch deutschem Mischmasch stellten sie diesbezügliche Fragen, die ich zu ihrer Zufriedenheit beantworten konnte. Sie waren schon ein wenig beeindruckt. Der jungen Mann machte mir noch ein Foto mit meinem Apparat, bevor ich mich verabschiedete. Bei der Weiterfahrt kam ich am Bahnhof vorbei. Hier stieg ich wieder ab. Wie schon erwähnt, hatte ich Bedenken, ob ich heute noch bis Albi kommen würde. Die Witterungsverhältnisse waren ja bestens, aber ich müßte dann weit mehr als 100 Km fahren, das war mir einfach zu viel. So suchte ich nach einem Ausweg: Wie wäre es, wenn ich ein Stück mit der Bahn fahren würde? Einer der Schalterbeamten sprach soviel deutsch, dass ich das Problem mit ihm erörtern konnte. Was ich bereits angenommen hatte, bestätigte er mir. Die Bahnstrecke berührte mehrmals die Straße nach Albi. Er meinte, wenn ich noch etwa 35 40 Kilometer fahren wolle, so könnte ich in der Nähe von Naucelle , vom Bahnhof Montemeyrac kurz vor 15.00 Uhr die restlichen gut 40 Kilometer mit dem Zug bis Albi fahren. Dann bräuchte ich auch nicht hinab ins Tal des Viaur und wieder hoch. Doch gerade dieses Tal hatte ich mir noch angemerkt, da es von einem großen Eisenbahnviadukt überspannt wird. Doch man kann nicht alles haben. Jedenfalls fand ich die Alternative interessant. So käme ich jedenfalls noch frühzeitig nach Albi, könne mir dort eine Unterkunft in der Jugendherberge suchen und hätte auch noch Zeit zur Stadtbesichtigung. Also fuhr ich dann über den Fluß Aveyron in Richtung Albi los. Die hohen Berge der letzten Tage liegen nun weitgehend hinter mir. Das Land wird immer flacher, wenngleich auch hier noch einige Hügel vor mir stehen. Rodez habe ich bei etwa 350 Höhenmetern verlassen und erreiche den vorerst letzten Höhepunkt nach 25 Kilometern mit nochmals 814 Hm hinter dem Ort Baraqueville. Die Bahnstrecke habe ich oft in Sichtweite. Danach geht es bis Montmeyrac wieder abwärts. Für den genannten Zug habe ich gerade noch soviel Zeit, dass ich mir die Fahrkarte besorgen kann. Eigentlich schade, dass ich das Stück mit dem Zug fahre, wo doch nun so schönes Wetter ist. Vielleicht kommt mir das in Albi zugute. Und noch was hat sich geändert: Während es in den Bergen viele karge Flächen mit Grau- und Brauntönen gab, ist nun ein wohltuendes grün vorherrschend. Neben den bekannten Laubbäumen und Sträuchern sind nun immer häufiger auch Obstbäume sowie Wiesen und bestellte Äcker zu sehen. Ein untrügliches Zeichen, dass es gen Süden geht. Auch der Raps ist schon am Blühen. Der Zug ist nur schwach besetzt und hat ein Fahrradabteil. Ich bin nun doch froh dass ich sitzen und mich ausruhen kann. Gespannt bin ich aber auf die Überquerung des Viaur, dessen Viadukt ich gerade erwähnt habe. In der Tat, das ist schon eine eindrucksvolle, hohe Brücke, soweit man dies aus dem Zug erkennen kann. Ich denke aber auch an den Aufstieg aus dem Tal heraus, der wäre bestimmt wieder happig geworden. Es bleibt auch noch etwas Zeit, im Zug Picknick zu machen. Kurz vor vier Uhr ist der Zug in Albi. Am Stadtplan vor dem Bahnhof fertige ich mir eine Wegeskizze zur Jugendherberge. Die finde ich relativ schnell. Doch an der Rezeption teilt man mir mit, dass schon alles belegt sei. Ich bin sehr enttäuscht und frage mich, wann man denn überhaupt zum einer Herberge anreisen muss, wenn man gerade mal um vier Uhr schon kein Bett mehr bekommen kann?? Dabei hatte ich mir alles so schön vorgestellt, Duschen und dann die Stadt besichtigen. Das einzige, was man in der Herberge noch für mich tun kann, man gibt mir einen Stadtplan mit, wo der Weg zur Tourist-Info vermerkt ist. Also mache ich nach dort auf den Weg. Auch die habe ich schnell gefunden. Die Dame an der Auskunft spricht etwas deutsch, die Verständigung ist nicht das Problem, wohl aber der Umstand, dass sie mir auch nichts vermitteln kann. Übers Wochenende seien sehr viele Gäste in der Stadt und die vorhanden Unterkünfte schon alle seit dem frühen Nachmittag ausgebucht. Ich solle es mal in dem etwa 12 Km entfernten Marsac versuchen, da sei ich ja schnell mit dem Fahrrad. Was haben die Leute manchmal für eine Ahnung?- Nun, was bleibt mir anderes übrig, meine Träume zerplatzen wie Seifenblasen. Ich frage deshalb ob sie für mich anrufen und mir ein Zimmer bestellen könne. Ja, das macht sie. Aber beim ersten Anruf wird sie abgewiesen. Ich erden schon wieder nervös. Doch beim zweiten klappt es im Hotel des Fleurs'. Sie versorgte mich noch mit Prospekten und zeichnete mir den Weg aus der Stadt auf dem Plan ein. Schließlich meinte sie, ich könne mir ja zur Stadtbesichtigung noch etwas Zeit lassen, denn das Zimmer sei fest bestellt. Nun war mir wieder etwas besser, es schien doch noch alles gut zu werden. So konnte ich mir noch die Sehenswürdigkeiten in der Nähe ansehen, z.B. die Kathedrale St. Cécile, das Palais de la Berbie, ein großer Platz auf dem noch Markttreiben herrschte und eine weitere Kirche, St. Salvy. Danach fahre ich noch zum Fluß Tarn hinab, der mit seinen beiden Brücken Pont Vieux und Pont du 22. August ein eindrucksvolles Bild abgibt. Albi, Brücken über den Tarn Der Tarn tritt bei Albi aus der Gebirgsregion aus und fließt anschließend durch flacheres Gelände auf die Garonne zu. Die Täler aller größeren Flüsse, die ich ab Unieux bei St. Etienne durchquerte, es waren die der Loire, Allier, Lot, Aveyron und Tarn, führten alle die Bezeichnung Gorges'. Ich habe es schon mal erwähnt, das das Schlucht' heißt, was wohl zumindest tiefes Tal oder so ähnlich bedeutet. Nun, ich kann es nicht verhehlen, obwohl ich mir die Route ja selbst ausgesucht hatte, dass ich sehr froh war, diese ungemein schwierige, wenn auch zugegeben oft reizvolle Wegstrecke hinter mich gebracht hatte. Die Straße nach Marsac führte nun durch das normale Tal des Tarn, immer eben. Im Hotel des Fleurs' wartete man schon auf mich. Man ist am Umbauen und der Restaurantbetrieb ist deshalb z.Z. eingestellt. Das Zimmer kostete 170 frs. Daran gab es nichts zu mäkeln. Der Tag hat mich doch noch einige Nerven gekostet und ich bin auch wieder bedeutend mehr gefahren als ich wollte. Der Tacho zeigt 92,2 Km in 7,12 Stunden = Durchschn. 12,8 Km/h. Die Körperdusche bringt mich wieder auf die Beine, so dass ich anschließend nach dem Abendessen Ausschau halte. In dem kleinen Ort ist nicht viel los. Zuerst gehe ich mal zur nahen Kirche wegen einer Vorabendmesse. Aber da ist vor 11.00 Uhr am nächsten Morgen nichts drin. Beim weiteren Gang durch die Straßen finde ich eine Pizzeria. Ich schaue rein, aber außer dem Bäcker ist niemand da. Pizza hatte ich ja erst gestern und so frage ich nach einen Nudelgericht, Spaghetti Bolognaise oder so was. Ja, das kann er bieten. Der Bäcker ist Spanier und möchte von mir einiges zu meiner Reise wissen. Dann bringt er das Essen, eine super große Portion, zwar keine Spaghetti, aber dünne Bandnudeln. Das hat mit der delikaten Soße hervorragend geschmeckt. Zum Trinken hatte ich mir mal wieder ¼ Rotwein bestellt. Aber das Essen habe ich nicht alles geschafft, das soll was heißen. Mit dem Wein hat es 59 frs. gekostet. Also gab es doch noch ein gutes Ende des Tages. Danach gehe ich aber schnell ins Bett.
6. Tag, Sonntag, 29. April 2001 Marsac Villefranche Das Wetter ist auch heute Morgen recht passabel, trocken und nicht so kühl. Schon gestern Abend hatte ich mit dem Patron wegen dem Zeitpunkt des Frühstücks gehandelt. Der wollte partout nicht vor neun Uhr, er müsse. Doch das war mir entschieden zu spät, so einigten wir uns auf ½ neun. Schon vor dieser Zeit holte ich das Fahrrad von seinem Abstellplatz und belud es. Zunächst war noch niemand von den Wirtsleuten zu sehen. Erst im letzten Moment kam die Wirtin und fragte nach, was ich trinken möchte?, Kaffee natürlich. Das Frühstück hat sie schnell hergerichtet. Aber sie hat keine gute Laune, spricht fast nichts. Erst als ein Mann dazu kam, nicht der von gestern, und sich hinter dem Tresen zu schaffen machte, kam ein Gespräch zu Stande. Natürlich drehte sich das wieder um meine Fahrt. Nun gab mir die Frau auch einen Tipp wie ich in Richtung Castres weiterfahren kann, ohne dass ich nochmals nach Albi zurück musste. Erst gegen 9.00 Uhr kam ich in den Sattel. Am Sonntagmorgen war so gut wie kein Verkehr auf den Straßen. Zunächst gab es auch keine nennenswerte Steigungen, so dass ich gut voran kam. Alsbald kann ich die Ärmlinge ausziehen, die Beinlinge behalte ich mal noch an. Die Höhe über N.N. liegt nun bei etwa 200 m. Der einzige Anstieg, der zu erwähnen wäre, ist bei dem kleinen Städtchen Lautrec, da geht es mal auf 325 m hoch. Doch was ist das gegen den vergangenen Tagen. Hier ändere ich auch etwas meinen Streckenplan und fahre nicht über Castres. Das ist ja schon eine größere Stadt. Auf der Karte stelle ich fest, dass ich sie auf einem kürzeren Weg weiträumig umfahren kann. Bei Soual komme ich dann wieder auf die vorgesehene Route. Hier mache ich dann auch mal Picknick und zwar in der Wartehalle einer Bushaltestelle. Denn das Wetter hatte sich nun doch nicht so entwickelt, wie ich es erhofft hatte. Der Himmel ist wieder fast ganz mit Wolken bedeckt und es weht ein frischer Wind. Aber zum Fahren noch recht passabel. Zu sehen gab es hier recht wenig, außer, dass ich in einer recht fruchtbaren Gegend war. So fahre ich zügig bis Revel weiter, wo ich in einer Bar eine Tasse Kaffee trinke. (Es kann aber auch ein Cappuccino gewesen sein). Nun gibt es schon mal ein paar klitzekleine Hügel zu nehmen, die man aber mit Schwung gut fahren kann. Das macht eher Spaß. Hier gibt es auch die ersten Hinweise auf die Stadt Castelnaudary am Kanal du Midi. Dort ist in etwa die Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Atlantik. Bis zu meinem heutigen Ziel, Villefranche, sind es jetzt noch etwa 30 Km, ich bin gut dran. Die Ärmlinge habe ich inzwischen wieder anziehen müssen, aber es wäre mir lieber gewesen, wenn ich mal hätte die Beinlinge ausziehen können. Das war bisher überhaupt noch nicht möglich gewesen. Vor St. Felix, das auf einem Berg liegt, und dessen Kirche schon von weitem zu sehen ist, nehme ich aufs Geratewohl eine kleine Straße, von der ich annehme, dass sie mich in ebenem Terrain um den Berg herum in Richtung Ziel führen würde. Ich bin ja bei solchen Aktionen schon oft auf die Nase gefallen, aber diesmal hat es prima geklappt. Bei Avigonet kam ich auf die Route National 113. Es begann leicht zu tropfen, es kümmert mich wenig. Bis Villefranche sind es nur noch 5 Km. Dort stand am Ortsanfang ein großes Schild mit ortsansässigen Betrieben, u.a. auch mit zwei Hotels. Ich notierte mir deren Adressen und fuhr in den Ort hinein. Das erste Hotel brauchte ich nicht lange zu suchen. Es stand alsbald auf der linken Seite der Straße. Doch bevor ich hinkam sah ich, wie zwei Wanderer darauf los gingen. Unter einem großen Baum hielt ich an und beobachtete die beiden. Denen erging es hier, wie mir im nunmehr nur noch 25 Km entfernten Auterive am Hotel Pyrenees. Sie läuteten und klopften an der Tür, einer sah durchs Fenster, aber nichts regte sich. Sollte hier schon wieder Bettenknappheit herrschen?. So fuhr ich mal schnell weiter, in der Hoffnung das andere Hotel bald zu finden. Es war gegen 17.00 Uhr, als ich beim Hotel Pradelle' ankam. Ich muss sagen, man hat mich sehr freundlich empfangen und half mir gleich beim Unterbringen des Fahrrades. Währenddessen ging draußen ein heftiger Schauer nieder, Nun war ich doch froh, dass ich im Trockenen war. Für das Zimmer verlangte der Chef 160 frs und fürs Frühstück 25 frs. Während ich mein Gepäck in mein Zimmer im ersten Stock schaffte, kamen auch die beiden Wanderer ins Hotel. Sie trugen beide gleichartige, etwas bräunliche Kleidung. Im ersten kurzen Gespräch erzählten sie, dass sie aus Spanien kommen und zu Fuß auf dem Weg nach Jerusalem sind. Ich werde sie morgen beim Frühstück wieder treffen und dann mehr berichten. Das Zimmer war etwas altmodisch, aber sehr sauber, hatte Dusche und WC, sogar die Heizung ließ sich anwerfen'. Das war dann auch wieder mal eine Gelegenheit, etwas Wäsche auszuwaschen. Beim Boss' erkundigte ich mich, wann es Abendessen gebe, Ja, vor 20.00 Uhr auf keinen Fall. Ich studierte mal die Speisenkarte, Hm alles gutes Essen, doch das billigste kostete 99,00 frs. Das war mir mal wieder zu viel. Hier kann ich mir ja auch mal die Frage stellen, ist das nun Sparsamkeit oder etwa Geiz?, Ich weiß es selbst nicht. Bleibt mir also wieder der Weg in die nahe Pizzeria, die ich bei der Anfahrt zum Hotel gesehen habe. Pizza esse ich eigentlich sehr gerne, auch zu Hause. Es macht mir absolut nichts aus, wenn ich sie ein paar mal hintereinander habe. Um 19.00 Uhr war in dem Lokal noch nicht viel los. Aber ich war nicht der erste. Sie verkauften auch über die Straße. Ich bestelle mir einen Rotwein, eine Pizza grande und ausnahmsweise noch einen Salatteller. Letzter war zwar sehr fein, doch von der Menge her hätte ich ihn besser sein lassen. Auch heute packe ich wieder nicht alles. Zusammen bezahle ich 75 frs. Alles in allem war ich heute sehr zufrieden. Bei dem relativ ebenen Gelände brauchte ich mich nicht allzusehr anzustrengen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass ich auf eine stattliche Summe der gefahrenen Kilometer kam. Der Tacho zeigte erstmals über Hundert, genau 107,38. Die Fahrzeit war 7,17 Std. und der Durchschnitt betrug beachtliche 15,15 Km/h. Bis heute habe ich knapp 500 Kilometer zurückgelegt, genau 483. Hierbei fällt mir ein, dass ich das Neuland' nun schon ganz hinter mich gebracht habe. Alles was nun noch vor mir liegt, habe ich wahrscheinlich schon wenigstens einmal befahren. Nun da die Fahrt durch das Zentralmassiv beendet ist, habe ich doch noch ein anderes, ein besseres Verhältnis zu der Route bekommen. Wenn es auch manchmal schwer war, so bin ich doch dankbar, dass ich in den paar Tagen so viel schönes und neues zu sehen bekam.
7. Tag, Montag, 30.April 2001 Villefranche Auterive St. Sulpice In der Nacht hat es mehrmals stark geregnet, doch beim Aufstehen ist die Welt zumindest wieder teilweise in Ordnung. Der Regen hat aufgehört. Das Frühstück ist erst um 08.30 Uhr fertig. Ungeduldig sitzen die Gäste an den Tischen und warten. Neben mir sitzen die beiden Spanier, die nach Jerusalem pilgern. So ist ohnehin etwas Zeit für eine Unterhaltung. Ein älteres belgisches Ehepaar beteiligt sich auch daran. Natürlich stehen die beiden Spanier im Mittelpunkt. Der größere von den beiden ist der Wortführer und beantwortet auch unsere Fragen. Sie gehen von hier weiter über Carcasonne, in Nähe des Mittelmeeres vorbei nach Oberitalien, Slowenien und Kroatien, durch Griechenland, die Türkei, Syrien und Jordanien, insgesamt etwa 6.000 Kilometer. Sie rechnen damit, etwa im November am Ziel zu sein. Eine Mammuttour. Wir wünschen ihnen, dass sie gesund bleiben und vor allem in den Krisengebieten des nahen Ostens gut durchkommen. Da kommt man sich mit der eigenen Leistung etwas klein und winzig vor. Respekt! Das Frühstück war recht ordentlich. Der Regen hat zwar aufgehört, aber es ist doch sehr stark bewölkte. Dennoch gehe ich den Tag optimistisch an, auf die spezielle Regenkleidung verzichte ich. Es wird gut neun Uhr bis ich abfahren kann. Mein erstes Ziel für heute ist Auterive, wo ich meine Wohltäter, aus dem Jahre 1999, die Familie Bonay, im Schloss La Verniére' aufsuchen werde. Doch ich komme nicht weit, denn schon gleich hinter Villefranche beginnt es zu nieseln. Das ist im Moment nicht so schlimm. Aber es wird immer stärker, so dass ich mich noch vorm Kanal du Midi unterstellen muss. Nein, das geht nicht gut aus, denke ich. Nach einer Weile entschließe ich mich, die Regensachen auszupacken und mich regentauglich umzuziehen. Von Hans-Gerhard, meinem Sohn, habe ich Gamaschen geschenkt bekommen, die werde ich heute mal ausprobieren. Ich finde sie praktisch, weil sie auch noch die Schuhe mit abdecken. Weiter ziehe ich den Schutz für den Helm an sowie den Regenumhang (Poncho). Über die Packtaschen kommt der besondere gelbe Regenschutz und über die Lenkertasche ziehe ich eine Nylontüte. Natürlich ist meine Bewegungsfreiheit nun etwas eingeschränkt, es geht wesentlich langsamer voran. Ich befinde mich etwa 40 Kilometer südlich von Toulouse, wo ich allerdings nicht hinfahren werde, und muss hier ein kleines Mittelgebirge durchqueren, mit etlichen Steigungen, vergleichbar bei uns mit dem Weg nach Tholey oder Winterbach. Bei dem mittlerweile herrschenden Sauwetter' (Entschuldigung ) nicht ganz leicht. Wenn es so schon bei der Abfahrt geregnet hätte, wäre ich mit Sicherheit nicht losgefahren. Ein paar Mal kommt Hoffnung auf, wenn es für kurze Zeit aufhört. Doch es geht so weiter bis kurz vor Auterive. Wenigstens hier macht der Regen dann eine längere Pause.
Auterive, La Verniére' Mein Plan, gegen 12.00 Uhr in Auterive zu sein geht nicht auf. Es wir halb eins, gerade noch Zeit, um fürs die Herrschaften ein Mitbringsel zu besorgen. Ein Blumenladen hat noch geöffnet. Morgen ist ja der Erste Mai, und da verschenkt man, zumindest in Südfrankreich Maiglöckchen. Das kenne ich inzwischen. Das Angebot ist somit heute besonders groß. Die Besitzerin des Ladens empfiehlt mir eine bepflanzte Schale, die sehr hübsch aussieht und 59.-frs kostet. Die nehme ich und sage auch für wen sie bestimmt ist. Ja, Madame Bonay ist ihr bekannt. Für den Herrn des Hauses wollte ich noch eine Flasche Rotwein einkaufen, aber die Läden sind inzwischen alle wegen der Mittagspause geschlossen. So fahre ich denn mit der Blumenschale auf mein Ziel los. Wenn ich immer von dem Schloss rede, so ist das sicherlich nicht mit einem solchen wie z.B. an der Loire zu vergleichen, es ist mehr ein Zweckbau für die Besitzer eines großen landwirtschaftlichen Betriebes. Doch es heißt offiziell Chateau La Verniére'. Ich klingele an der Pforte und Monsieur Bonay kommt heraus. Er hat mich sofort erkannt und begrüßt mich sehr herzlich. Die Freude über das Wiedersehen sieht man ihm deutlich an. Er bittet allerdings gleich um Entschuldigung, weil Madame nicht zu Hause sei. Sie weile z.Zt. in New York bei einem der Kinder. Das fand ich natürlich auch schade. Er bat mich ins Haus, wo er sich für seine Männerwirtschaft wiederum entschuldigte. Das nehme ich nicht tragisch, meinte ich, ich sei ja zu Hause in der gleichen Situation. Ich übergab ihm natürlich die Blumen mit vielen Grüßen an seine Frau, dazu eine CD von meinem Reisebericht aus 1999 Santiago II-, die ich zu Hause extra gebrannt hatte. Natürlich wollte er mir noch was zu essen machen und fragte, ob ich übernachten möchte?. Nein, meinte ich, ich sei ja lediglich gekommen um guten Tag' zu sagen und mich nochmals für die damals gewährte Hilfe zu bedanken. Ich möchte heute auch wenigsten noch bis zur Garonne, etwa Capens oder Carbonne kommen. Nun gut, er hakte auch nicht mehr groß nach, so dass ich mich relativ leicht verabschieden und weiterfahren kann. Ein kurzer Besuch eben. Es sieht fast so aus, als ob der Regen nur für die Zeit meines Aufenthaltes in Auterive aufgehört habe. Bei der Weiterfahrt bin ich noch nicht aus dem Ort draußen und es beginnt erneut zu regnen. Und da sind schließlich zwei, drei heftige Schauer dabei. An einem weiteren Anstieg kann ich mal in einer offenen Scheune eines Hofes unterstellen. Ist das ungemütlich. Vom Regenschutz des Helmes tropft mir das Wasser in den Nacken. Haarsträhnen hängen mir auf der Stirn und trotz der Gamaschen habe ich nasse Füße bekommen. So kann und werde ich natürlich nicht lange weiterfahren. Bei der nächsten Gelegenheit zur Übernachtung werde ich das Handtuch werfen. Wieviel habe ich überhaupt schon gefahren? Ich sehe auf den Tacho, oh Schreck, der ist ausgefallen. Hat der auch Wasser geschluckt? Oder ist die Batterie leer? Der nächste Ort heißt Sulpice und ist noch ein gutes Stück von der Garonne entfernt. Ich sehe mich um, ob ich jemanden treffe, den ich nach einem Hotel fragen kann. Es ist so um 15.00 Uhr. Aber, bei dem Hundewetter ist kein Mensch auf der Straße. Ein Obstladen hat geöffnet, ich kaufe zwei Bananen. Die Bedienung zeigt mir die Richtung zum Hotel am Platze. Gut, das ist schon immerhin etwas. Das Hotel Esplanade' ist ein schon älteres, aber sehr geräumiges Haus und hat vermutlich schon bessere Tage gesehen. Ein paar männliche Gäste halten sich am Tresen auf. Die Bedienung meint, sie hätten Zimmer und ruft die Chefin. Ich frage, ob ich schon mal meine nassen Oberkleider ablegen könne und setze mich dann an einen Heizkörper, der gut warm ist. Das Wasser läuft vom Poncho auf den Boden und bildet eine Lache. Ich entschuldige mich und bestelle einen Kaffee weil die Chefin immer noch nicht da ist. Endlich kommt sie. Ja, ich kann hier bleiben und sie beauftragt eine Bedienung, mir das Zimmer zu zeigen. Ich frage nicht nach dem Preis, das ist Nebensache, aber ob man die Heizung anstellen kann? Ja, auch das ist möglich. So spanne ich meine Wäscheleine im Zimmer aus und hänge alle nasse Sachen darauf. Die anschließende Dusche bringt auch die Lebensgeister wieder zurück. Danach begebe ich mich in die Gaststube und trinke einen Cognac. Nun möchte ich doch den Zimmerpreis wissen und ob Halbpension möglich ist. Das Zimmer kostet schließlich mit Frühstück und dem Abendessen 225 frs,(75 DM). Es ist mir recht. Der Fahrradcomputer ist immer noch ohne Anzeige. Ich hatte das schon mal, er ist dann wieder gekommen. Ich lege ihn auf die Heizung. Insgesamt werde ich etwa 50 53 Km gefahren haben. Das reicht eben. Wenn ich dann noch die Anstiege mit einbeziehe, erst recht. Das waren immerhin 8 Hügel, etwa 6 wie nach Tholey und zwei steilere, etwa nach Winterbach. Gegen acht Uhr gehe ich zum Abendessen. Also, da gab es in mancherlei Hinsicht Überraschungen, so dass ich über das für mich nicht alltägliche Essenserlebnis mal wieder berichten muss. Zunächst, was man von außen nicht vermutet, ein sehr gediegener Essraum für gut 30 Personen. Auch sonnst viel, viel Platz im Haus, u.a. noch ein großer Saal, wo möglicherweise größere Feiern stattfinden.
Die Chefin bedient selbst und weist mir meinen Platz an. Der Tisch ist gedeckt und die Vorspeise schon aufgetragen: Eine kalte Platte auf einem Zinnteller mit fünf Fächern angerichtet und ein Brotkörbchen mit Flit. Auf dem Teller befinden sich: a) ein Stück Pastete, b) ein halbiertes, gekochtes Ei mit einer Soße, c) gebratene Schinkenwürfel, d) ein Stück Melone, und e) 6 Scampi ich nehme mal an, dass die roten Krebstiere mit den Schwänzen so heißen- Das war ja super. Ich denke, da muss ich mir gleich noch einen Rotwein bestellen. Aber die Madame ich schon mit einer Karaffe unterwegs. Und ich muss sagen, das hat alles toll geschmeckt, nur mit den Scampi tat ich mir etwas schwer und lasse zwei übrig. Sprichwort: Was der Bauer nicht kennt........! Danach wird ein gebratenes Fischfilet mit Mandelplättchen aufgetragen, fein! War das schon die Hauptspeise?, das wäre schon was gewesen. Doch nach den aufliegenden Besteckteilen und den Tellern müsste eigentlich noch was kommen. Und so war es. Madame brachte noch ein großes Steak und eine Menge Pommes frites Das Steak war Medium, wie ich es eigentlich nicht so gerne habe, ich muss mich da immer etwas überwinden. Doch es hat super geschmeckt. Vielleicht müsste ich mich da etwas mehr den allgemeinen Gepflogenheiten anpassen. Aber es war alles so reichlich, dass ich wieder Reste machen musste. Von der aufgetragenen Obstschale kann ich nichts mehr nehmen. Auch den angebotenen Kaffee schlage ich aus. Das war dann in etwa doch noch ein versöhnlicher Abschluss dieses verregneten Tages. Gute Nacht-.
8. Tag, Dienstag, Erster Mai 2001 Sulpice Lannemezan Dass das Wetter manchmal die tollsten Kapriolen schlägt, ist Wohl jedem hinlänglich bekannt. Hatte ich mir gestern noch Sorgen gemacht, wie ich bei dem Regen in den kommenden Tagen überhaupt weiter kommen werde, so ist das heute absolut kein Thema mehr. So einen blanken, blauen Himmel habe ich schon lange nicht mehr gesehen Meine Sachen sind weitestgehend getrocknet, doch z.B. die Regenkleidung werde ich wohl heute nicht mehr brauchen. Und der Computer funktioniert auch wieder. Offensichtlich hatte er sich nur verschluckt und das war ihm nicht gut bekommen. Lediglich das Abdeckglas ist innen noch etwas beschlagen, aber aus Erfahrung weiß ich, dass sich das wieder normalisiert. Beim nächsten Regen bekommt er einen extra Schutz in Form einer Nylontüte. Das Frühstück war einfach, aber sehr reichlich, Brot, Butter, Marmelade und Café au lait. Ich habe nicht alles essen können. Das Rad ist schnell beladen und dann mache ich noch ein paar Fotos im Ort. Nach dem gestrigen Regen ist es allerdings heute morgen sehr frisch. Doch hinter dem Ort geht es schon gleich wieder bergauf, so dass es mir hier nicht mehr kalt wird. Auf der Fahrtrichtung links kann ich nun bei glasklarer Sicht die Berge der Pyrenäen sehen, die bis tief hinab mit Schnee bedeckt sind. Bei diesen Verhältnissen hebt sich natürlich meine Stimmung wieder Der Erste Mai ist auch, oder gerade in Frankreich ein Feiertag, an dem zunächst noch sehr wenig Verkehr auf den Straßen herrscht. Nach einer schönen Abfahrt komme ich bei Capens an die Garonne. Über eine große Brücke fahre ich auf die andere Seite des Flusses, von wo es in südlicher Richtung weitergeht. In Capens ist Markt, besser gesagt, Flohmarkt. Interessant, was die Händler nicht alles anzubieten haben, und manches wird auch noch gekauft. Ich mache hier eine kurze Pause und schaue mir das Treiben mal an. Der Weg führt nun durch das Tal leicht aufwärts. Es ist eine schmale, ruhige Straße. Ab und zu sehe ich vor mir die eindrucksvollen Bilder der Pyrenäen. Ohne Besonderheiten geht es am Fluß entlang weiter über die D 10 bis zu dem Städtchen Cazeres. Es ist nun kurz vor 12.00 Uhr und Zeit, wieder eine Pause zu machen. In der Innenstadt ist reger Betrieb. Die Gaststätten (Bars) sind gut besucht, die Blumenläden und Lebensmittelgeschäfte haben geöffnet. Zuerst versorge ich mich jedoch an einem Bankomat mit neuem Bargeld. Dann kehrte ich in einer Bar ein, um dort meine Pause zu machen. Es war hier viel Betrieb und ich stellte fest, dass das mal wieder so ein Tiplokal' war, wo die Leute ihre Lottoscheine ausfüllten. Es war zwar ziemlich laut, aber ich blieb doch. Da kann man gut die Menschen im positiven Sinne beobachten. Ich trank einen Cappuccino und aß ein Croissant, also immer das gleiche. Es traten zwei Männer zu mir an den Tisch und fragten, ob das Fahrrad vor der Tür mein sei?, Sie meinten, wegen der Jakobsmuschel an der Gepäcktasche müsse es sich auch wohl um einen Jakobspilger handeln. Ich konnte nur 'ja' sagen. Der Wortführer der beiden erklärte mir, dass auch sie hier im Ort eine kleine Jakobsbruderschaft hätten, zu der auch sie gehören würden. Er lud mich ein, mit ihnen in ihr Clubheim zu gehen, wo ich noch mehr von ihnen treffen könne. Das war zwar gut gemeint, doch ich lehnte mit dem Hinweis ab, heute noch bis Lannemezan fahren zu wollen. Dann würden sie mir wenigsten einen guten Tipp geben, wo ich dort übernachten könne und sie nannten mir das Demi-Lune' (Halbmond). Ich musste ihnen sagen das ich das schon kennen würde. Ich erklärte ihnen auch, dass ich von Sulpice komme und dort im Esplanade übernachtet hätte. Das kannten sie auch und sie führten in unmissverständlicher Weise die Hand zu Mund, zum Zeichen, dass es dort gutes Essen gibt. Das konnte ich nur bestätigen. Da ich nicht ins Clubheim mitgehen wollte, bestand er darauf, mir einen Kaffee zu bezahlen. Nun da hatte ich nichts dagegen. Und so kam es, dass meine Anwesenheit im Lokal auch von anderen Gästen nicht unbemerkt blieb. Einige kamen herüber an den Tisch und ich musste ihnen über meine Touren erzählen. Das ging allerdings mehr schlecht als recht, doch mit Händen und Füßen, vor allem aber mit den Taschenbüchern, die ich aus den betreffenden Jahren bei mir hatte, konnte ich doch einiges vermitteln. Die Begegnung mit ihnen hatte mir gut gefallen. Doch hatte ich hier mehr Zeit liegen lassen, als ich wollte. Das muss aber auch mal sein. Letztendlich fuhr ich dann doch weiter.
Tal der Loire, Fahrt in Richtung Pyrenäen
Ein gewohntes Bild kam immer wieder auf. An den Straßen standen Kinder, die den Vorbeifahrenden Maiglöckchen anboten. In Palaminy machte ich noch ein Foto von einem Stadttor. Das hatte ich auch schon 1999 abgelichtet, aber den Namen vergessen. Was ich eigentlich am Morgen nicht für möglich gehalten hätte, trat nun doch wieder ein. Es bewölkte sich langsam, mehr und mehr. Die ersten Wolken, dicke, weiße, waren mir ja noch recht, weil sie sich gut auf den Fotos machen. Aber dann wurden sie immer dunkler. Eigentlich hatte ich ja noch eine Besichtigung von St. Gaudens geplant. Ich war schon in der Stadt, die ich auch hätte gut umfahren können. Doch aus Angst vor erneutem Regen fuhr ich dann doch weiter Zwar gibt es hier auch eine Jugendherberge, in der ich bestimmt preiswert hätte übernachten können. Doch dann wäre mein weiterer Zeitplan durcheinander gekommen. Vor allem wollte ich morgen rechtzeitig in Lourdes sein, um dort noch was vom Nachmittag zu haben. Mit stetem Blick zu den Wolken fuhr ich dann weiter. Bevor ich nach Montrejean kam machte ich noch mal Pause mit einem kleinen Picknick. Danach kommt wieder ein kräftiger Anstieg in Richtung Lannemezan Auf der Höhe kannte ich ein Lokal, wo ich wieder zu einem Cappuccino einkehrte. Die Dame des Hauses, die selbst bedient, war ebenso unfreundlich, wie ihr Mann vor zwei Jahren. Ich kann so was nicht verstehen. Die Leute leben doch von ihren Gästen. Eigentlich hätte ich überhaupt nicht reingehen sollen. Doch als ich ihr ein Gespräch regelrecht aufdrängte und ihre schönen Blumen lobte, besonders die Kletterrosen, wurde sie freundlicher. Aber da war ich schon am Aufbrechen. Vor zwei Jahren war ich übrigens hier in einen Gewitterschauer geraten. Und ähnliches drohte mir auch jetzt wieder. Doch mehr als ein paar Tropfen gab es diesmal nicht. Ich legte mich mächtig ins Zeug, Gegen 17.00 Uhr kam ich in Lannemezan am Halbmond an, gerade rechtzeitig vor einem nun etwas kräftigeren Schauer. Die gleiche Dame wie 1999 saß wieder an der Rezeption. Ich fragte nach einem Zimmer mit Halbpension und sie machte mir einen Preis von 210 frs, das war genau ein Franc mehr als beim letzten Mal. Beim Abendessen saß am Tisch nebenan ein junger Mann aus Bonn, der auf der Rückreisen von einer Dienstfahrt nach Spanien war. Er hatte die Gelegenheit genutzt und sich einen Tag in Lourdes aufgehalten. Es ist für mich immer wieder beeindruckend, mit welcher Begeisterung oft junge Leute, die manchmal mit der Religion nicht viel am Hut haben, über ihre Erfahrungen in Lourdes reden. Das Essen war auch diesmal wieder sehr gut im Hotel, aber bei weitem nicht so umfangreich In nahezu sieben Stunden habe ich heute 98 Km gefahren. Durchschn. = 14,26 Km/h Insgesamt sind es nun 636 Km. Das muss ich auch noch erwähnen: Gestern und heute hatte ich keine Schmerzen und keine Schwellungen im Knie. Doch die Wunde auf der Kniescheibe will nicht recht zu heilen.
9. Tag, Mittwoch, 02. Mai 2001 Lannemezan.-. Lourdes
In der Nacht hat es wieder mal geregnet, am Morgen ist es stark bewölkt, aber trocken, in den Bergen hängen die Wolken. Das Frühstück ist sehr ordentlich, dem Hotel angemessen. Ich mache mich zeitig auf den Weg, um möglichst früh in Lourdes zu sein. Hinter Capvern gibt es eine etwa acht Kilometer lange, fast atemberaubende Abfahrt in Richtung Tournay. Das Gefälle kann ich mit meiner Mentalität gar nicht voll ausnutzen, ich bremse immer wieder ab, um keine allzu große Geschwindigkeiten aufkommen zu lassen. In Tournay mache ich eine kleine Pause und kaufe ein paar Lebensmittel ein. Was eben noch bei der Abfahrt eine Erleichterung war, kommt jetzt umgekehrt auf mich zu. Es folgt nun ein langer Aufstieg bis zur Höhe vor Tarbes. Die Strecke kenne ich ja schon, und so schaue ich nach einer Weile immer zur Höhe, ob der Fernsehumsetzer noch nicht in Sichtweite ist. Bald ist es soweit und der höchste Punkt ist erreicht. Danach geht es wieder hinab nach Tarbes. Damit ich nicht durch die Stadt brauche, muss ich etwa in der Hälfte der Abfahrt nach links abbiegen. Das hatte ich schon mal gemacht, war aber damals nicht so recht mit der Streckenführung zufrieden. Ich glaubte, der Stein des Weisen müsste weiter links liegen und hatte dies schon in meine Routenplanung einbezogen. Doch das war absolut falsch. Hier kam ich in ein stark hügeliges Gelände, wo ich mir an Aufstiegen wieder recht schwer tat. Einmal zwang mich sogar ein Lkw in der Kurve einer schmalen Straße zum Absteigen, so dass ich anschließend etwa 100 Meter schieben musste. Immer wieder hielt ich nun Ausschau nach dem richtigen Weg und fand ihn dann auch schließlich. Hier gelobte ich dann Besserung und verzichtete auf weitere Abweichungen.
Die Fahrt durch das Gelände hat mich natürlich wieder was an Zeit gekostet, so dass ich erst gegen 13.30 Uhr in Lourdes ankomme. Das ist zwar noch früh genug, um an den Nachmittagsveranstaltungen teilzunehmen, doch hätte ich mindestens eine Stunde früher da sein können. Mit der Quartiersuche mache ich nicht viel Federlesen, ich fahre einfach in Richtung Hotel La Parisien', in Nähe der Stadtpfarrkirche, wo ich mit Werner 1998 war. Im Jahr darauf war ich genau gegenüber. Außer den beiden Häusern gibt es da noch mehrere Möglichkeiten. Das war für mich am einfachsten. Der Chef im Parisien erkennt mich wieder und fragt u.a. nach meinem Begleiter. Für das Zimmer verlangt er mit Frühstück 210.- frs. Da braucht man in Lourdes für eine Nacht nicht lange zu überlegen. Es ist ein geräumiges Zweibettzimmer mit allen sanitären Einrichtungen. Gut so! Ich möchte nun nicht mehr viel Zeit verlieren, dusche und ziehe los. Das Wetter ist inzwischen ausgesprochen heiter geworden, was ja gerade in Lourdes nicht so oft , der Fall ist. Lourdes, an der Grotte Bis zur Sakramentsprozession kann ich noch einiges erledigen. Ich kaufe zuerst ein paar Souvenirs sowie zwei kleine Plastikfläschchen, die ich mit Wasser von der Grotte fülle. Die sind für die Schwägerinnen Maria und Marlene. Ich habe sie anschließend durch ganz Spanien mitgenommen. Für alle Anliegen, d.h. für meine persönlichen und die, die mir mitgegeben wurden, stifte ich diesmal nur eine einzige Kerze, aber dafür die größte, die es im Bereich der Grotte zu kaufen gibt. Sie kostet 50 frs. Die nehme ich mit zur Grotte und übergebe sie dort einem Ordner, damit sie auf dem Ständer vor der Marienstatue abgebrannt wird. Die meisten Kerzen werden ja an einem besonderen Platz etwas seitlich in großer Zahl abgebrannt.
Ebenso bestelle ich eine heilige Messe im gleichen Sinne Danach habe ich noch etwas Zeit und suche die drei Kirchen des Heiligtums auf. Später ist dann die Sakramentsprozession und abends die Lichterprozession, denen Ich beiwohne, d.h. an beiden Prozessionen nehme ich erstmals nicht aktiv teil, sondern lediglich als Zuschauer. Der jeweilige Gang durch die große Anlage ist mir diesmal zu anstrengend. Dabei stelle ich übrigens fest, dass die Sakramentsprossesion in der unterirdischen Basilika endet. Das soll nun immer so sein. Das Ende vor der Basilika wie in den Jahren zuvor mit all den Kranken hatte mir auch imponiert. Überhaupt spielen die Kranken bei den Prozessionen und sonstigen Veranstaltungen die zentrale Rolle. Bewundernswert, wie sich die vielen Helfer freiwillig in ihren Dienst stellen und die Krankenwagen und Rollstühle transportieren. Über den eigentlichen Inhalt des Aufenthaltes in Lourdes möchte ich mich nicht auslassen, das sind intime und ganz persönliche Angelegenheiten, die man mit sich selbst auszumachen hat. Wer darüber mehr wissen will, muss seine Erfahrungen an Ort und Stelle selbst machen. Die Zeit ist in Lourdes, zumindest für mich, jedesmal kurz bemessen. Zwischen den beiden Prozessionen begebe ich mich zum Hotel zum Nachtessen. Ich habe ein Cordon bleu mit Beilagen für 52 frs gegessen und einen viertel Liter Rotwein getrunken. Nach der Lichterprozession nehme ich mir noch eine Dose Bier als Schlaftrunk mit aufs Zimmer. Ich bin mal wieder sehr beeindruckt, aber auch müde. Heute bin ich 61 Km in 4,33 Std., bei einem Schnitt von 13,50 Km/h gefahren
10. Tag, Donnerstag, 03. Mai 2001 Lourdes Navarrenx Mit dem frühen Aufstehen habe ich ja keine Probleme, So halte ich es auch heute und gehe zur Grotte, wo ich um 6.30 Uhr schon eine hl. Messe habe. Eine Pilgergruppe aus der Schweiz ist auch anwesend und ihr geistlicher Betreuer ist Mitzelebrant. Er hält auch die Predigt, die ich zumindest teilweise verstehen kann. Das ist ganz ordentlich Danach eile ich wieder ins Hotel zum Frühstück. Zu vielen kleinen Begebenheiten mache ich mir je Notizen im Taschenbuch oder spreche was auf mein Diktiergerät. Sonst könne man so an sich unwichtige Einzelheiten nicht behalten. Zum heutigen Frühstück habe ich im Taschenbuch nur gut' eingetragen. Also wird es entsprechend gewesen sein, ich weiß es jedenfalls nicht mehr. Das Wetter ist bei meiner Abfahrt in Lourdes recht passabel. In St.Pe mache ich beim bekannten Bäcker eine Pause, um ein Flit einzukaufen. Der Chef zeigt gerade einer Schulklasse oder ist es der Kindergarten?- die Bachstube. Seine Frau bedient im Laden. Nachdem ich mein Brot gekauft habe, frage ich nach dem Chef. Der kommt herbei. Er stutzt zunächst, kann mich aber dann offensichtlich einordnen. Er zeigt auf den Backofen und spricht etwas von dem Foto, das ich ihm 1998 gemacht und 1999 mitgebracht hatte. Dann spricht er mit seiner Frau und danach ist auch sie im Bilde. Das war ein kurzes, aber freudiges Wiedersehen. Nach kurzem Aufenthalt fahre ich weiter. Mein Weg führt in jedem Falle über Oloron. Nach dort gibt es im Vorland der Pyrenäen zwei Fahrmöglichkeiten, keine ist leicht. Ich habe beide schon gefahren. Diesmal wollte ich eigentlich wieder über Rebenac fahren, also wie 1999. Doch ganz sicher war ich mir über die beste Route nicht. Deshalb befrage ich in der Nähe von Nay einen Autofahrer, der mit seinem Pkw gerade auf die Hauptstraße einbiegen will. Der ist anderer Meinung als ich und meint, der einfachere Weg sei für mich über Louvie Juzon. Ich lasse mich überzeugen und sage, dass ich den Weg kenne. Doch er lässt sich nicht davon abbringen, mich mit dem Pkw bis zur Abfahrt nach Louvie Juzon zu begleiten. Eine noble Geste, danke. Ich habe es schon erwähnt, dass es nun nicht ganz leicht wird. Fast ständig geht es aufwärts, zwar keine steile Rampen, aber immerhin. Allerdings gibt es auch ein paar Passagen, wo man während der Fahrt ein wenig ausruhen kann. Um die Mittagszeit komme ich nach Louvie Juzon, wo ich eine Kaffeepause einlege. Im Ort zweigt auch die Straße ab, die zum Col d' Aubisce und Col du Soulor führt, zwei von der Tour de France bekannte Pässe mit höchsten Anforderungsstufen. Der weitere Weg nach Oloron ist dann gut zu fahren. Fast immer eben, zur linken die zum Teil noch mit Schnee bedeckten Berge der Pyrenäen. In Oloron mache ich wieder eine Pause mit Picknick. Zuerst aber suche ich die Kirche auf. In der Straßenkurve vor der Kirche steht auf der Böschung eine Bank, auf der ich mich nun schon zum dritten Mal niederlasse. Von hier hat man einen schönen Blick in Richtung Ortsmitte und auf den Straßenverkehr.. Das Wetter war bisher recht ordentlich, aber nun ziehen dunkle Wolken heran. Da mache ich besser, dass ich weiter komme. Wenn es weiterhin gut läuft, könnte ich heute noch bis Sauverterre kommen, wo ich mit Werner mal übernachtet habe, Aber, das dürften noch gut 40 Kilometer sein. Doch durch diesen Plan wird alsbald ein Strich gemacht, In Fahrtrichtung vor mir zieht ein Gewitter auf. Aus den dunklen Wolken zucken heftige Blitze. Zwar ist es noch weit weg, aber so was ändert sich ja schnell. Und bald fallen auch schon die ersten Tropfen, die kommen noch nicht aus den Gewitterwolken, aber ich muss mich bald in dem kleinen Örtchen Gurs unterstellen. Plötzlich steht ein junger Mann neben mir, ich bin heftig erschrocken, und fragt, wo ich hin wolle. Er macht mir das Angebot mit ihm zu kommen und bis morgen bei einer Gruppe Jugendlicher zu bleiben. Oh nein, denke ich, das ist mir doch etwas zu heiß, darauf lasse ich mich nicht ein. Ich lehne dankend ab. Er zeigt mir noch ihr Haus und meint, ich könne es mir ja noch überlegen. Als er weg ist, fahre ich trotz des noch leichten Regens schnell weiter. Der nächste Ort, wo Aussicht auf eine Hotelunterkunft besteht, ist Navarrenx. Ich schätze, dass ich bis dorthin noch etwa 5 Kilometer fahren muss. Aber genau dort, dürfte auch das Gewitter stehen, ich höre es schon donnern. Aufmerksam beobachte ich nun die im Außenbezirk der Stadt stehenden Häuser, ob da nicht schon eine Unterkunftsmöglichkeit besteht. Nein, ich muss trotz des nun richtig einsetzenden Gewitterregens weiter fahren. Ich schaffe es gerade noch bis zur Stadtmauer der ehemals befestigten Stadt. Hier kann ich mich im Bereich des Tores unterstellen. Ich muss lange warten, is es wenigstens etwas aufhört zu regnen. Das Gewitter zieht nur langsam weiter. Unter diesen Umständen kann ich nicht mehr weiterfahren
Oloron, Kirche
Es geht inzwischen ohnehin auf sechs Uhr los. Ich fahre also in die Stadt hinein. Bald sehe ich den Hinweis auf ein Hotel. Am Aushang informiere ich mich über die Preise. Die erscheinen mir mit 235 frs etwas hoch, so dass ich zuerst noch zum zweiten Hotel fahre. Aber hier ist schon alles belegt. Was soll ich weiter suchen, ich fahre also zu dem ersten zurück. Hotel du Commerce' heißt es. Die Dame an der Rezeption zeigt mir in einem Nebengebäude das in Aussicht stehende Zimmer. Es soll 255 frs. kosten. Ich frage, ob sie nicht was preiswertere habe und daraufhin ermäßigt sie den Preis auf 250 frs!! Nun, ich bin nicht der geborene Armenier, die ja im Ruf stehen, noch besser handeln zu können als die Juden, und gebe mich damit zufrieden. Die Dame meint, falls ich Bedarf habe, könne ich im Haupthaus zu Abend essen und frühstücken. Nein, zu Abendessen wollte ich schon mal nicht, denn noch in Oloron hatte ich mir in einem kleinen Supermarkt meine Eßvorräte mit gekochtem Schinken und Flit aufgefüllt. Das reichte mir gerade für den Abend. Allerdings fehlte mir ein zünftiges Getränk, wie etwa eine Dose Bier. Ansonsten war es ein großes Zimmer mit zwei Betten und einem Fernseher sowie einem recht ordentlichen Bad. Die Heizung war auch noch in Betrieb, so dass ich die feuchten Sachen gut trocknen konnte. Hierbei stellte ich jedoch fest, dass meine Ärmlinge nicht mehr im Gepäck waren. Ich verfolgte den Fahrtverlauf rückwärts, und kam zur Erkenntnis, dass ich sie in Oloron noch in der Hand hatte, als ich die Taschen zum Picknick auspackte. Wahrscheinlich habe ich sie dort liegen lassen. Als ich das Fahrrad im Keller weg sperrte, kam ein Mann dazu, der sich als Chef des Hauses darstellte. Er sprach gut deutsch und war wollte gerne eine Unterhaltung führen. U.a. erzählte er, dass er öfters in Rheinfelden bei Karlsruhe weile, mit dieser Stadt hätten sie eine Partnerschaft. Da es weiterhin regnete, machte es keinen Sinn, eine Stadtbesichtigung durchzuführen. Gefahren bin ich heute eigentlich genug. Es sind 88,5 Kilometer in rund 6 Stunden geworden. Durchschn. 14,65 Km/h. Gesamt Km. 786.
11. Tag, Freitag, 04.Mai 2001-10-22
Navarrenx St. Jean-Pied-de-Port
Während der Nacht hat es aufgehört zu regnen. Die Stimmung steigt wieder, ich bin gut drauf. Mein Wetterbericht am Morgen lautet: Trocken, hohe Wolken hinter denen man den Stand der Sonne erahnen kann, mäßig warm. Also zum Fahren recht gut. Ich packe und belade das Fahrrad. Danach gehe ich zur Rezeption, um zu bezahlen und zu frühstücken. Die Tische im Frühstücksraum sind schon zum Teil gedeckt. Doch was steht u.a. darauf?, jeweils ein Körbchen mit Zwieback. Den Zwieback zum Frühstück kann ich einfach nicht leiden, das ist lediglich eine Notlösung. Ich teile also mit, dass ich kein Frühstück möchte und zahlen will. Zu meiner Überraschung verlangte die Dame nun nur noch 240 frs für das Zimmer, der Chef habe es so angeordnet. Da hat sich das kleine Schwätzchen gestern abend noch ein wenig gelohnt.
Wegweiser bei St. Palais
Ohne Frühstück fahre ich los. Es läuft gut über Sauveterre bis St. Palais. Hier mache ich vor der Stadt an einem Supermarkt Halt und hole in der Cafeteria mein Frühstück nach. Danach kaufe ich mir noch ein Getränk und Esswaren für unterwegs, meine Vorräte habe ich ja gestern abend weitgehend weggeputzt. Der Markt hat auch eine Abteilung für Sportartikel. Ob die auch Ärmlinge haben?, dann werde ich mir ein Paar neue kaufen, denn ohne werde ich wohl nicht über die Runden kommen. Nein, die haben ja schon eine große Auswahl, aber so was nicht. Auf dem Weg zur Kasse komme ich an der Strumpfabteilung vorbei. Vielleicht würden es auch schon ein Paar Damenstrümpfe tun, Kreppstrümpfe oder so was. Da fällt mir eine ausgepackte Kinderstrumpfhose ins Auge. Von der ziehe ich mal ein Beinchen über den Arm. Die passt ja, da werde ich die Füßchen und das Oberteil abschneiden und schon habe ich Ersatz. Das ist doch sehr kräftiges Material, die nehme ich mit. Hoffentlich laufen die Maschen nicht ein. Sie kostet schließlich noch 30 frs (10.- DM), doch wieder ist ein Problem gelöst. Die Weiterfahrt kann ich ruhig angehen lassen, bis St.Jean sind es nur noch etwa 30 Km. Am Pilgerkreuz in Galzetaburu mache ich kurze Rast. In St. Jean sehe ich am Ortsanfang einen Fahrradladen. Ich war bisher noch nicht dazugekommen, den in St.Etienne abgebrochenen Ständer reparieren zu lassen. Dazu war jetzt die richtige Gelegenheit. Der Chef des Einmann- Betriebes gab sich alle Mühe, und nachdem er kurz nach Hause gefahren war, hatte er das passende Teil parat. Er brauchte es nur noch zurecht zu schneiden und einzubauen. Dafür verlangte er 20 frs, worauf ich gerne 30 gab. Wieder ein Problem gelöst. Erleichtert fuhr ich in die Stadt, zuerst in die rue de Citadelle, zum Büro der inzwischen verstorbenen Madame Debril. Einige Männer haben deren Aufgaben übernommen. In die Herberge in der gleichen Straße wollte ich nicht. Sie war mir bekannt, auch wegen ihres schlechten Pflegezustandes. Ein deutsch sprechender Mann gab mir die Adresse einer Privatpension. Auf dem Weg dorthin sprachen mich zwei weitere deutsche Pilger an. Auch sie haben ihre Räder eingepackt im Zug mitgebracht, werden sie aber morgen erst auspacken und zusammenbauen. Sie haben sich in einem Hotel eingemietet, das aber inzwischen belegt ist. In einer in der Nähe liegenden Privatpension sei aber noch was frei. So ging ich also zuerst dort hin. Die Besitzerin nannte mir den Preis für das Zimmer mit 160 frs und für das Frühstück 25 frs. Ich dachte, ich könnte noch was besseres finden und bat mir Bedenkzeit aus. Dann fuhr ich zu der anderen Adresse. Ab er dort öffnete mir niemand. Und dann fing es wieder an zu regnen, so dass ich schnell wieder zurück fuhr. Bei dem Rückstau an einer Ampel habe ich mich verschaltet, so dass sich der Umwerfer an der Schaltmechanik des Rades verbog. Beim Drehen der Pedalen gab es nun starke Geräusche. Ich konnte so nicht mehr weiterfahren und musste bis zur Pension schieben. Der Madame erklärte ich nun, dass ich das Zimmer zu den angegebenen Bedingungen nehmen würde. Sie schrieb mir den Preis nochmals auf einen Zettel auf. Das fand ich gut. Ich sagte ihr aber, dass ich das Gepäck zunächst im Flur stehen lassen würde, weil ich zuerst das Fahrrad in Reparatur bringen müsste. Offensichtlich hat sie das anders verstanden und fing an zu lamentieren. Vielleicht meinte sie, ich hätte da eine krumme Sache vor. Glücklicherweise kam ihr Mann und ein Bekannter mit einem Lieferwagen und brachten Baumaterialien ans Haus. Nachdem ich denen das Malheur mit dem Rad erklärt hatte, war dann alles klar. Sie meinten, ich solle das Rad auf ihr Auto laden und dann würden sie mich zu einem Bekannten fahren, der das reparieren könne. Das war mir allerdings nicht recht, denn ich hatte ja schon einen Monteur in der Stadt. Doch dann stellte sich heraus, dass es sich hierbei um die gleiche Person handelte, ein Verwandter von ihnen. Der machte dann Augen, als ich schon wieder mit einem neuen Problem kam. Die Reparatur dauerte nun etwas länger und kostete 60 frs, das war für meine Situation noch erträglich. Ich war ja froh, dass ich überhaupt geholfen bekam. Durch den Regen fuhr ich dann zurück und bezog mein Zimmer. Ich war immer noch zeitig dran und wollte trotz des regnerischen Wetters noch etwas von der für den Jakobsweg bedeutungsvollen Stadt sehen. Mit Werner war ich ja 1998 auch nur kurz hier gewesen. In der Kirche hoffte ich auf eine Abendmesse. Aber es gab nur ein Orgelspiel und später etwas geistliche Musik aus der Konserve. In einer Regenpause setzte ich so meinen Gang durch den Ort fort. So gegen 18.00 Uhr dachte ich ans Abendessen. Doch um diese Zeit ist noch nichts zu machen, frühestens um 19.00 Uhr, sagt man mir. So lange möchte ich nicht mehr warten. In einem Tante Emma Laden' kaufe ich mir zwei Dosen Bier und ziehe mich auf mein Zimmer zurück. Von meinen Vorräten mache ich dann kalte Küche. Das Zimmer hatte eine Elektroheizung, die ich vor meinem Weggehen eingeschaltet hatte. So war es nun gemütlich. Heute hatte ich mich mit dem Fahren etwas zurückgehalten. Es waren 66,55 Km in der Zeit von gut 5 Stunden, das ist ein Schnitt von rund 13 Km/h.
St. Jean-Pied-de-Port Ansicht mit der Kirche im Hintergrund
12. Tag, Samstag, 05. Mai 2001 St. Jean-Pied-de-Port Roncevalles In der Nacht habe ich nicht gut geschlafen, es hat viel geregnet. Fortwährend hörte ich das Wasser vom Dach des Schuppens hinter meinem Fenster in den Kanal laufen. Dennoch mache ich mich in der Frühe fertig, das heißt, ich ziehe mich mal zur Abfahrt entsprechend an und packe meine Taschen. Gestern Abend hatte ich mir noch die Ärmlinge zurecht geschnitten und oben und unten gesäumt, damit die Maschen nicht auslaufen. Ich glaube, dass sie so ihren Zweck erfüllen. Heute ist also Premiere. Aber bei diesem Wetter steige ich vorerst nicht aufs Rad. Es steht ja der schwierige Aufstieg zum Ibaneta Pass und damit die Überquerung der Pyrenäen auf dem Programm. Das Frühstück ist für acht Uhr angesagt. Die Madame ist nicht anwesend, der Herr des Hauses betätigt sich als Küchenchef. Positiv bemerke ich gleich, dass es keinen Zwieback gibt, sondern frisches Brot. Dazu ausreichend Butter und Marmelade sowie Kaffee mit Milch. Der Kaffee ist gut heiß, das tut wohl. Wir führen eine etwas holperige Unterhaltung, aber es geht. Ich frage nach der Zeitung, um nach dem Wetterbericht zu sehen. Der sieht ja gar nicht so schlecht aus. Dagegen ist Monsieur jedoch skeptischer. Er zeigt in eine bestimmte Richtung und meint, wenn die Wolken von dort kämen, wäre nicht viel Gutes zu erwarten. Ich sage ihm, dass mich ich unter diesen Umständen spätestens gegen 12.00 Uhr entscheiden werde, ob ich heute noch weiterfahre. Wenn es weiterhin so regnet, werde ich noch eine Nacht hierbleiben. Er ist damit einverstanden. Danach gehe ich mehrmals vors Haus und sehe zum Himmel. Es ist so, als wolle ich regelrecht besseres Wetter herbei sehen. Es geht schließlich schon auf halb zehn los, als es tatsächlich besser wird. Die Wolken werden lichter und der Regen hört auf. Ich denke, bis Roncevalles wirst du wohl kommen und entschließe mich abzufahren. Die üblichen Regenschutzmaßnahmen kann ich vorerst unterlassen, ich ziehe nur die Wetterjacke an. Am Ende des Ortes sehe ich zwei weitere Radfahrer in einiger Entfernung vor mir herfahren. Es sind also noch mehr Gleichgesinnte unterwegs. Meine Stimmung ist recht ordentlich, wenngleich ich vor dem Pass diesmal etwas mehr Respekt habe. Doch die Freude währt nicht allzu lange. Die Wolken werden wieder dunkler und bald beginnt es erneut zu regnen. Zunächst kann ich noch weiterfahren. Doch dann wird es immer heftiger und ich stelle mich an einem Schuppen unter, um abzuwarten. Das kommt nun doch schlimmer als ich vermutet habe. Was tun?, ich könnte die paar Kilometer wieder zurückfahren oder mich regenfest einpacken und auf gut Glück weiterfahren. Ich entschließe mich für das letztere und hole die Regenkleider aus der Tasche. Diesmal erhält auch der Computer seine besondere Haube. So geht es dann weiter. Manchmal kommt Hoffnung auf, wenn es etwas heller wird. Doch im großen und ganzen bleibt es düster. Nun kommen auch schon die ersten Anstiege, Mit der Regenkleidung fährt es sich hier noch schlechter. Mehrmals muss ich anhalten, um das angesammelte Wasser vom Poncho abzuschütten. In Valcarlos trinke ich in einer Bar einen Cappuccino und einen klaren Schnaps. Beides wärmt von innen. Dabei lasse ich mir Zeit, in der Hoffnung, dass sich das Wetter wieder bessert. Doch es bleibt mal so und mal so. Sollte ich mir hier schon ein Zimmer nehmen?. Ach was, ich probiere es weiter. Von den beiden anderen Radfahrer habe ich nichts mehr gesehen. Offensichtlich habe die es genauso gemacht. Nun komme ich an den kontinuierlichen Aufstieg. Am Anfang geht es ja noch einigermaßen, doch bald gibt es immer mehr steilere Stellen. Keuchend drücke ich mich langsam hoch. Mein Gott ist das heute schwierig. Die Wolken haben sich inzwischen in die Berge geschoben und die Sicht wird immer schlechter. Angespannt horche ich nach rückwärts in den Nebel, um herannahende Fahrzeuge rechtzeitig wahrzunehmen. Die Situation ist nicht ganz ungefährlich. Von Kurve zu Kurve taste ich mich voran, halte oft an, um was zu trinken oder ruhe eine Weile. Wo ist meine Motivation, nichts ist mehr da. Es regnet weiter, zwar nicht in Strömen, aber immerhin. Und dann befällt eine richtige Kälte den Körper, es wird im höchsten Maße ungemütlich. Die Zeit verrinnt, es geht nur noch in kurzen Abschnitten weiter. Schließlich erkenne ich, dass ich doch schon im flacheren Teil vor der Passhöhe bin. Endlich bin ich am Schild, das den Pass anzeigt. Hier ist die reinste Waschküche, noch wesentlich schlimmer als 1998. An ein Foto ist überhaupt nicht zu denken. Der Ibaneta Pass ist ja im Vergleich zu anderen Pässen, nur ein Hügel'. Er ist gerade mal 1.057 Meter hoch, das ist relativ wenig. Dennoch hat er mir heute das Letzte abverlangt. Selten war ich so fertig, auch vom Kopf her, der war so gut wie leer. Bis Roncevalles ist es nicht mehr weit. Ich ziehe nichts zusätzliches mehr an. Ich werde ohnehin nicht schnell fahren können. Mit besonderem Fahrtwind ist also nicht zu rechnen. Die Finger sind klamm, es ist nicht leicht, den Lenker zu halten. Nach ein paar Minuten bin ich unten an der Herberge. Es ist nun 14.30 Uhr, aber es wird erst um 16.00 Uhr geöffnet. Vor der Rezeption liegen schon etliche Rucksäcke anderer Pilger. Ich sperre mein Rad ab und stelle es mit dem Gepäck im Gewölbe des Klosters unter. Dann begebe ich mich in das neue Hotel/Restaurant. Ach, ist das gemütlich warm in der Gaststube. Wenn ich gerade hier bleiben könnte. Ich frage also nach einem Zimmer. Doch leider sind die schon ausgebucht. Dann bleibe ich vorerst mal in dem Lokal und entledige mich mal der nassen Oberkleider. Als erstes trinke ich wieder einen Schnaps, Cognac oder so was. Ich bin ja sonst kein großer Freund dieser alkoholischen Getränke, doch in diesen Situationen trinke ich schon mal so was. Man hört es ja öfters, das solle das Immunsystem gegen Erkältungskrankheiten stärken. Und ich glaube auch, dass es hilft. Danach esse ich einen Sandwich oder Bocadillo wie das in Spanien heißt und trinke einen Cafe con leche, an Stelle eines Cappuccinos. Langsam spüre ich, wie die Lebensgeister wieder in den Körper zurückkehren. Es sind noch mehr Pilger im Lokal, sie haben die gleichen Probleme wie ich. Das Warten wird zur Qual, die Zeit verrinnt nicht, Ich trinke noch einen zweiten Kaffee. Also zum Essen und Trinken: ein Sandwich oder belegtes Brötchen oder Brot heißt in Spanien Bocadillo, und der von mir so hoch geschätzte Cappuccino wird nun zum Cafe con leche, oder einfach Kaffee. Von der Zeit her hätte ich bequem noch ein gutes Stück weiterfahren können, doch bei dem Wetter macht das einfach keinen Sinn. Schließlich ist es soweit, ich gehe hinab zur Annahme. Es ist kurz vor vier, als sie geöffnet wird. Jeder muss einen Zettel mit den Personalien ausfüllen. Danach geht ein Betreuer mit der ersten Gruppe zur Unterkunft. Der Weg geht durch die Klosteranlage ein paar Treppen hoch. Gemütlich ist es auch diesmal nicht. Aber man sieht es deutlich, dass in den drei letzten Jahren etliches verbessert wurde. Wir werden in dem größeren der Schlafräume untergebracht. Da ich einer der letzten in der Reihe bin, bekomme ich nur noch eines der oberen Etagenbetten. Ich lege meine Lenkertasche als Belegtzeichen' darauf und gehe den Rest meines Gepäcks holen. Als ich zurückkomme ist ein anderer Betreuer da, und der weist mir in dem kleinen Raum ein Bett unten zu. Ich sage nichts von dem anderen Bett und bin froh, dass ich dieses nun erhalten habe.
Ich habe es eben schon kurz erwähnt, dass sich einiges seit meinem ersten Aufenthalt verändert hat. Vor allem die sanitären Anlagen, wie Klo, Dusche und Waschgelegenheiten sind zufriedenstellend verbessert worden. Auch in der Küche gab es kleine Veränderungen. Die langen Treppen habe neue Stufen erhalten und lassen sich wesentlich besser gehen. Doch in den Fluren und Treppen zieht es nach wie vor.
Duschen werde ich mich heute nicht. Ich ziehe mir die feuchten Kleider vom Leib und rubbele mich mit dem Handtuch ab. Das tut gut, aber dennoch klappern ein paarmal die Zähne. Die trockene Wäsche tut dem Körper gut. Ich wußte, dass sich auf dem Dachboden noch ein Trockenraum befindet. Dort hänge ich meine Regenkleidung auf. Die feuchte Wäsche kommt an die Spiralfedern der Matratze über mir. Das ist wohl alles sehr primitiv, aber es gibt nichts besseres.
Danach mache ich mir im Aufenthaltsraum einen Kaffee aus meinen Vorräten Nescafé, Trockenmilch, Süßstoff und einen Alu-Becher habe ich immer bei meiner Ausrüstung dabei- und esse wieder was. Es wird mir wieder besser.
Doch das Knie macht sich heute wieder bemerkbar, ich reibe es mit einer Salbe ein. Die Wunden an der Hand, insbesondere den Fingern, sind weitgehend verheilt und verursachen keine Probleme mehr.
Um 18.00 Uhr geht alles zur Klosterkirche in die Messe. Zwei Patres zelebrieren ein feierliches Amt, einer spielt die Orgel. Nun glaube ich auch zu wissen, was das grüne Zeichen auf ihren Messgewändern bedeutet. Es ist das Emblem der Augustiner- Mönche. Nach der Messe spricht noch einer der Patres zu den Pilgern und erteilt danach den Pilgersegen. Eine eindrucksvolle Begebenheit.
Anschließend gehe ich in das andere Restaurant am Platze. In dem geräumigen Schankraum ist der große Kachelofen angeheizt. Es sind schon viele Pilger da. Die meisten drängen sich um den Ofen.
Warmes Essen gibt es erst um acht Uhr, d.h. noch eine ganze Stunde warten. Aber die belegten Brote und Sandwichs gehen gut. Ein Bogadillo mit rohem Schinken reicht mir auch, dazu trinke ich zwei Gläser Rotwein. Das kostet zus. 900 Peseten (Pts.), das sind etwas mehr als 11.-DM).
Roncevalles, Klosterkirche, Pilger beim Segen nach der hl. Messe
Ach ja, nun muss man sich wieder an das spanische Geld gewöhnen, aber nicht mehr lange -, der Euro kommt ja im nächsten Jahr. In der Herberge nehme ich vorsichtshalber mal zwei Tempil (Arznei gegen Erkältungskrankheiten). Ich bin müde und lege mich vorerst mal mit den Kleidern aufs Bett, um nochmals alles zu überdenken. Das war schon ein sehr harter Tag. Darüber schlafe ich ein. Erst am späten Abend, oder war es schon Nacht, werde ich wieder wach und lege mich richtig in den Schlafsack. Kilometer habe ich ja heute nicht viel gefahren, es waren nur 29 in 3,35 Stunden. Das ergab den Mini.- Durchschnitt von 8,0 Km/h.
13. Tag, Sonntag, 06. Mai 2001
Roncevalles Estella Das Leben in den Herbergen beginnt ja immer sehr früh. Die ersten, die aufstehen, warten ja den Tag nicht ab, bei denen geht es ja jetzt schon wieder um die besten Plätze in der nächsten Herberge. Wenn gutes Wetter ist, wandern die ersten noch im Dunkeln ab. Heute ist es natürlich nicht so schlimm, ich kriege mit, dass es draußen noch regnet. Die Wäsche über mir ist einigermaßen trocken geworden, so dass ich sie wieder anziehen kann. Die trockene Garnitur kommt zurück in die Tasche. Entsprechend dem Wetter ziehe ich mich an. Heute kann ich nicht sagen, ich warte wegen des Regens mal ab. Nach acht Uhr muss die Herberge ohne Rücksicht geräumt sein. Ob man will oder nicht, man muss hinaus. Zum Frühstück aus den Vorräten finde ich gerade noch einen Platz an dem großen Tisch im Ess- und Aufenthaltsraum. Einen Kaffee kann ich mir heute morgen nicht richten. Ich habe absolut keine Chance, an die einzige Brennstelle heranzukommen, um mir heißes Wasser zu machen. In der Not geht es auch so. Nach und nach wandern die Pilger ab, ich war der einzige Radfahrer gewesen. Der Regen ist nun doch nicht mehr so stark, wie gestern zeitweise, doch wer mag ihn in dieser Situation überhaupt?. Der Weg der Fußpilger, der in Spanien Camino' genannt wird, verläuft nun oft an der Landstraße vorbei. Und da gehen sie nun, allein oder in Gruppen, mit dem Rucksack beladen, darüber meistens ein Regencape, oft einen Wanderstab in der Hand. Ich glaube nicht, dass sie es leichter haben als ich. Ich denke, was wird mir der heutige Tag bringen?. Wenn ich vielleicht bis Pamplona kommen würde, das wäre schon was. Als ich mich die Erro Höhe ein Pass im Vorgebirge- hoch kämpfe, regnet es immer noch etwas, doch es scheint langsam besser zu werden. Zu dem Land, durch das ich seit gestern gefahren bin die Pyrenäen und diese Erro Höhe möchte ich noch was historisches loswerden: Hier hat Karl der Große im Kampf mit den Mauren eine wichtige Schlacht verloren, an der auch sein Mitstreiter Roland beteiligt war. Auf der Erro Höhe liegt ein großer Stein mit einer Vertiefung. Die Sage erzählt, dass dies ein Fußabdruck vom Roland sei. In Larrasoana gönne ich mir dann doch noch eine Tasse Kaffee in der Bar. Danach fahre ich schon auf Pamplona los, Es ist gegen 11.30 Uhr, und in der Tat, es hört nun auf zu regnen. Welch ein Glück, die Straßen werden trocken. Am Rande der Stadt hat man einen schönen Blick auf den Fluss Argo und die Basilika.
Hier steige ich ab und mache ein Foto. Ein junges Paar mit Kinderwagen bietet sich an, auch von mir ein Foto zu machen. Ich finde das als eine noble Geste. Nun kann ich auch den Regenumhang ausziehen, ich werde ihn vorerst nicht mehr brauchen. An der Stierkampfarena vorbei fahre ich zur Kathedrale. Es ist noch eine Sonntagsmesse im Gange. Die Besichtigung der Kirche ist somit nicht möglich. So fahre ich nach kurzer Zeit weiter, Richtung Stadtmitte. Dabei komme ich an die Pilgerherberge, wo mich ein Deutscher, ein Bayer, anspricht. Er versieht hier eine Art Helferdienst und möchte wissen, ob ich zum Übernachten komme. Nein, meine ich, es habe ja aufgehört zu regnen und da möchte ich wenigsten noch bis Puente la Reina fahren. Die Herberge dort kenne ich, die ist sehr in Ordnung. In der Fußgängerzone -Calle Major- hat eine Konditorei geöffnet. Im Laden ist eine Menge Betrieb. Als ich hineinkomme, wird gerade ein Tischchen mit zwei Plätzen frei, so dass ich eine schönen Sitzplatz finde. Ich bestelle mir ein Stück Nusstorte und einen Cafe con leche. Beim Verzehr lasse ich mir Zeit, ich habe ja schon weit mehr als 50 Km gefahren und es ist erst nach 13.00 Uhr. Bis Puente sind es auch nur noch etwas über 20 Km, das reicht dann für heute. Ich fahre noch durch ein paar Straßen der Stadt und dann geht es weiter. Zuerst muss ich aber noch über den Alto del Perdon. Das ist ein Bergrücken, auf dem ca. 30 Windräder stehen. Als einzelner Berg ist er ja nicht so schlimm. Aber wenn man nun zum wiederholten Male am Tag an einen solchen kommt, wird es schon etwas schwieriger. Um es kurz zu machen, da habe ich mich wieder etwas hinauf quälen müssen. Und was nun wieder häufiger auftritt, ich habe wie gestern schon, Schmerzen im Knie. Da werde ich auch nicht die zwar ruhige, aber doch hügelige Strecke über Uterga fahren, sondern über die N 111 direkt nach Puente. Vom Alto del Perdon erfolgt das nun in einer kilometerlangen Abfahrt. Das ist toll, die ist nicht so steil, da kann ich mal richtig laufen lassen. Schon vor 16.00 Uhr bin an der noch geschlossenen Herberge. Es warten schon andere Pilger. Als der Verwalter gegen 16.00 Uhr kommt und mit den Formalitäten beginnt, stehe ich so günstig, dass ich als einer der ersten an die Reihe komme. Streng nach dem Bibelwort: Die letzten werden die ersten sein'. Ich werde im Buch eingetragen, bezahle 400 Pts. und erhalte einen Zettel mit der Nr. 2 des betreffenden Schlafraumes. Dummerweise frage ich noch, wo ich das Fahrrad abstellen könne. Nun erst fällt dem Verwalter auf, dass er die Radfahrer nicht darauf aufmerksam gemacht hatte, dass sie erst dann ein Bett erhalten können, wenn alle Fußgänger untergebracht sind. Das ist ein Grundsatz, der eigentlich überall gelten sollte, aber kaum verwirklicht wird. Mit mir sind noch weitere vier Radfahrer da, keiner wollte warten. Ich forderte mein Geld zurück und wir begaben uns zu den beiden Hotels, die uns der Verwalter empfohlen hatte. Doch unter 100.- DM war da nichts zu machen. Wir befanden uns in einer gewissen Ratlosigkeit. Die anderen vier beschlossen, zuerst mal was zu trinken, dann werde man weiter sehen. Das war mir zu unsicher. Ich entschied mich dafür, bis zur nächsten mir bekannten Herberge in Estella zu fahren. Das waren aber nochmals gut 20 Km. Ich war der Meinung, wenn es darauf ankommt, die schnell abgespult zu haben. Das war doch kein Katzensprung und schon gar nicht eine leichte Angelegenheit. So fragte ich unterwegs mal wieder in Maneru und Cirauqui nach Unterkunftsmöglichkeiten. Es war nichts zu machen.
Estella, Pilgerbrücke über den Ega Endlich bin ich in Estella, es ist schon nach 18.00 Uhr. Ein Paar, Franzosen, kommen mir entgegen, die frage ich nach der Herberge. Sie ist nicht mehr weit, über die Brücke und schon ist man da. Am Eingang befindet sich auch schon die Anmeldung. Der junge Mann dort ist sehr freundlich, sagt mir aber, dass alle Betten bereits vergeben sind. Ich muss nun mal wieder ein sehr enttäuschtes Gesicht gemacht haben, denn nun sagte er, ich könne noch ein Notbett haben. Nach den Erfahrungen des Tages war mir das recht. Überglücklich war ich darüber allerdings nicht, doch ich dachte, ich könne ja immer noch in der Stadt nachsuchen. Die zwei Helfer brachten also eine Matratze herbei und richteten in einer Ecke des Schlafsaales mein Lager her. Das war sicher etwas mehr als nichts. Etwas später teilte er mir mit, ein Mädchen, das in einem der oberen Betten liege, möchte gerne mit mir tauschen. Doch das wollte ich zuerst nicht annehmen, aber wenn es nun so sein sollte, warum nicht. So willigte ich ein. Einer der jungen Helfer ernannte sich nun selbst zu meinem persönlichen Betreuer, trug mir ein Teil des Gepäcks zu meinem neuen Bett, brachte das Fahrrad zu einem sicheren Abstellplatz im Hinterhof und zeigte mir die übrigen Räume der Herberge. Über ein kleines Trinkgeld freute er sich natürlich. Mein Urteil zu dieser Herberge, in der ich bisher noch nicht gewesen war: Die Küche mit integriertem Aufenthaltsraum war sehr geräumig und mit mehreren Kochstellen ausgestattet. Küchengeräte und Kochgeschirr war ausreichend vorhanden. Auch die sanitären Anlagen waren tipptopp. In den Schlafräumen war es zwar etwas eng, aber es waren z.T. Schränke für Gepäck und Kleider vorhanden. Also alles in allem aus meiner Sicht sehr gut. Im Schlafraum treffe ich wieder die Franzosen, die mir den Weg erklärt hatten. Sie wohnen' direkt neben mir. Nun, so glaube ich, läuft die Pilgerschaft in etwa in normalen Bahnen. Allerdings muss man immer mit Schwierigkeiten rechnen. Es ist aber auch im Nachhinein ein schönes Gefühl wenn man sie gemeistert hat. Danach gehe ich zu Fuß ins Zentrum der Stadt.. Hier treffe ich wieder zwei deutsche Radfahrer, auch schon etwas ältere Herren. Sie hatten auch Probleme mit der Unterkunft in der Herberge und sind daraufhin in ein Hotel gezogen. Also Möglichkeiten hätte es auch für mich noch gegeben. Ich frage, wo man was essen könne. Sie meinten vorerst nirgends, denn es werde mindestens 20.00 Uhr, in einigen Lokalen sogar 21.00 Uhr werden. Dann werde ich zunächst mal etwas trinken, wozu ich mir die Bar eines Restaurants aussuche. Zunächst erkundige ich mich aber nach dem Abendessen bei ihnen. Der Mann hinter dem Tresen meint, es werde 20.30 Uhr werden und zeigt mir den Weg zu Speisesaal. Doch das dauert mir mal wieder zu lange. Ich bestelle mir ein Bier und frage, ob ich eine Portion von der Tortilla in der Glasvitrine haben könne. Aber ja, meint er und schiebt sie in die Mikrowelle. Ich trinke noch ein zweites Bier und habe danach ein gutes Sättigungsgefühl. Anschließend geht es zurück in die Herberge. Beim Duschen hatte ich wieder mein Knie untersucht. Es war etwas angeschwollen und hatte eine höhere Temperatur als das linke. Wieder behandele ich mich selbst, in dem ich Salbe auftrage. In meiner Apotheke finde ich Tabletten gegen Gelenkschmerzen, die, so meine ich dem Beipack entnehmen zu können, auf mein Krankheitsbild passen könnten. Also nahm ich davon auch welche. Nach meiner Rückkehr habe ich natürlich auch mit meinem Arzt darüber gesprochen, der meinte, dass dieses Mittel dafür absolut untauglich gewesen sei.- Manchmal hilft aber auch schon der Glaube. Ich stelle es mir schon schlimm vor, wenn ich wegen des Knies das Handtuch werfen müsste. Dabei muss ich oft an einen Fußpilger aus Köln denken, Hans mit Namen und 1998 auch schon 72 Jahre alt, der in Cebreiro erhebliche Probleme mit dem Knie hatte. Der Bedauernswerte, konnte sich quasi nur noch fortschleppen, wollte aber nicht aufgeben. Vielleicht gelingt es mir, die Tagesetappen künftig etwas kürzer zu gestalten. Die heutige Etappe war, bedingt durch die Schwierigkeiten in der Herberge von Puente la Reina, mit 96,31 Km auch wieder viel zu lang geworden. Dafür habe ich bei einem Schnitt von 12,46 Km/h 7,43 Std. gebraucht. Eigentlich kann ich mit diesem Tag doch zufrieden sein. Entscheidend ist letztlich ja, wie er endet. Und das war gut. Den Regen am Morgen habe ich schon fast vergessen. Die Kleider sind sozusagen wieder am Leib getrocknet. Ich hoffe nur, dass es keine gesundheitlichen Folgen hat. Den Problemen, die tagsüber auftreten, muss man eben entgegentreten und versuchen, sie zu meistern. Es gibt fast immer eine Lösung.
14. Tag, Montag, 07. Mai 2001 Estella Navarrete In der gut ausgestatteten Küche der Herberge ist es heute kein Problem, den Kaffe herzurichten und relativ gemütlich zu frühstücken. Zum Hinterhof, wo das Fahrrad abgestellt ist, muss ich zu ebener Erde durch einen großen Raum, eine Art Garage, in dem man ebenfalls Schlafmöglichkeiten für die Pilger hergerichtet hat. Es sind in diesem Jahr offensichtlich schon früh viele Leute unterwegs, so dass ein gewisser Engpass an Betten besteht. In diesem Raum sehe ich einen Mann beim Packen, der auf dem Rücken seines T- Shirts den Namen eines Fahrradclubs aus Borken in Westfalen trägt. Ich unterhalte mich kurz mit ihm. Er ist mit seiner Frau ebenfalls mit dem Fahrrad in Richtung Santiago unterwegs. Ich werde die beiden noch mehrmals treffen. Vom Wetter ist zu berichten, dass auch heute der Himmel bedeckt ist, doch es regnet nicht. Dafür ist es aber lausig kühl, um nicht zu sagen, richtig kalt. So versehen auch heute wieder die zurechtgemachten Ärmlinge gut ihren Dienst. Doch an der Ausfahrt der Stadt geht es gleich den Berg hinauf, da wird es einem beim Fahren schon von selbst warm. Bis zur sogen. Weinquelle' beim Kloster Irache ist es nicht weit. Für die, die es noch nicht wissen, was es mit dieser Quelle auf sich hat, sei es kurz erklärt: An dem Kloster führt der Pilgerweg direkt an einer Weingroßhandlung vorbei. Offensichtlich aus Werbegründen hat man dort einen Brunnen errichtet, an dem man sowohl Wasser als auch Rotwein kostenlos abzapfen kann. Der Wein ist allerdings nur zum Trinken an Ort und Stelle gedacht, also nicht zum Mitnehmen. Es wird erzählt, dass Pilger nach dem Besuch der Quelle, vor allem an heißen Tagen, gerade noch bis zur nächsten Herberge gekommen sind . Für mich besteht in dieser Hinsicht heute keine Gefahr, dazu ist es zu kühl. In leichten Wellen führt die Straße nun weiter, vorbei an der Burg Monjardin bis Los Arcos. Hier suche ich die Herberge auf in der stillen Hoffnung, die beiden Betreuer aus dem Vorjahr, Jan und Jak, anzutreffen. Doch die sind beide schon längst abgelöst, ein Ehepaar betreut nun die schöne Herberge. Aber in der Bar an der Straßenecke neben der Brücke genehmige ich mir eine Tasse Kaffee. Der wärmt etwas auf. Unterwegs treffe ich wieder das Ehepaar aus Borken, zwei sympathische Leute. Wir sprechen kurz miteinander, wobei ich ihnen sage, dass ich heute bis Navarrete fahren möchte. Dort befindet sich nämlich wieder eine schöne, gute Herberge. Die beiden haben einen etwas schnelleren Tritt als ich und ziehen alsbald davon. Zwischen Torres del Rio und Viana gibt es wieder nicht ganz leicht zu nehmende Steigungen. Viana selbst, eine kleine sehenswerte Stadt, liegt auf einem Berg, aber es gibt auch eine Umgehungsstraße. Den Weg hinauf meide ich diesmal und nehme die bequemere Alternative um die Stadt herum. Nun geht es auf Logrono zu, Das ist eine größere Stadt, entsprechend auch der Verkehr. In Stadtnähe ist die Straße vierspurig ausgebaut, und die vielen Fahrzeuge, die sie benutzen, erzeugen auch bei mir öfters ein etwas mulmiges Gefühl. Ansonsten komme ich ja mit dem Straßenverkehr gut zurecht. Über den Ebro kommt man in die Stadt hinein. Auch hier wieder lebhafter Verkehr, von dem ich mich langsam mitziehen lasse. An einem großen Außenthermometer wird die Temperatur mit gerade mal 10° angezeigt, und das in der Stadt. Dann ist es außerhalb wohl noch etwas weniger. Doch das ist mir viel lieber als Regen. Für Logrono habe ich kein Besichtigungsprogramm vorgesehen. Aber es ist schon fast 12.00 Uhr, so dass ich ein einer Seitenstraße eine Pause in einer Bar einlege. Ich esse zwei Magdalenas und trinke einen Cafe con leche.
Heute habe ich zwar keine Eile, aber ich mache mich dennoch auf den Weg, an der Kathedrale vorbei, weiter durch die Stadt. An der Ausfahrt ist die Straße wieder vierspurig. Hier habe ich jedes mal Bedenken, ob ich als Radfahrer die Straße befahren darf. Doch mittlerweile fällt es mir leichter, sie zu benutzen. Fast unendlich lang zieht sie sich anschließend einen Berg hoch. Eigentlich sieht man ihr die Steigung nicht an, doch beim Treten in die Pedalen merkt man es an den kleinen Gängen. Schon am frühen Nachmittag, gegen 15.15 Uhr, komme ich nach Navarrete. Die Herberge habe ich in sehr guter Erinnerung und so fahre ich direkt drauf los. Dort hat es inzwischen eine weitere Verbesserung gegeben, sie wird nun von einem holländischen Ehepaar ganztägig betreut. Vorher musste man den Schlüssel in der Bar nebenan holen und abends kam ein Gemeindesekretär und machte die Registrierung. Ich treffe die Herbergsmutter am Eingang. die mich zu ihrem Mann mit zur Anmeldung nimmt. Der macht ein bedenkliches Gesicht und meint, die Betten seien schon alle vergeben, ich solle besser bis Najera weiter fahren. Ich sage, dass ich eine Knieverletzung habe und das allerdings etwas übertrieben- schwerlich schaffen werde. Er berät sich mit seiner Frau und meint dann, es gäbe doch noch eine Möglichkeit: Es bestehe nämlich eine Reservierung von mehreren Betten, doch die Betreffenden hätten sich noch nicht gemeldet. Er werde die Betten nun anderweitig vergeben. Ich fand es ohnehin seltsam, dass die Herberge schon um 15.00 Uhr voll belegt sein solle. Ich kam in einen der Räume mit 8 Betten und bekam eine der unteren Schlafstellen. Das war prima. Das Ehepaar aus Borken ist auch schon da. Zu dieser Herberge muss ich unbedingt noch ein paar Worte verlieren: Es ist eine der schönsten, die ich auf dem ganzen Weg erlebt habe. Die Schlafräume habe meistens acht Betten, die sanitären Anlagen können mit denen eines guten Hotels mithalten. Ein großer Aufenthaltsraum mit etlichen Tischen und viel Sitzgelegenheit. An einer Wand ist eine Küchenzeile mit mehreren Kochstellen, Backofen, Spüle, Waschmaschine und Münztrockner installiert. Letzterer war zwar bei meiner Ankunft defekt, aber man hatte schon den Mechaniker gerufen, der sich darum kümmerte. Die Heizung ist eingeschaltet, auch in den Schlafräumen und verbreitete eine wohlige Wärme. Für die Übernachtung hatte man keinen festen Tarif, man erwartet , wie das oft der Fall ist, eine freiwillige Spende. Der Herbergsvater wies darauf hin, dass um 19.30 Uhr eine Messe ist. Der Pfarrer freue sich auf die Pilger. Danach gäbe es in der Herberge ein gemeinsames Nachtessen, das er und seine Frau mit einigen Helferinnen zubereiten würden. Das fand ich prima und meldete mich gleich dazu an und wollte einen Geldbetrag stiften. Er lehnte das aber ab und meinte, eine Flasche Rotwein würde es auch tun. Gut, das kann ich auch tun. Dennoch fällt die Spende höher aus als normal. Es ist ja noch früh am Tag, und so nutze ich wie etliche andere Pilger die Zeit und Gelegenheit, um mal wieder die angefallene Wäsche zu waschen. Der Trockner ist zwar noch nicht fertig, aber es werden die Wäschespinnen aufgestellt. Der Herbergsvater kümmert sich selbst darum, dass die Wäsche aller schon bis zum Abend weitgehend trocken ist. Danach esse ich noch was, die Leute aus Borken ebenso. Sie heißen Harald und Maria. Wir führen eine angeregte Unterhaltung, wobei ich meine Kenntnisse vom vor uns liegenden Weg so gut wie möglich einbringe. Um sechs öffnet der kleine Supermarkt in Nähe der Herberge. Ich besorge die versprochene Flasche Rotwein sowie Mineralwasser und Lebensmittel für meinen täglichen Bedarf. Um 19.30 Uhr ziehen wir dann zur nahen Kirche. Die Pilgermesse ist wieder eine stimmungsvolle Angelegenheit, der Pastor kann u.a. sehr schön singen. Auch die Pilger sind aktiv dabei. Zum Segen kommen alle vor den Altar. Danach zeigt der Pfarrer den Anwesenden die Schatzkammer der Kirche. Man kann es kaum glauben, was diese doch nicht allzu große Pfarrei nicht alles an wertvollen und historischen Dingen besitzt. So was gibt es eigentlich nur in den großen Kathedralen am Wege. In der Schatzkammer sieht man zunächst nur allgemeine Dinge an den Wänden, wie Bilder o. dgl. Doch dann öffnet der Pfarrer eine mit Sicherheitsschlössern versehene dicke Holzbohlenwand, hinter der ein großer Glasschrank sichtbar wird. In dem befinden sich nun eine große Anzahl wunderbarer sakraler Gegenstände, wie Monstranzen, Kelche, Kreuze, Gefäße und sonstiges. Natürlich spricht er auch was dazu, danach verteilt er an die Anwesenden Erinnerungsbildchen. Ich bin sehr beeindruckt von dem, was in der Kirche angeboten wurde und frage mich, warum nicht öfters wenigsten auf eine Abendmesse hingewiesen wird. In manchen Herbergen weiß man noch nicht einmal ob überhaupt bzw. wann eine Messe ist. Nach diesem schönen Erlebnis geht's in die Herberge zum Abendessen. Man hat die Tische zu einer großen Tafel zusammengestellt. Die Sitzplätze werden etwas knapp, obwohl nicht alle zum Essen kommen. Wir sind etwa 35 Leute. Maria und Harald sind auch da. Fast Jeder der Anwesenden hat noch etwas mitgebracht und auf den Tisch gestellt. Es erinnert von der Sache her an die Herberge in St.Juan de Ortega, wo der Pfarrer die von ihm selbst gekochte Suppe an die Pilger verteilt hat. Es hat ja schon mal geheißen, er sei inzwischen verstorben, aber der Herbergsvater hat mir hier auf meine Frage gesagt, er lebe noch, sei aber schwer krank. Was haben denn die Frauen hier alles gerichtet?. Zunächst wird Brot und Salat auf den Tischen verteilt. Die Tische sind übrigens nett gedeckt, mit Tellern, Besteck usw.- Dazu wird eine deftige Graupensuppe angeboten. Danach gibt es einen feinen Eintopf mit Reis und Gemüse. Dazu die Getränke, in der Hauptsache Rotwein, und Mineralwasser. Schließlich werden noch zwei Schalen mit Obst angeboten. Ich muss sagen, eine tolle Sache, das hat allen gut gefallen.
Navarrete, beim Abendessen in der Herberge
Zum Abschluss holt dann noch der Herbergsvater seine Gitarre hervor und gibt ein paar Lieder zum Besten. Dabei wird er von einer älteren, englisch sprechenden Dame im Gesang unterstützt. Bravo! Also, das war ein Tag, den man mit Super' beurteilen muss. Heute bin ich lediglich 63 Km gefahren in 5,10 Std. Durchschn. 12 Km/h. Ich habe nun schon über 1000 Km, genau 1.041.
16. Tag, Dienstag, 08.Mai 2001 Navarrete Belorado Zum Frühstück sind im Aufenthaltsraum alle Tische mit Brot, Butter und Marmelade gedeckt. Der Herbergsvater fragt, was man trinken möchte. Das alles geht auf Kosten der Herberge. Natürlich werde ich das durch eine weitere Spende ausgleichen. Das ist aber dennoch sehr gut. Vom Herbergsvater lasse ich mir noch seine Heimatadresse geben, damit ich ihm das eine oder andere Foto von dem vorzüglichen Aufenthalt zusenden kann. Das Wetter ist wie gestern, stark bewölkt, trocken, aber empfindlich kühl. Ohne Wetterjacke geht nichts. Hätte man diese Wetterlage vorausahnen können, wäre es wohl besser gewesen, eine der kurzen Radhosen gegen eine lange und eines der Trikots gegen ein solches mit langen Armen einzutauschen. So muss ich mich halt mit dem behelfen, was ich dabei habe. Doch kühl ist noch besser als Regen.
Landschaft zwischen Najera und Santo Domingo de la Calzada
Um also warm zu bleiben, heißt es kräftig in die Pedalen treten. Praktisch ohne anzuhalten fahre ich bis Santo Domingo de La Calzada durch. Ich befinde mich nun in der Provinz La Rioja, wo der gute Wein wächst. Die Strecke ist leicht bergig. Gegen 12.00 Uhr bin ich in Santo Domingo.
In der Herberge will ich mir den Stempel abholen, aber die sind schon in der Mittagspause. So fahre ich zur Kathedrale, das ist die mit dem Hühnerstall in der Kirche. Was es damit auf sich hat, habe ich ja schon zweimal beschrieben. Auch die Kathedrale ist verschlossen. Man kann lediglich bis zu dem großen Absperrgitter gehen und von dort einen Blick in den Kirchenraum und auf den Hühnerstall werfen. Wer mehr sehen will, kann gegen Eintritt durchs Museum in den Innenraum gelangen. Ich hole mir lediglich den Stempel am Museumseingang. Vor der Kathedrale habe ich Harald und Maria aus Borken getroffen, sie kommen gerade vom Mittagessen. Ich suche ebenfalls eine mir bekannte Bar auf und trinke einen Kaffee und esse ein Bocadillo. Es sind noch andere Pilger hier. Mit einem Spanier kann ich ein paar Worte wechseln. An einer Bank möchte ich mir noch etwas Bargeld am Automat holen, doch ich gebe zu der Karte die falsche Pin-Nr. ein. Auch das noch, denn jede Falscheingabe wird registriert und kann Folgen haben. Das lasse ich zu Hause bei der Kasse wieder in Ordnung bringen. Vorsichtshalber benutze ich beim nächsten Versuch an einem anderen Automaten meine zweite Karte. Nun funktioniert es. Ich werde heute nur noch bis Belorado fahren. Dort ist eine Herberge. Die nächste wäre in St. Juan, doch das Stück möchte ich nicht mehr anhängen, müsste ich ja noch über den Pedraia Pass. Es ist besser, dem Knie eine gewisse Schonung zu gönnen. Nach St. Juan werde ich dann ohnehin nicht kommen, das liegt nämlich etwas abseits der Straße und bedeutet einen Umweg. Vor Belorado sind ohnehin noch zwei Anstiege, die reichen mir gerade, denn hierbei verspüre ich schon wieder die Schmerzen im Knie. Das wäre an sich nicht so schlimm, wenn es danach nicht auch noch anschwellen würde, das macht mir Kummer. In Belorado komme ich gegen 15.00 Uhr an und suche die Herberge. Diese wird von einem Schweizer Ehepaar betreut, zwei sehr umgängliche Leute. Aber was nutzt mir das, wenn ich hören muss, dass die an sich kleine Herberge schon voll belegt ist. Und das schon um diese Zeit, ich kann es kaum fassen. Aber der Herbergsvater bietet eine Alternative an: In unmittelbarer Nähe habe sie einen garagenähnlichen Raum angemietet, in dem zusätzlich über 30 Betten aufgestellt sind. Er zeigt mir diese Unterkunft. Durch die Tür im Garagentor kommt man direkt in den relativ großen Raum. Mein Gott, wie primitiv. Auf einem Zementboden stehen 17 oder 18 Etagenbetten, die trotz allem schon zum Teil belegt sind. Die Wände und Decke sind dunkel und angeschmutzt, alles sehr ungemütlich. Ein kleiner Heizlüfter soll etwas Wärme verbreiten. Doch davor sitzt eine junge Frau und legt abwechselnd ihre feuchte Wäsche zum Trocknen auf. Eines der unteren Betten ist noch frei, das belege ich mal vorerst. Ich entlade das Fahrrad und fahre zurück in die Stadt. In einem Hotel am Kirchplatz frage ich nach einem Zimmer, nichts. Ebenso ergeht es mir in einer Pension. Was soll es?, ich fahre zurück in die Garage. Neben mir haben sich zwei französische Paare niedergelassen. Sie machen einen sehr sympathischen Eindruck, sind nett und freundlich. Ich denke, was nehmen die Pilger doch nicht alles an Unannehmlichkeiten auf sich, um diesen langen Weg durch Spanien hinter sich zu bringen. Aber, so ist das eben, ich bin nun auch zufrieden. Sanitäre Anlagen, Küche oder Aufenthaltsraum gibt es nur im Refugium. Also gehe ich zum Duschen dort hin. Hier ist es wenigstens warm. Die Herbergsmutter erzählt, dass sie noch in der letzten Woche zusätzliche Heizgeräte anschaffen mussten. In dem geräumigen Aufenthaltsraum saß auch alles um zwei große Gas Heizöfen Mit dem Herbergsvater spreche ich über meine Knieproblem. Er meint, er hätte ohnehin um 17.00 Uhr mit einem anderen Pilger einen Termin beim Arzt, da könne ich mitgehen. Nein, so dramatisch sehe ich es nun doch nicht. Bei geringer Belastung ist es gut auszuhalten. Ich werde mich vorerst selbst therapieren. Nun wird auch eine der Duschen frei, so dass ich an die Reihe komme. Aber hier sieht es auch nicht gerade freundlich aus. Das kleine Räumchen ist gleichzeitig auch noch Toilette und Waschraum. Der Boden ist nass, da ist es schon ein Problem, nach dem Duschen einigermaßen trocken in die Wäsche zu kommen. Ich ziehe mal einen Vergleich zur gestrigen Herberge in Navarrete und kann nur sagen: Gestern König, heute Bettelmann! Die Herbergsmutter hat mir übrigens mitgeteilt, dass um 19.30 Uhr eine Messe sei. Sie empfahl mir, wenn ich wolle, frühzeitig dort zu sein. Die Kirche sei z.Zt. einer der bestgeheizten Räume im Ort. Vor dem wärmenden Ofen setze ich mich anschließend an den Tisch und führe mein Tagebuch. Doch es ist wenig Platz, andere Leute kommen mit ihren Esswaren. So mache ich noch eine Besichtigung im Ort. Doch damit bin ich bald fertig. Die Bar am Marktplatz, die ich kenne, hat noch geschlossen. So suche ich eine andere auf. Es sind nur wenig Gäste da, aber es ist warm. Ich trinke wieder einen Kaffee und esse eine Magdalena. Als ich das Lokal verlasse, fängt es zu allem Überfluss auch noch an zu regnen. Eilig suche ich wieder die Garage auf. Hier krieche ich noch für eine Stunde in den Schlafsack.
Danach gehe ich zur Messe. Es ist wie die Herbergsmutter gesagt hatte, die Kirche ist gut beheizt. Sie selbst kommt auch hinzu. Aber ansonsten sind es höchsten 15 Pilger von schätzungsweise ca. 60, die in der Herberge übernachten. Bei meinem Rundgang hatte ich mir schon ein Restaurant in der Nähe der Kirche ausgewählt, das für meine Begriffe ein recht ordentliches MenüAngebot hatte. Dort ging ich also nach der Messe hin. Im Speisesaal saßen schon etliche Leute. Es waren nur noch zwei Tische direkt neben dem angeheizten Kamin frei. So setzte ich mich an den einen. Mir wurde auch bald klar, warum gerade diese beiden Tische nicht besetzt waren. Es war eigentlich hier zu warm. Aber bei allem was ich heute und teilweise auch gestern an niedrigen Temperaturen habe aushalten müssen, will ich darüber überhaupt nicht klagen. Man kann ja auch selbst für Abhilfe sorgen, ich zog meine Weste aus in blieb im Hemd sitzen. Das Essen hat vorzüglich geschmeckt. Neben dem halben Liter Rotwein und dem Brot brachte die Bedienung zuerst ein Erbsengemüse, garniert mit feinen Schinkenstreifen. Danach gab es drei kleine Hammelkoteletts mit Pommes und gemischtem Salat. Als Nachtisch nahm ich wieder Eis. Das kostete zusammen 1.300 Pts. Damit hatte der Tag doch noch einen guten Abschluss gehabt. Gefahren bin ich heute knapp 60 Km in 4,30 Std. Insgesamt sind es nun 1.100 Km. Abschließend möchte ich aber noch ein paar allgemeine Worte zu den Herbergen sagen: Wie man erkennen kann, befinden sie sich auf unterschiedlichen Qualitätsstufen. Etwa eine gute Hand voll heben sich besonders hervor. Manche könnten ruhig etwas besser sein. Der Rest aber ist guter Durchschnitt. Man sollte aber auch bedenken, dass es sich bei der Pilgerfahrt um eine Angelegenheit handelt, bei der man ohnehin keinen Luxus erwartet. In der Regel ist alles ziemlich einfach gehalten und dürfte den Ansprüchen der Pilger durchaus genügen. Wenn es nun mal nicht so ist, möchte ich das keineswegs abwertend kritisieren, sondern nur als Tatsache feststellen. So ist es auch hier in Belorado. Ich kann mich ohne Bedenken für eine Nacht hier aufhalten.
16. Tag, Mittwoch, 09. Mai 2001 Belorado Castrojeriz Zur Ergänzung meiner gestrigen Ausführungen was die Ausstattung der Herberge anbetrifft, kann ich heute morgen sagen, dass ich in der Garage sehr gut geschlafen habe. Das Bett war ja auch in Ordnung und die Kälte im Raum habe ich im warmen Schlafsack nicht bemerkt. Gegen 07.00 Uhr stehe ich auf, ich muss aufs Klo ins Refugium. Das ist natürlich nicht angenehm. Im Aufenthaltsraum ist schon eine rege Betriebsamkeit, jeder möchte gern sein Kaffeewasser heiß machen. Da werde ich mich nicht anstellen. Ich werfe mir lediglich noch eine Handvoll Wasser ins Gesicht und die Morgentiolette ist abgehakt. Danach packe ich meine Sachen und fahre los. In der Bar el Paso', an der Ecke zur Hauptstraße trinke ich einen Kaffee und esse ein Croissant und eine Magdalena.. Das reicht fürs erste. Die nächste größere Stadt ist Burgos. Es ist wieder stark bewölkt, nach ein paar Kilometern kommt Nebel auf. Das ist zum Fahren gar nicht gut, zumal die Sichtweite immer geringer wird. Da ist besondere Vorsicht geboten. Doch bei dem markierten Seitenstreifen hat man eine gewisse Sicherheit. Ein paar Bodenwellen bis Villafranca bereiten noch keine große Schwierigkeiten. Hinter Villafranca beginnt dann ein etwa 3 Kilometer langer Anstieg mit durchschnittlich 6% zum Alto de la Pedraja. Da geht es bis 1150 m hoch. Da kommt man schon gehörig ins Schwitzen, den habe ich ja auch gestern absichtlich gemieden. Doch es gibt auch etwas gutes zu berichten. Etwa im letzten Viertel des Anstiegs lichten sich die Nebelschwaden und die Sonne kommt hervor. Da kommt wieder gute Stimmung auf, denn das kann ich nicht verhehlen , die ist oft vom Wetter abhängig, mal hoch, mal tief. Der La Pedraja ist übrigens der höchste Pass, den ich bisher auf der Tour überqueren musste, also noch 100 Meter höher als der Ibaneta in den Pyrenäen. Nach einer Abfahrt gibt es zwar noch einen weiteren Anstieg, aber dann geht es eher leicht abwärts bis Burgos. Das läuft prima. Bis Mittag habe ich die mehr als 50 Km bis Burgos schon hinter mir. Heute gehe ich mal wieder in die Kathedrale, Dabei ist mir allerdings das Rad hinderlich. Doch ich schließe es einfach mit dem Gepäck an einem Fahrradständer in Nähe der Kirche an. Ich habe einfach Vertrauen, dass es nach dem Besuch noch da ist.
Burgos, vorne Brücke über den Arlanzon, dahinter Stadttor und Kathedrale
Die Renovierung der Außenfassade der Kathedrale ist immer noch nicht abgeschlossen. Teile des Baugerüstes stehen noch. Jedoch seit 1998 hat sich doch schon einiges verändert. Das neue sieht gut aus. In der Sakristei lasse ich mir den Pilgerstempel in meinen Ausweis drücken. Mein Fahrrad steht noch unversehrt an seinem Platz. Dort lasse ich es auch stehen und gehe zuerst wieder in eine Bar in der Nähe. Eigentlich wollte ich nur einen Kaffee trinken, doch in der Vitrine sind gefüllte Eier mit einer Soße ausgestellt. Das ist eigentlich mehr eine kleine Leckerei. Doch ich lasse mir eines mit einem Stück Brot servieren, war gut. Mehr brauche ich im Moment nicht. Am Fluß Arlanzon fahre ich langsam zur Stadt hinaus. Dabei komme ich an einem Fahrradladen vorbei, wo ich schon mal drin war. Kurz vor 13.00 Uhr ist der Laden noch geöffnet und ich frage nach Ärmlingen. Meine selbst gefertigten haben nun doch schon ein Loch, so dass ich die Gelegenheit nutze, mir ein Paar neue zu kaufen. Sie haben was zur Auswahl. Ich kaufe mir welche für etwa 25.-DM. (1.900 Pts.). Schon wieder ein Problem gelöst. Doch es kommt noch was. Beim Überfahren einer Kreuzung so ziemlich am Ende der Stadt reißt mir plötzlich mit lauten Knall der vordere Bremszug. Da bin ich vielleicht erschrocken und wußte zunächst gar nicht was ich tun sollte. Erst im letzten Moment bekam ich die Situation in den Griff. Das ist wieder mal gut gegangen.
So schob ich denn mein Rad auf die Seite und packte meine Ersatzteiltasche aus. Eigentlich gegen meinen Willen hatte mir mein technischer Berater genau dieses kleine Stück Drahtseil von zu Hause mitgegeben. Nun konnte ich es verwerten. Die Reparatur führte ich selbst durch, die war in ein paar Minuten erledigt. Ich fuhr nun über die N 120 in Richtung Castrojeriz weiter. Die Temperaturen waren mittlerweile soweit angestiegen, dass ich die neuen Ärmlinge nicht lange anbehalten konnte. Der Weg nach Castrojeriz über die Straße ist ein gutes Stück weiter als der Wanderweg. Und so kam es auch, dass ich bei der Einschätzung der noch zu fahrenden Kilometer mal wieder gründlich daneben lag. Und dann stand auch noch plötzlich ein Gewitter vor mir am Himmel. Vorsorglich stieg ich in Olmillos, das ist dort wo die Burg steht, ab und kehrte in einem Lokal ein, um mal abzuwarten was es gibt. Es dauerte auch nicht lange und es begann zu regnen. Da hatte ich eine gute Nase gehabt. Während der Wartezeit bestellte ich mir eine Portion Tortilla und eine Fanta. Das Gewitter zog nur langsam ab. Noch bei den letzten Regentropfen fuhr ich weiter. Das Gelände war hier relativ eben, Berge waren selten. Doch schon im Restaurant hatten es mir Gäste angedeutet, dass es bis Castrojeriz noch etliche Kilometer seien. Manchmal möchte man es nicht wahr haben, aber hier zog sich die Strecke schier endlos dahin. Doch als ich bei einem Schäfer mit seiner Herde vorbeikam ließ ich mir dennoch so viel Zeit, um ein paar Fotos zu machen. Endlich bin ich am Ziel. Aber, man könnte es fast erraten, die Herberge war auch hier schon belegt. Der Verwalter war kein besonders freundlicher Typ. Ich hatte das Gefühl, der fertigte die Leute mehr so von oben ab. Er hatte aber eine Liste mit den Hotels im Ort parat. Ich hatte schon wieder meine Bedenken, hoffentlich geht das gut. Doch im Hotel el Meson' waren noch Zimmer frei. Man brachte mich in einem Nebengebäude unter. Es war ein blitzsauberes Zweibettzimmer mit Dusche WC und einem Fernseher, das 4.000 Pts. kostete. Und ich muss sagen, dass mir das sehr gut gefallen hat. Eigentlich sollte man sich so was ruhig mal öfters gönnen. Da kann man sich so richtig ausbreiten und pflegen. Zudem kann ich wieder einen kleinen Waschtag einlegen. Das Knie muss ich nun täglich behandeln, ob viel oder weniger gefahren. Aber dramatisch sehe ich die Sache immer noch nicht. Als ich mein Fahrrad wegschließen will, treffe ich Harald auf der Straße. Sie haben ebenfalls kein Platz in der Herberge gefunden und wohnen in einem anderen Hotel. Ich stelle in Aussicht, dass ich das Abendessen bei ihnen nehmen werde. Doch dazu ist es nicht gekommen, denn es kam wieder starker Regen auf. Und dem wollte ich mich auf keinen Fall aussetzen. So lief ich denn die paar Schritte zu meinem Hotel. Das Restaurant befindet sich im Souterrain des Hauses mit einem sehr geschmackvollen Aufenthaltsraum. Das Essen ist prima, dem Ambiente des Hauses angepasst. Aber die Preise sind etwas höher. Ich esse eine Nudelsuppe mit Kichererbsen und Brot, vier Scheiben gebratenes Fleisch (wie Kaiserbraten), mit Pommes und Salat. Dazu steht eine Flasche Rotwein auf dem Tisch, die ich bis zu dem von mir gezogenen imaginären Strich austrinke. Als Nachtisch wähle ich wieder Eis. Das waren diesmal besonders große Portionen, wie ich schon vorher beobachtet hatte. Das hat zusammen 1.800 Pts. gekostet. Ich kann mir am Abend vorher vornehmen was ich will, von weniger fahren und so, wenn es tagsüber gut läuft, fliegen alle Vorsätze über Bord. Heute kam allerdings die lange Strecke von Burgos bis Castrojeriz dazu, wo es kaum Möglichkeiten zum Übernachten in Nähe der Straße gab. Was soll's, alle Ausreden helfen nichts. Es sind 97,51 Km geworden. Fahrzeit 6,50 Stunden, Durchschnitt 14,27 Km/h.
17. Tag, Donnerstag, 10. Mai 2001 Castrojeriz Sahagun Gestern hat es geheißen, dass es das Frühstück erst um acht Uhr geben würde. Das war mir eigentlich etwas spät, zudem hatte ich noch Vorräte in der Tasche. Davon aß ich also auf meinem Zimmer. Kurz vor acht Uhr ging ich zum Haupthaus, um mein Fahrrad zu holen. Aber hier war noch alles wie tot. Ich blickte durch die Scheibe der noch verschlossenen Eingangstür und sah, dass dahinter im Vorraum schon etliche Personen warteten. Offensichtlich Gäste aus dem Haupthaus. Vom Personal war noch nichts zu sehen. Somit kam ich auch nicht ans Fahrrad. Erst nach acht Uhr kam eine Dame und sperrte die Tür auf. Natürlich drängte sich alles um sie, die einen wollten ihr Frühstück, andere einen Kaffe oder Espresso und ich wollte bezahlen. Die Leute zum Frühstück mussten noch warten, bis das entsprechende Personal da war. Der Kaffeeautomat wurde angeheizt. Währenddessen kam ich an die Reihe und konnte meine Rechnung bezahlen. Ich bekam meinen Ausweis zurück und den Schlüssel zur Garage, wo mein Fahrrad stand. So konnte ich danach alsbald in Richtung Fromista losfahren. Bis dorthin sind es etwa 25 Km. Hier komme ich nun in die große Hochebene Nordspaniens, die Meseta. Das sind ca. 180 Km fast nur flaches Gelände. Dass nun die Anstrengungen nicht mehr so groß sind, versteht sich von selbst. Auch das Wetter ist recht gut. Es läuft also gut. In Fromista habe ich erstmals richtige Gelegenheit, um die bedeutende romanische Kirche St. Martin näher zu besichtigen. Das evangelische Gotteshaus beeindruckt nicht nur von außen, sondern besticht auch durch die schlichte Gestaltung des Innenraumes. Dadurch wird die architektonische Schönheit besonders hervorgehoben. In einer Bar trinke ich noch einen Kaffee zu meinem nur halbwegs ordentlichen Frühstück. Das Wetter ist noch besser geworden, ich kann mal wieder ohne Jacke fahren. Bis Carrion fährt sich sehr gut auf einer schmalen, absolut ebenen Landstraße. Im nächsten Ort, Poblacion, mache ich etwas langsam und fahre am Haus der Alten Oma vorbei, die mich 1999 einfach deswegen nicht aufgenommen hatte, weil ich Deutscher war. Nun, von mir aus sei ihr verziehen. Noch vor 12.00 Uhr komme ich nach Carrion. Ich fahre bis zum Marktplatz, stelle mein Rad ab und suche eine Bar auf. Von außen hatte ich den großen Tresen gesehen mit etlichen Plastikboxen. Ah, denke ich, da sind Esswaren drin, denn etwas kleines essen wollte ich schon. Ich hatte schon den Kaffee bestellt als ich sah, dass in den Behältern die Tipp- und Lottoscheine waren. Was zu essen gab es Boadilla del Camino, Gotischer Gerichtspfeiler
überhaupt nicht, schade. So trank ich meinen Kaffee und begab mich in den kleinen Supermark Spar' und kaufte mir dort noch einige Esswaren. Damit machte ich anschließend am Rande der Stadt Picknick. Bis Sahagun sind es nun noch etwa 40 Kilometer. Die müsste ich am Nachmittag bei den Verhältnissen noch gut schaffen. Doch es trübt sich wieder ein und es gibt zwei bis drei kleinere Schauer. Die tun aber heute nicht weh, zumal es nicht kalt ist. Ich komme wieder an den Resten einer alten Windmühle vorbei, die ich ursprünglich mal für einen Turm gehalten hatte. Der Bau verfällt von Mal zu Mal immer mehr. Die Herberge ich Sahagun befindet sich ziemlich an Anfang der Stadt. Auch heute bin ich nochmals früh dran, die Herberge ist noch verschlossen. Aber man kann einen Seiteneingang benutzen und sich ein Bett einrichten. Maria und Harald sind auch wieder da. Die Herberge ist noch ziemlich neu und befindet sich in einer ehem. Kirche Für die Unterkunftsräume hat man oben im Kirchenschiff eine zweite Decke eingezogen, das hat sich gut gemacht. Man darf sie ruhig zu den besseren zählen. Die Toilettenanlagen sowie der Aufenthaltsraum mit Küchenecke befinden sich in gutem Zustand. Um 16.00 Uhr erscheint eine weibliche Bürokraft und nimmt die Anmeldungen entgegen. Hier erhebt man eine feste Gebühr von 500 Pts. Das ist seit langem mal wieder eine Herberge, wo ich keine Probleme mit der Unterbringung hatte. Nach dem Duschen besichtige ich mit Harald und Maria die kleine Stadt. Zum Abschluss kehren wir in einer Bar ein, wo wir gemeinsam noch einen trinken. Zum Abendessen haben wir uns auch schon ein Lokal ausgesucht, doch das Problem ist, dass es erst um 21.00 Uhr Essen gibt. Diesmal möchte ich schon essen gehen, doch den beiden dauert das zu lange. Die kaufen sich in einem Laden die entsprechenden Waren ein und kochen sich selbst was in der Herberge. Bei dem Rundgang durch die Stadt habe ich an der Kirche San Lorenzo gesehen, dass dort um 19.00 Uhr eine Messe ist. Es ist ja noch viel Zeit, so dass ich dort hin gehe. Wie so oft, und wie auch bei uns zu Hause, sind nur wenige Personen in der Kirche, hauptsächlich ältere Frauen. Sahagun, San Tirso Ich gehe wieder durch die Stadt und hoffe ein Lokal zu finden, wo es früher Abendessen gibt. Aber die haben alle die gleichen Zeiten. In dem auserwählten Lokal nahe der Herberge bewegt sich auch noch nichts. Mit den anderen Pilger warte ich im Schankraum und trinke derweil ein kleines Bier. Pünktlich um neun Uhr werden die Türen zum Speiseraum geöffnet. Zwei Männer bedienten. Es war alles schon weitgehend vorbereitet, es gab eigentlich nur zwei Menüs. Die Abfertigung ging ruck-zuck. Um zehn Uhr waren schon alle mit dem Essen fertig. Ich hatte als ersten Teller ein kalte Platte mit Schinken, Salami und Käse. Danach gab es eine rote Bratwurst mit zwei Spiegeleiern, Bratkartoffeln und Salat. Als Nachtisch nahm ich mir diesmal Obstsalat. Der obligatorische Wein und Brot standen auch auf dem Tisch. Mir hat es sehr gut geschmeckt und ich bin gut satt geworden. Es hat 1.200 Pts gekostet. Die Herberge war als ich weg ging noch gar nicht so stark belegt, aber nun, bei meiner Rückkehr, waren kaum noch Betten frei. Heute war insgesamt ein schöner Tag, an dem ich mich sehr zufrieden und mit einem echten Glücksgefühl zu Bett legte. Mit dem Knie hielte sich die Beschwerden in Grenzen, ich bin heute wieder voller Zuversicht. Gefahren hatte ich 90,6 Km, in 5,40 Std. bei 16,1 Km/h. Insgesamt sind es nun 1.297 Km.
18. Tag, Freitag, 11. Mai 2001 Sahagun- Villadangos
Heute war ich schon sehr früh wach, warte aber noch etwas mit dem Aufstehen. In unserer Box mit 8 Betten schläft noch alles. Doch schließlich bringt das ja nichts, also heißt es aufstehen. Schon vor sieben war ich im Waschraum und mache mir in der Küchenzeile mein Frühstück. Anschließend wird gepackt und das Fahrrad beladen. Heute ist vom Wetter her ein super Tag, ich würde sagen der beste bisher. Auf einem Feldwirtschaftsweg kann man mit dem Rad bis zur nächsten Stadt, Mansilla, fahren. Allerdings ist der Belag überwiegend Schotter, so dass man kräftig durchgeschüttelt wird. Ich habe den Weg ja schon zweimal gefahren, nun reicht es mir. Diesmal benutze ich die N 120 bzw. N 601. Das sind zwar etliche Kilometer mehr, aber der Fahrkomfort ist doch bedeutend besser. Der Verkehr ist allerdings oft sehr stark , doch bietet der abgetrennte Fahrstreifen für die Radfahrer eine relativ gute Sicherheit. Ich jedenfalls habe keine Schwierigkeiten damit. Abgesehen von einer Trink- und Ruhepause fahre ich die mehr als 40 Kilometer praktisch an einem Stück. Kein Problem, das Gelände ist ja immer noch flach.
Brücke über den Ceja bei Sahagun
Im Spätsommer diesen Jahres, noch bevor ich diesen Bericht fertig habe, bin ich die Strecke von Santa Marta bis Mansilla bzw. Leon nochmals gefahren, das heißt als Zuschauer der Spanien-Radrundfahrt am Fernsehen. Das hat mich sehr gefreut. Die Orte, durch die ich in Spanien komme, kenne ich ja mittlerweile fast alle mehr oder weniger. So kann ich bisweilen auf zeitaufwendige Besichtigungen zum Teil verzichten. So auch in Mansilla de las Mulas. Heute ist hier Markttag. Eine Menge Leute bewegen sich um die Verkaufsstände. Natürlich mache ich hier einen kleinen Aufenthalt und schlendere über den Platz. Aber außer etwas Obst habe ich ja nichts zu kaufen. Eine Gruppe spanischer Radfahrer kommt auch zum Platz, die kenne ich doch. Klar, die haben doch in Sahagun neben mir geschlafen. Einer spricht deutsch, wie er mir sagte, ist er sogar in Mannheim geboren. Sie wollen hier was essen. Das sind junge Leute, die ein großes Tagesprogramm absolvieren. So etwa um 150 Km, jeden Tag. Im Restaurant, wo ich bei der vorhergehenden Tour mit den beiden Deutschen aus Bad Breisig gegessen hatte, trinke ich eine Tasse Kaffee und esse eine Portion Tortilla. Ich habe es schon erwähnt, dass heute sehr schönes Wetter ist. Zum ersten Mal auf der ganzen Tour, kann ich nun mal die Beinlinge ausziehen und in der kurzen Hose fahren. Jetzt geht es auf Leon zu. Schon vom Namen her ist dies eine der bekanntesten spanischen Städte und auch eine der größten, durch die die Pilger kommen. Sie hat eine große Vergangenheit und ist reich an Sehenswürdigkeiten, allem voran, die Kathedrale, die Basilika San Isodoro und das ehem. Kloster San Marcos mit seiner Kirche. Auch viele historische Gebäude, Plätze und Anlagen machen die Stadt für die Besucher interessant. Leider ist meistens die Zeit etwas begrenzt, so dass manches nicht so wahrgenommen wird, wie es eigentlich angebracht sein sollte. Dass allerdings die Kathedrale während der Mittagszeit bis 16.00 Uhr geschlossen ist, hat mich schon etwas gestört. Gerne hätte ich mir noch mal das Innere dieses gotischen Prachtbaus, insbesondere die vielen bunten Glasfenster angesehen. Auf dem Platz vor der Kathedrale treffe ich wieder die spanischen Radfahrer. Der deutsch sprechende ist sehr an einem Kontakt interessiert. Mich freut die Begegnung ebenfalls und lasse mir von einem ein Foto mit der Gruppe machen. Von einer Bank, auf der zwei Paare sitzen, dringen deutsche Worte herüber. Interessiert gehe ich näher und spreche sie an. Es sind Landsleute von mir, aus Mangelhausen bei Heusweiler. Sie sind Fußpilger und haben sich die Gesamtstrecke auf drei Jahre verteilt. Heute haben sie die mittlere Etappe abgeschlossen und fahren mit dem Zug nach Hause. Langsam fahre auch ich durch die Stadt weiter, vorbei an einigen der vorerwähnten Sehenswürdigkeiten. Über die Brücke bei San Marcos fahre ich aus der Stadt hinaus. Bis zu meinem Tagesziel Villadangos sind es nun nur noch etwas mehr als 20 Kilometer. Hier habe ich bisher auch noch nicht übernachtet. Ich werde von Maria und Harald begrüßt, die sich schon eingerichtet haben. Wenn wir uns treffen, sind sie immer schon vor mir da. Die Schlafboxen haben je zwei Bettgestelle mit drei Etagen, also Platz für 6 Personen. Eine offizielle Person ist noch nicht da, so dass sich jeder einen freien Platz selbst suchen kann. Es sind schon etliche Pilger da. Besonders groß ist die Herberge nicht. Die oberen Betten sind noch fast alle frei. Doch lieber wäre mir schon etwas in der Mitte, denn unten habe ich absolut keine Chance. In zwei der Kammern sehe ich noch freie mittlere Betten. Doch als ich eines davon belegen will, kommt eine resolute Frau herzu und herrscht mich in deutsch an, es sei alles belegt, auch die oberen Betten. Sie war eine Französin aus dem Elsaß. Nun, das musste ich ja glauben, stellte aber am Abend fest, dass dem nicht so war. Offensichtlich wollte sie mit ihrer Gruppe für sich allein sein. Ich finde derartiges Verhalten sehr unfair. Schließlich hatte ich alle Räume inspiziert, ohne was in der mittleren Etage gefunden zu haben. Ich mache also die gleiche Runde noch einmal und komme an eine Box, wo die beiden oberen Betten noch frei sind. Ich erkundige mich, ob sie auch tatsächlich nicht belegt sind. Ein anwesender Mann meint, ich könne da Platz nehmen. Ich werfe regelrecht mal meine Lenkertasche und den Fotoapparat hoch zum Zeichen, dass es mein Bett ist. Dann lade ich mein Fahrrad ab und trage das Gepäck zum Schlafraum. Nun stellte sich der Herr, mit dem ich eben gesprochen hatte vor. Er sei Amerikaner, 55 Jahre alt und hieße James. Die anderen Personen seien seine schon erwachsenen Kinder, zwei Töchter und ein Sohn. Er sprach gut deutsch. Das führte er auf seinen langen Aufenthalt in Holland zurück, wo er 30 Jahre lang eine Firma geleitet habe. Er habe während meiner kurzfristigen Abwesenheit mit seinen Kindern gesprochen und sie hätten eine neue Ordnung beschlossen: Ich müsse mich unbedingt in das eine untere Bett legen, er selbst belegt das andere. Die beiden Töchter kommen in die mittlere Etage und der Sohn muss ganz oben liegen. Nein das möchte ich nicht, doch der Einspruch nützt nichts. Ich fand ihr Verhalten sehr nett. Sie waren auch in anderen Dingen großzügig, so hatten sie z.B. einen großen Topf mit Reis gekocht und diesen entsprechend lecker mit Gemüse und einer Soße angerichtet. Was sie selbst nicht essen konnten, boten sie anderen Pilgern an, so dass nichts weggeschüttet werden brauchte. Harald war inzwischen schon unterwegs gewesen, um noch andere Esswaren einzukaufen. Er war eigentlich von schmächtiger Figur, mal mit mir verglichen, doch essen konnte er gut. Die Sorge um das tägliche Brot' lag ihm sehr am Herzen. Nach einer Essenpause machte er sich schon wieder auf den Weg, um nun ein Lokal zum Abendessen ausfindig zu machen. Da gingen wir später gemeinsam hin. Auch hier hatten er eine gute Spürnase gehabt. Mit dem Wirt hatte er schon Kontakt aufgenommen und der begrüßte uns überschwenglich. Das Lokal war sehr schön und rustikal eingerichtet. Hinter dem Tresen hingen einige große Schinken. Mit Stolz zeigte uns der Patron seinen Grillofen, den er anschließend anfeuerte. Doch etwas frustriert stellten wir schließlich fest, dass wir außer einem weiteren Mann, die einzigen Gäste in dem großen Lokal blieben. Das Essen war sehr gut. Wie gestern gab es zunächst wieder einen Teller mit Wurst, Fleisch und Käse. Auf dem zweiten Teller befanden sich zwei schöne Koteletts und Pommes, Salat haben wir extra bestellt. Wir verbrachten einen angenehmen und unterhaltsamen Abend. Erst auf dem letzten Drücker zogen wir gegen 22.00 Uhr zu Herberge. Um diese Zeit soll ja alles schon daheim' sein. Nun war doch heute ein so schöner und auch warmer Tag, dennoch spüre ich am Abend ein Kratzen im Hals. Sollte etwa eine Erkältung im Anzug sein?. Vorsorglich nehme ich mal wieder zwei Kapseln Tempil, die helfen mir ja gut. Die Schmerzen im Knie sind heute nicht besonders spürbar aufgetreten. Heute hatte ich 6,06 Stunden im Sattel gesessen und dabei in einem Schnitt von 14,46 Km/h 88,55 Km gefahren.
19. Tag, Samstag, 12. Mai 2001 Villadangos Molinaseca Bei der Familie James habe ich sehr gut geschlafen, Ich hatte nur Bedenken, ob ich vielleicht geschnarcht hätte. Doch man sagte mir, es habe niemand was gehört. Sie sind schon früh auf den Beinen. Mir ist das recht. Ich raffe meine Sachen zusammen und begebe mich zu meinem Gepäck, das ich in einer Eckes des Flurs abgestellt hatte. Hier war ich für mich alleine und auch die Familie James unter sich. Mit dem Frühstück war ich zeitig fertig, etwas vor den Borkener. Zum Packen brauchte Harald seine Zeit, wenn er auch sonst flott war. Bei James hatte ich mich schon bedankt für die nette Aufnahme im Kreise seiner Familie. Er war schon einige Zeit mit den Töchtern unterwegs, während der Sohn nicht so recht aus den Startlöchern kam und sich noch einige Zeit länger in der Herberge aufhielt. Gegen 08.00Uhr fuhr auch ich los. Das Wetter ist zum Fahren sehr gut, wenn auch nicht so wie gestern. Der Fußweg der Pilger führt eine größere Strecke neben der Straße her. Die Fam. James hat schon ein gutes Stück zurückgelegt, als ich sie einhole. Ich mache noch ein Foto von ihnen und verabschiede mich endgültig von ihnen. Ich werde sie nun nicht mehr treffen. Wunderbare Leute. In Puente de Orbigo mache ich einen Abstecher zur bekannten Brücke, von der der Ort seinen Namen hat. Bei der Weiterfahrt schiebt nun ausnahmsweise mal der Wind etwas von hinten, so dass es sehr flott vorangeht. Bis Astorga erreiche ich einen Schnitt von über 20 Km/h. Hier kehre ich heute zum drittenmal in derselben Bar ein. Ich lasse mir ein Sandwich machen und trinke einen Cafe con leche. Doch das Brötchen packe ich diesmal nicht, ich esse den Schinken herunter und lasse den Rest liegen. Dann wird es noch interessant: In einer Ecke des Lokals sitzt eine Frau mit ihrem Rucksack, eine Fußpilgerin also. Man hat sich anfangs mal zugenickt, aber damit hatte es sich. Erst als ich aufbrechen will, merke ich, das sie deutsch spricht. Also redete ich mit ihr. Doch da kam ich aus dem Staunen nicht heraus, Sie ist Schweizerin und ist seit 71 Tagen ab Basel auf der Wanderschaft. Heute ist der 72. Tag. Sie heißt Erika und will noch über Santiago hinaus bis Finistera ans Meer gehen. Das war noch eine interessante Begegnung mit dieser Frau. Zum Abschluss kann ich sie noch zu einem Erinnerungsfoto bewegen. Während sie noch die Stadt besichtigen möchte, setze ich mich in Richtung Rabanal in Bewegung. In dem schön renovierten Ort Castrillo de los Polvozares mache ich eine kleine Besichtigungspause. Wenngleich ich schon zweimal hier war, lohnt sich das Umsehen doch immer wieder. Nun sind aber die flachen Wegstrecken vorerst vorbei. Und schon an der ersten Steigung in Richtung Rabanal fahren Harald und Maria zu mir auf. Wir bleiben eine Weile zusammen, doch deren Tritt ist mir letztendlich etwas zu schnell. Ich lasse sie also vorfahren. Nun geht es auf den höchsten Punkt der Fahrt zu. Der Boden ist karg und nur spärlich landwirtschaftlich genutzt. Es gibt nur wenige, ärmliche Orte hier, wie z.B. Santa Catalina und el Ganso. In Rabanal befindet sich die von der englischen St. Jakobsbruderschaft betreute Herberge, die bei den Pilgern einen ausgesprochen guten Ruf genießt. In meinen vorhergehenden Berichten ist hierüber was nachzulesen. Harald und Maria treffe ich in Nähe dieser Herberge. Sie haben ihre Pause schon hinter sich und können sich nicht recht entschließen, ob sie weiterfahren sollen oder nicht. Es ist gerade mal 14.00 Uhr. Aber die Herberge wird nicht vor 15,30 Uhr geöffnet. Da müssten sie ja noch längere Zeit warten. Ich sage, das ich zunächst mal in der Bar eine Pause machen und dann zum Cruz de Fero (Eisenkreuz) fahren werde. Das ist ja bald der höchste Punkt, und dann geht es bis Molinaseca ja nur noch bergab. Dort werde ich übernachten. Sie entschließen sich ebenso und fahren schon mal vor. Nach der Kaffeepause geht's auch bei mir weiter. Doch jetzt wird es schwierig. So steil und so hoch hatte ich die Anstiege gar nicht in Erinnerung. Man konnte fast meinen, sie seien seither gewachsen. Im Ernst, das war sehr, sehr schwer. Bis Foncebadon, einem halb verfallenen und schon mal für längere Zeit gänzlich verlassenes Dorf, schiebe ich mich langsam hoch. Man ist nun dabei, den Ort wieder aufzubauen. Eine Herberge soll es schon geben. In den Ort hinein fahre ich nicht, am Rande mache ich eine ausgedehnte Ruhepause. Das nun kommende Straßenstück hat es besonders in sich. Schon die ganze Zeit konnte man in der Anfahrt sehen, wie sich der Weg am Berg hochzog. Da geht es noch mehr zur Sache. Der kleine Gang ist ohnehin nur drin, da muss ich schon mal eine Pause mehr einlegen. Endlich kommt die große Kurve, wo es etwas flacher wird. Ah ha, denke ich, nun bin ich oben. Aber nein, die Straße führt nur etwas um den Berg herum, aber immer noch aufwärts. Ich denke, soll ich nicht besser doch absteigen und das Rad schieben?. Das wäre zwar keine Schande, aber für mich doch so was ähnliches. Die steilste Stelle fahre ich in Schlangenlinien hoch. Aber dann: Oben!! Bis zum Kreuz ist es zwar noch ein Stück, doch da geht es ziemlich eben weiter. Am Kreuz hält ein Bus aus Düsseldorf, der mit einer Reisegruppe unterwegs ist. Der Fahrer hatte die Leute in Foncebadon aussteigen lassen und die kommen nun den Fußpfad hoch. Das ist deren Pilgerweg. Ein Mann ist mit dem Bus hierher gekommen. Mit ihm kam ich ins Gespräch und er meinte, wenn ich etwas früher dran gewesen wäre, hätte ich zwei weitere deutsche Radfahrer getroffen. Ich sagte, dass ich die kennen und heute abend wieder treffen würde. Das Eisenkreuz befindet sich ja auf einem hohen Baumstamm, der auf einem großen Steinhaufen steht. Die Steine sind in der Vergangenheit von den Pilgern hier abgelegt worden. Sie haben sie teilweise schon von zu Hause mitgebracht. Aus den vergangenen Jahren sind auch welche von mir dabei. Der Stamm des Kreuzes ist übrigens im letzten Jahr erneuert worden.
Das Eisenkreuz (Cruz de Ferro) bei Rabanal
Der Düsseldorfer bietet sich an, mir ein Foto zu machen. Nun kommen auch schon die anderen Mitglieder der Gruppe an. Ich ruhe zunächst mal eine Weile. Ganz oben bin ich immer noch nicht. Der höchste Punkt liegt beim Militärgelände an einem weiteren Kreuz. Dort sind es 1.515 m. Das ist nun absolut die höchste Stelle des Jakobsweges nicht nur hier in Spanien, sondern auf meiner Fahrt insgesamt. Von Orbigo aus, das liegt bei etwa 820 Hm sind es somit immerhin rund 700 Hm gewesen. Doch es ist geschafft, denn nun geht es in flotter Fahrt bis Molinaseca wieder 900 Hm abwärts, und wie. Aus Erfahrung weiß ich, dass hier Radfahrer abfahren, die nicht wissen, wie bremsen' geschrieben wird. Meine Sache ist das nicht, ich lasse keine allzu große Geschwindigkeit aufkommen. Oft habe ich sowohl die Hinterrad- als auch die Vorderradbremse gleichzeitig gezogen. Ich möchte zudem auch noch was von der Landschaft sehen. Das Wetter hat sich im Laufe des Tages, den man ja bekanntlich nicht vor dem Abend loben soll, mal wieder verschlechtert. Es ist nun stark bewölkt, aber noch trocken. Auch sind die schneebedeckten Berge ringsum noch frei. Auch auf dieser Seite des Rabanal Passes ist das Land sehr karg, doch an den Hängen stehen die Büsche in voller Blüte, hauptsächlich Ginster, der hier sowohl gelb als auch weiß blüht. Das sind sehr schöne Anblicke. Die Herberge in Molinaseca ist auf der anderen Seite des Ortes in Richtung Ponferada. Ich muss also zuerst durch den Ort fahren. Harald und Maria warten schon. Ich habe Glück und bekomme noch ein Bett unten. Da bin ich froh drüber. Ich weiß nicht, ein Bett in der oberen Etage hat mir bisher nichts ausgemacht und nun meide ich es, so gut ich kann. Das ist das Alter. Die Herberge ist zwar nicht so groß, hat aber Waschmaschine und Trockner. Doch zuerst werde ich was essen, Harald und Maria ebenso. Zwei junge Männer setzen sich in gleiche Absicht zu uns. Sie haben sich ein Nudelgericht gekocht. Deutsch reden sie auch. Und siehe da, es sind schon wieder Saarländer. Sie kommen aus Hülzweiler und Körprich und gehen den Weg nach Santiago zu Fuß. Einer der beiden heißt mit Familienname Engel und sagt mir, dass seine Mutter Pfarrsekretärin in Hülzweiler sei. Da muss ich mal gleich beim abendlichen Rückruf Hans fragen, ob er die kennt. Natürlich kennen er und Waltraud die Frau. So was! In einem Laden im Ort versorge ich mich mit Esswaren für den nächsten Tag, einem Sonntag. Als ich zur Herberge zurückkomme gibt es Ärger. Es gibt doch rücksichtslose Leute, auch unter den Pilgern. Da hat doch eine weibliche Person tatsächlich ihre Unterwäsche an der einen Längsseite meines Bettes zum Trocknen aufgehängt. Das geht mir entschieden zu weit. Bevor ich sie abreiße, mache ich die Besitzerin ausfindig, ein schnippisches Ding. Ich fordere sie unmissverständlich auf, die Stücke sofort zu wegzunehmen. Da spielt sie noch die Beleidigte. Zum Abendessen gehen Maria, Harald und ich in den Ort . Unterwegs werden wir von einem Gewitterschauer überrascht. Im Ort gibt es mehrere Restaurants und somit vielfältige Angebote. Einer macht dem anderen Konkurrenz. Wir entschließen uns für ein Lokal, wo ein Pilgermenü für 1.000 Pts. angeboten wird. Ich nehme als ersten Teller Makkaroni Bolognaise, eine Portion, die ich einfach nicht schaffe. Als zweiten Teller gab es wieder 2 Kotelett mit Kartoffeln. Salat gehörte diesmal dazu. Harald und Maria aßen Fisch, sah auch gut aus. Dazu natürlich Brot und Wein. Das war einfach nicht möglich, alles aufzuessen. Nachtisch gab es auch noch, diesmal Pudding, super! Heute habe ich wieder 88 Km gefahren. Der Durchschnitt war trotz des Passes 13,8 Km/h. Dafür habe ich 6,25 Std. gebraucht. Gesamt Km 1.473. Gesundheitlich fühle ich mich heute recht wohl, aber ich bin sehr müde. 20. Tag, Sonntag, 13. Mai 2001 Molinaseca Triacastella
Nach dem Frühstück in der Herberge gibt es für Harald eine böse Überraschung. Er kennt sich mit dem Fahrrad sehr gut aus und überprüft die Funktionsfähigkeit laufend. Vor der Abfahrt stellt er fest, dass an seinem Vorderrad die Felge regelrecht durch gebremst ist. Die war an einer Stelle so dünnwandig wie eine Zeitung. Damit konnte er beim besten Willen nicht mehr viel machen. Nun, was tun?, In dem kleinen Ort Molinaseca gab es keine Möglichkeit, den Schaden zu beheben, schon gar nicht am Sonntag. Er muss eine neue Felge haben. Bis nach Ponferada, der nächsten großen Stadt sind es nur etwa 7 Kilometer, überwiegend eben. Das müsste er bei vorsichtiger Fahrweise schaffen. Doch ob er dort heute jemand findet, der ihm helfen kann? Ich habe ihn später von zu Hause angerufen und wollte dabei auch wissen, wie die Sache ausgegangen ist. Er hat dort tatsächlich am Sonntag einen Reparaturbetrieb gefunden, dessen Besitzer anwesend war. Doch der konnte ihm dummerweise nicht sofort helfen. Sie mussten bis zum nächsten Tag (Montag) in Ponferada bleiben. Zwei junge Saarländer aus Hülzweiler und Körprich
Ich musste mich also in Molinaseca von den beiden verabschieden. Schade, es war nach der Tagesetappe schön, wenn ich mit ihnen zusammentraf. Es waren zwei sympathische Leute. Bei ihrem Problem konnte ich ihnen nicht helfen, so zog ich alleine weiter. Das Wetter ist noch recht gut, vom Regen gestern abend ist nichts mehr zu sehen, Aber es ist noch stark bewölkt. Und kühl ist es wieder geworden. Ohne Wetterjacke geht nichts. Die beiden Jungen sind auch schon unterwegs, im Vorbeifahren grüße ich sie nochmals. Ponferada ist eine große Stadt, wo ich mich bisher noch nie lange aufgehalten habe. Heute ist zwar Sonntag und kaum Verkehr, aber ich mache dass ich weiterkomme. Bis Villafranca del Bierzo bin ich bisher über die Dörfer gefahren. Heute aber fahren ja kaum Lkw und da nehme ich die alte N VI, da lässt sich sehr gut fahren. Schon gegen 11.30 Uhr bin ich in Villafranca. Hier mache ich zunächst eine ausgiebige Pause mit Kaffee und Kuchen. In dieser Bar habe ich mal feinen Käsekuchen gegessen (wie zu Hause), doch heute gab es Nußtorte, war auch ganz gut. Nun kommt wieder ein sehr starker Anstieg nach Cebreiro. Auf den 25 Kilometer sind etwa 800 Höhenmeter zu überwinden, von 511 auf 1.300 Hm. Wegen des heute geringen Verkehrs wollte ich mal wieder die neue N VI fahren, die geht gleichmäßiger hoch. Ein Problem könnte es auf den langen Viadukten geben, wenn der Wind kräftig weht. Da kann es schon mal brenzlig werden. Aber am Anstieg finde ich mich nicht mehr zurecht. Die neue Straße ist inzwischen auch schon eine alte, bzw. zum Teil ganz verschwunden, denn es wird schon wieder gebaut und zwar ein Zubringer zur Autobahn Madrid La Coruna. Dieser führt nun zum Teil über die Trasse der ehem. neuen Straße. Nun, die ganz neue Straße fährt sich prima, sie ist auch wesentlich breiter als die andere. Aber bergauf ist bergauf. Also bis Pedrafitta geht es noch ganz gut, doch dann kommt der schwerste Abschnitt. Und was mir gestern der Wind gegeben hatte, das holt er sich heute wieder zurück. Ab dem Sattel in Pedrafitta bläst er mir kräftig ins Gesicht. Da wird die Weiterfahrt schon ein hartes Stück Arbeit, Ich muss ein paar mal anhalten um mich ausruhen. Einmal rutsche ich beim Anfahren von den Pedalen ab und muss ganz vom Rad herunter. Es ist mir nicht mehr möglich aufzusteigen, ich muss halt eben mal gut 100 Meter schieben. Da fällt mir was ein, das ist die Stelle an der Werner und ich etwas hämisch zwei Radfahrer angesehen haben, als sie hier auch schieben mussten und wir vorbeigefahren sind. Wie sagten unsere Vorfahren? Es rächt sich alles auf Erden' und hier habe ich's schon. Doch dann geht es doch wieder mit dem Fahren weiter und schließlich bin Ich oben. 'Alto de Cebreiro, 1.300 m. steht auf dem Schild. Ich denke, dass ich mir nun wieder einen Kaffee und eine Pause verdient habe. In einer Bar sitzen zwei Einheimische und halten Wache, sie rufen die Mutter, als ich hereinkomme. Das Lokal ist recht ordentlich, nur kein Betrieb. Ich esse auch noch eine Bocadillo. Die Leute wollen was von mir wissen. Nun, das Wörterbuch sowie Hände und Füße müssen zur Verständigung herhalten. Der Ort Cebreiro besteht nur aus ein paar Häusern, die meisten davon habe ich schon mal fotografiert, ich kann mir die Durchfahrt ersparen. Auf einer Böschung am Ortende steht über der Straße die große Herberge, an die ich gute, aber auch weniger gute Erinnerungen habe. Von hier hat man eine wunderbare Aussicht auf das umliegende Bergland. Nach ein paar Hügeln, auf und ab, geht es zum Alto del Pojo hoch, Auch hier wird das letzte Stück etwas schwierig. Oben grüßt der eherne Pilger mit dem Stab in der Hand die Vorbeiziehenden. Apropos Vorbeiziehend: Im Moment ziehen hier Regenschauer vorbei, einer hinterläßt einen Regenbogen, den ich versuche zu fotografieren. Bei der Weiterfahrt wird es weiter happig. In dem winzigen Dörfchen Vilar muss ich mich gleich zwei mal vor dem Regen unterstellen. Andere Unterkunftsmöglichkeiten, Herberge oder Hotel gibt es hier nicht. Also muss ich weiter. Ich denke, Triacastella ist nicht mehr weit. Dort werde ich sicher unterkommen. Als ich dann um die nächste Bergkuppe biege, hängt ein rabenschwarzer Himmel vor mir. Oh weh, denke ich, wo der seine Ladung abläßt, da wird es schlimm. Ich sehe schon, wie die langen Regenfahnen herabhängen, da gibt es für mich kein Entrinnen mehr. Nun bin ich zudem auch noch in der langen Abfahrt mit etlichen Serpentinen vor Triacastella, wo ich beim letzten mal von dem starken Wind, oder eher Sturm, fast umgeblasen wurde. Der Regen kommt immer näher und auch der Wind setzt wieder ein. Was ist das hier nur für eine Gegend?. Weit und breit ist keine Unterstellmöglichkeit zu sehen, nur kleine Büsche, da kann ich doch nicht unterkriechen. Nun bin ich direkt vor der Wetterfront, die ersten Tropfen fallen. Doch das ist kein Regen, sondern Hagel. Mensch, wie die Körner auf der Haut picken! In einer engen Kurve erblicke ich eine Felswand, vor der ein etwas größerer Strauch steht, Das ist wenigstens etwas, denke ich und fahre direkt drauf los. Eilig nehme ich das Regencape aus der Tasche und schiebe das Rad soweit wie möglich in die Hecke. Dann lege ich mich förmlich darüber und ziehe das Cape über mich. Der Hagel geht in Regen über und der prasselt regelrecht auf mich herab. Das ist vielleicht eine ungemütliche Situation. Das Wasser läuft mir zum Teil an den Beinen herunter bis in die Schuhe. Ich muss mal meine Position ändern. Schließlich gibt sich das Wetter. Es macht keinen Sinn zu warten, bis es ganz aufhört. Ich werde weiterfahren, langsam beginne ich zu frösteln. Schnell ziehe ich noch den Regenschutz über die Taschen und steige auf.
Ich ziehe den Poncho bis über den Lenker und halte ihn mit den Händen fest. So bietet er den besten Schutz. Ich kann nur sehr langsam fahren, die Finger sind steif, die Beine und Füße werden kalt. Ist das eine ärgerliche Situation, so knapp vor dem Ziel, es sind noch höchstens 4 Kilometer bis Triacastella, in knapp 10 Minuten wäre ich dort gewesen. Ich hole mir vor, am ersten Hotel abzusteigen und dort ohne weitere Fragen mir ein Zimmer zu nehmen. Doch zunächst muss ich mich nochmals unterstellen. Ich bin nun schon etwas tiefer, hier gibt es Bäume, die etwas Schutz bieten. Aber noch bin ich nicht in Triacastella. Endlich bin ich an den ersten Häusern des Ortes. Ein Wegweiser zeigt nach links zur Herberge. Nein, da möchte ich heute ja nicht hin. Doch zuerst muss ich schon wieder beim nächsten Schauer anhalten. Diesmal stelle ich mich in einen an der Straße stehenden Rohbau. Doch ich muss mich in Bewegung halten, es wird immer kälter. Die Zähne fangen an zu klappern, verdammte Sch.....! Zwei Häuser weiter haben sich drei Mädchen untergestellt. Die kommen nun in ihren Anoraks die Straße hoch. Ich bleibe noch einen Moment stehen und winke sie zu mir herüber. Wo das nächste Hotel sei?, wollte ich von ihnen wissen. Es sind Pilgerinnen aus Dänemark, eine spricht gut deutsch.
Triacastella, Pilgerherberge
Sie wissen es nicht, doch warum ich nicht in die Herberge kommen wolle, meinten sie. Die sei doch sehr in Ordnung. Sie konnten mich überzeugen und so ging ich mit ihnen. Das waren nur ein paar Schritte. Die Herberge bestand aus drei einzelnen Häusern. Der Verwalter hatte gerade das erste voll belegt und fing bei meiner Ankunft mit dem zweiten an. Er wies mich in ein Vierbett Zimmer ein. Es kamen nun nur noch wenige Pilger an. Der Boss meinte es gut mit mir, ich konnte allein im Zimmer bleiben. Das gefiel mir besonders, da war gute Möglichkeit, die durchnäßten Sachen zum Trocknen aufzuhängen. Als Obolus konnte man eine freiwillige Spende machen, ich gab 500 Pts. Nach dem Duschen und dem Einschmieren des Knies, das sich heute wieder stärker bemerkbar gemacht hatte, ging ich in die Bar nebenan. Eigentlich nennt sie sich ja Restaurant. Hier trank ich zuerst einen Mirabellen Schnaps zur Stärkung des Immunsystems, danach noch einen Kaffee. Die Gaststube war übrigens gut aufgewärmt, das konnte ich gebrauchen. In dem Haus sah es nicht nach Essen aus, deshalb fragte ich danach. Ja, sagte die Bedienung, man habe Abendessen. Also werde ich zur rechten Zeit wiederkommen. Ich legte mich zunächst noch eine gute Stunde in den Schlafsack. Gegen 20.00 Uhr ging ich dann wieder ins Lokal. Eine Speisekarte konnte man nicht vorlegen. Die Bedienung zählte das geringe Angebot auf. Was ich zuerst verstand, war Suppe, und das war gut, die wärmte auf. Dann konnte ich noch Lomo verstehen, das sind gebraten Fleischstücke aus der Lende. Und wo versteht man Pommes nicht?, so war das Essen bestellt. Als Nachtisch nahm ich wieder Pudding, dazu natürlich auch Wein und Brot. Ich muss sagen, dass ich zumindest gut satt geworden bin, wenngleich es nicht die Qualität von gestern hatte. Doch was soll's?. Über den Preis, 1.000 Pts kann man ohnehin nicht viel sagen. Heute habe ich in etwa wieder genau so viel gefahren, wie an den beiden letzten Tagen: 87,21 Km, in 7,08 Std., Durchschn. 12,22 Km/h. Gesamt Km: 1.560, es sind noch etwa 150 Km bis Santiago, ein Silberstreif am Himmel. Fazit: Die heutige Etappe war nicht gerade leicht, zunächst die steilen Anstiege und dann am Nachmittag das scheußliche Wetter. Doch es geht morgen wieder weiter.
21.. Tag, Montag, 14. Mai 2001 Triacastella Pallas die Rei
Gestern hatte ich ganz vergessen, den Verwalter nach einer Küche zu fragen. Als ich heute morgen danach suchte, fand ich nichts. So werde ich kurz was essen, alles weitere ergibt sich im Laufe des Vormittags. Zunächst aber regnet es noch in Schauern, so dass ich die Abfahrt noch etwas hinauszögere. Doch dann nehme ich die erste größere Wolkenlücke zum Anlass, um abzufahren. Jedoch ich kam nicht allzuweit Schon kurz hinter dem Ort musste ich anhalten und das Regencape und anziehen sowie den gelben Überzug für die Packtaschen anbringen. Bis zum Kloster Samos gibt es weitere kleinere Güsse, aber da fahre ich durch. Die Pforte am Kloster ist noch verschlossen. Vom Pförtner, der deutsch kann aber nur dann spricht, wenn er will, ist nichts zu sehen. Ich wollte mir eigentlich nur den Stempel in meinem Pass drücken lassen. So fahre ich wieder ca. 100 m bis zur Herberge zurück. Aber da ist auch niemand. Doch daneben ist eine zum Kloster gehörende Tankstelle und der Tankwart kann mir helfen. Er hat auch einen Stempel vom Kloster. Etwas weiter in Fahrtrichtung rechts befindet sich eine Bar, wo ich mein Frühstück in etwa nachholen werde. Ich esse ein Croissant und trinke einen Kaffee. Bei regnerischem Wetter geht's dann weiter bis Sarria. Mal habe ich den Poncho an, dann kann ich ihn wieder für eine Weile ausziehen. Den Fotoapparat, den ich ja sonst immer vor mir auf dem Bauch hängen habe, brauche ich vorerst nicht und habe ihn in die Tasche gepackt.
So bietet mir heute auch Sarria keinen besonderen Anreiz zum Aufenthalt. Lediglich den mit Mosaik ausgelegte Bürgersteig am Ausgang der Stadt betrachte ich vom Rad aus. Geographisch befinde ich mich nun schon in Galicien, wozu auch Santiago gehört. Das ist an sich eine etwas ärmliche Region, kaum Industrie mit Arbeitsplätzen für die Bewohner. Für eine karge Landwirtschaft reicht es gerade. Die Dächer der Ställe und anderen Nebengebäuden der Höfe sind oft noch mit großen Steinplatten gedeckt. Das Fahren wird nun noch schwerer. Neben dem Regen, ich muss mich bis Portomarin noch zweimal unterstellen, richten sich die Berge immer höher vor mir auf. In Portomarin habe ich keinen Gedanken an die Stadt, die liegt nämlich auch wieder auf dem Berg. Nach Überqueren der Staumauer fahre ich ohne anzuhalten gleich links weiter. Wenn irgendwie möglich, möchte ich heute doch noch bis Pallas de Rei kommen, Ligonde wäre mir auch schon recht. Mit neuen Vorsätzen geht es an das letzte Teilstück der heutigen Etappe. Als erstes kommt der Anstieg vor der keramischen Fabrik. Es beginnt wieder zu regnen, im halben Berg stelle ich mich unter einem Akazienbaum unter. Die Ruhepause kommt mir allerdings nicht ungelegen. Mit den Kräften ist es nicht mehr so weit her, doch das ist noch nicht alles. Beim Anfahren am Berg, das ist ohnehin öfters etwas schwierig, springt die Kette am hinteren Zahnkranz mit lautem Geräusch über. Schnell halte ich wieder an, kann aber die Ursache nicht ergründen. Auf der relativ breiten Straße fahre ich dann mal quer zur Straße an, da ist die Steigung geringer. Das geht, es tut sich nichts. Also kann ich weiterfahren, halte aber immer die Ohren gespitzt. Ich bin schon fast oben, als ich aus dem Sattel gehen muss, und da habe ich das gleiche Malheur wie eben. Den Rest der Steigung schiebe ich nun. Dann kontrolliere ich nochmals den Lauf der Kette und schalte mehrmals durch. Aber einen Defekt kann ich nicht erkennen. Was tun? Auf der Ebene läuft es ja wieder. War die Kraftübertragung am Berg etwa zu viel?, könnte ja sein. Am Berg werde ich jedenfalls etwas vorsichtiger fahren, evtl. an steilen Passagen mal schieben. Das wäre ja nicht so schlimm, so käme ich jedenfalls weiter. Bis Santiago habe ich ja nur noch etwa 100 Km. Vielleicht finde ich unterwegs auch eine Werkstatt. Ein neuer Schauer setzt in einem Waldstück ein. Doch nun beginnt ein Stück des Weges, wo an den Bushaltestellen nicht nur die Schilder, sondern auch Wartehäuschen stehen. Jetzt habe ich das Glück, ein solches anzutreffen. Da lässt sich gut warten. Das ist auch Gelegenheit, mal wieder Picknick zu machen, denn vor lauter Problemen habe ich schon lange nichts mehr gegessen. Die Aussichten auf Wetterbesserung sind nicht besonders gut, wenngleich sich ab und zu auch mal ein Stück blauer Himmel zeigt. In meinem Führer sind ja noch etliche Orte eingezeichnet, aber das sind meistens nur wenige Häuser. Bars oder Unterkünfte gibt es im Moment nicht. Nach dem Picknick komme ich nicht weit. Es zieht schon wieder eine schwarze Front heran. Ich halte etwas drauf, denn vor mir liegt wieder so eine kleine Ortschaft. Und hier habe ich nochmals Glück: An der Abzweigung der Straße steht wieder eine Wartehalle. Die ist sogar ringsum fast ganz mit Plexiglas verkleidet. Hier setze ich mich rein, da kann ich auch das Rad unterstellen. Mein Gott, was ist das nur für ein Wetter?. Es will nun nicht aufhören. Dazu peitscht der Wind den Regen förmlich vor sich her. Nein, so kann und werde ich unter keinen Umständen weiter fahren. Da werde ich lieber in den Ort hineinfahren und von Tür zu Tür gehen und nach einer Unterkunftsmöglichkeit fragen (oder betteln). Ich sehe mich schon für die Nacht in der Ecke irgendeiner Stube liegen. Doch es hellt sich wieder auf, es wird besser. Das war in der Tat schon sehr heftig. Ich kann weiterfahren. Die nasse Kleidung, hauptsächlich die Beiklänge, trocknet am Körper. Bei Hospital de la Cruz ist eine Kreuzung, da geht es unmittelbar dahinter wieder rechts ab. Da muss ich, wie ich aus Erfahrung weiß, gut aufpassen, sonst ist man vorbei. Nun geht's über eine kleine Straße, eine Art Feldwirtschaftsweg weiter. Wieder kommt ein kleiner Ort. Ah ha, hier ist eine Gaststätte, hier werde ich mal Pause machen. Doch schon beim Näherkommen merke ich, dass etwas nicht stimmt, es ist alles verschlossen. Missmutig fahre ich weiter auf Ligonde zu. Das Rad hält, allerdings bin ich an Steigungen etwas vorsichtig, zweimal bin ich zum kurzzeitigen Schieben abgestiegen. Ligonde ist mal wieder ein etwas größerer Ort, durch den sich die Straße lang dahin zieht, Stopp, habe ich eben Straße gesagt? nein, Komplimente kann ich für dieses Stück des Weges nicht verteilen. Die verdauten Reste des Kuhfutters liegen überall herum, vom Regen noch schön verteilt. Das ist ein Matsch, da kann man nur im Schrittempo fahren, sonst hat man die ganze Sch.... im Genick. Zudem ist an ein paar Stellen die Straße für die Kanalisation aufgeworfen, schlimmer Zustand. Im Ortsteil Eirexe befindet sich die Herberge, an die ich eigentlich gute Erinnerungen habe. Übernachtet habe ich allerdings hier noch nicht. Den Anfang der Bekanntschaft machte ich 1998, als Werner und ich hier vor einem Gewitter Zuflucht suchten und uns einen Kaffe kochten. Die Herbergsmutter war damals sehr zuvorkommend. Sie hatte auch ihre kleine Tochter Martha dabei. 1999 habe ich hier wieder für den Stempel angehalten. Auch nun ließ ich mir den Stempel in den Ausweis drücken und legte danach 200 Pts auf den Tisch. Sie schob das Geld zurück und meinte, das sei kostenlos. Aber ich sagte, das wäre für Martha. Da schnellte sie mit dem Kopf hoch und sah mich perplex an. Ich sagte ihr, dass ich schon zweimal da war und dabei auch ihre Tochter kennen lernte. Sie hat es begriffen und sich gefreut. Der Regen hat nun schon längere Zeit eine Pause eingelegt. Bis Pallas gibt es noch ein paar Bodenwellen, aber im Prinzip läuft es nun recht gut. An die misslichen Situationen der letzten Stunden denke ich kaum noch. Die Rezeption der Herberge in Pallas war noch nicht besetzt, aber einige der Pilger hatten sich schon selbst im Buch eingetragen und Betten belegt. Als die Senora gegen 17.00 Uhr ankam, war sie nicht in bester Laune. Es störte sie sehr, dass man die Eintragungen eigenmächtig vorgenommen hatte, dazu, wie sie meinte, fehlerhaft. Nun, da hatte ich mal wieder Glück gehabt, wenn ich schon früher da gewesen wäre, hätte ich mich bestimmt auch eingetragen. Während sie das nun selbst erledigte, schrieb ich ihr auf ein Blatt, wann ich schon mal hier gewesen war. Ja, sie sagte gleich was von dem Foto, das ich von ihr gemacht hatte. Ich wiederum spielte auf die Situation an, als sie mich im Zimmer für Schwerbeschädigte unterbrachte, weil sonst schon alles belegt war. Sie konnte sich offensichtlich noch erinnern. Auch heute war die Herberge schon gut belegt. Mit mir und einigen anderen ging sie dann in den dritten Stock, wo ich noch ein Bett in der unteren Etage bekam. Aber die vielen Treppen mit dem ganzen Gepäck. Zur Herberge ist zu sagen, dass sie seit 1998 einen gewissen Niedergang zu verzeichnen hat. Die Schlafräume sind weiterhin in Ordnung, ebenso die Dusch- und Waschräume sowie die Toiletten. Aber die damals gut ausgestattete Küche, war absolut nicht funktionsfähig. Keine der an sich zahlreich vorhandenen Kochplatten funktionierte, Geschirr war auch nicht vorhanden. Aber positiv ist zu vermerken, dass ein Wäschetrockner aufgestellt war. Das ist was gutes. Da ich voraussichtlich morgen ja nach Santiago kommen würde, wollte ich mich heute nicht mehr mit dem Wäsche waschen abgeben. Ich fragte die Senora, ob ich meine vom Regen feuchten Wäschestücke trocknen könne. Als sie zustimmte, gab ich ihr die notwendigen Münzen und schon war die Sache am Laufen. Danach aß ich noch was von meinen Vorräten. Das hätte ich wohl besser nicht getan, denn der ganz große Hunger war schon weg, als ich zum Abendessen ging. Das Essen in einem nahen Restaurant war der Hammer'. Die Bedienung war mir beim Aussuchen behilflich. Ich komme nicht umhin, auch heute wieder aufzuzählen, was ich gegessen habe: Wie immer kommt eine Flasche Rotwein auf den Tisch. Dann sehe ich der Bedienung zu, wie sie von großen, runden Broten Scheiben, nein Ranken' von Hand abschneidet, und zu den einzelnen Tischen trägt. Die Suppe wird in Terrinen aufgetragen, ich als Einzelperson bekomme eine für mich. Es ist eine feine Hühnersuppe. Es fällt mir schwer, nicht mehr als einen Teller zu essen. Einen kleinen Nachschlag, eine Kelle, erlaube ich mir dann doch. Nun zum Hauptgericht: Ich hatte was von Carne' (Fleisch) und Pommes bestellt. Aber was da kam, kann ich kaum beschreiben. Zuerst muss ich mal eine Oktave höher gehen. Also, auf dem Teller, der aus der Küche gebracht wurde, lagen ein kleineres und ein großes Stück gebratenes Fleisch, offensichtlich Rinderbraten. Das war eine Portion, die ich eigentlich nicht beschreiben kann. In einem Feinschmecker Lokal hätte man da gut und gerne 3 4 Portionen daraus gemacht, ich schätze, dass es kaum weniger als ein Pfund war. Dazu kam noch eine Schüssel mit super großen Pommes. Das konnte ich beim besten Willen nicht schaffen. Ich musste vorzeitig aufgeben. Fast die Hälfte des Fleisches habe ich nicht gepackt. Dabei kann ich mich nicht erinnern, dass ich je in einem Lokal etwas von dem vorgesetzten Fleisch zurückgehen ließ. Wie der Wirt bei solchen Portionen, die der übrigen Gäste waren ja genau so groß, noch einen Gewinn erwirtschaften kann, ist mir unerklärlich. Dabei war ich mir gar nicht so sicher, was mich das nun kosten würde. Die Bedienung sprach was von Mille', das wären Tausend Pts. Das konnte ich nicht glauben und meinte, sie falsch verstanden zu habe. Vorsichtshalber gab ich ihr mal einen Zweitausend Schein, doch sie brachte mir wieder einen Tausender zurück. Das ist nach deutschem Geld 12,25 DM. Hier muss ich einfach aufhören mit dem Schreiben, auf meinem Diktiergerät habe ich noch mehr Einzelheiten (z.B. Nachtisch, Essen zweier Pilger am Nebentisch U.S.) über diesen Abend festgehalten, doch das würde schließlich zu weit führen. Heute habe ich 72,48 Km gefahren, Fahrzeit 6,09 Std. Schnitt 11,77 Km/h. Es war ein sehr schwerer Tag, dennoch bin ich nicht unzufrieden. Ich bin ja noch heil hier angekommen. Die Probleme mit dem Fahrrad sind nicht mehr aufgetreten, mein Knie ist nach wie vor behandlungsbedürftig Morgen heißt die Devise: Santiago ich komme'.
22. Tag, Dienstag, 15. Mai 3001 Pallas de Rei Santiago
Also heute geht der letzte Ritt zu großen Ziel. Etwas aufgeregt bin ich schon. Das war in den vergangenen Tage oft nicht leicht, aber nun sehe ich ans Ende. In der Herberge gibt es keine Möglichkeit, Wasser heiß zu machen. So verzichte ich wieder mal ganz aufs Frühstück. Ich dachte, dass es eine Weile auch ohne gehen würde. Bis Arzua, das sind allerdings fast 30 Km, wollte ich so kommen. Doch das war etwas zu blauäugig geplant. Ich hätte schon etwas früher rasten und frühstücken sollen. Das Wetter war fast so schlecht wie gestern, mehrmals musste ich mich unterstellen und schließlich hatte ich auch sämtliche Regenschutz-Kleidung angezogen bzw. am Gepäck angebracht. Auch der Computer bekam wieder sein Plastiktütchen übergestülpt. Dazu kam, dass sich mir nochmals etliche leichte bis mittelschwere Anstiege in den Weg stellten. Da hatte ich wieder etwas Mühe, ich musste öfters ruhen. Die für heute noch mangelhafte Ernährung hat sich hier mit Sicherheit ausgewirkt. Sonst ist nicht viel über die Fahrt zu berichten, Fotos habe ich seit gestern fast überhaupt nicht machen können. An der Einfahrt nach Arzua setzte wieder ein Schauer ein. Ich beeilte mich und wollte noch bis zur Stadtmitte kommen. Doch das schaffte ich nicht. Im Eingang einer Ferreteria', das ist eine Eisenwarenhandlung, stellte ich mich unter. Da dachte ich, ob ich mir hier nicht schon eine Plane kaufen könne, um in Santiago das Fahrrad für den Rücktransport einzupacken. Ich sprach mit einem Verkäufer darüber. Ja, sie haben eine dicke, schwarze Folie, Meterware, vorrätig. Ich ließ mir ein Stück von 2 x 4 Meter abschneiden. Das Problem war nun auch gelöst.. In der Bar an der Kirche in der Ortsmitte, in der ich schon zweimal Rast gemacht hatte, trank ich dann einen Kaffee und ließ mir ein Sandwich mit Schinken machen. Vor mir lagen nun nur nach etwa 40 Km bis Santiago. Doch die Strecke kam mir immer schwerer vor. Keuchend kam ich gerade noch die letzten Anstiege hoch, war ich vielleicht mental schon am Ende?. Die Kraft war auch weitgehend hin. Ich stellte mich nun nicht mehr unter. Für die immer wieder einsetzenden Schauer zog ich das Regencape an und danach wieder aus. Mit ihm ist man beim Fahren ja auch noch behindert. Mit dem Rad hatte ich seit den Vorfällen hinter Portomarin keine Probleme mehr. Einmal stieg ich noch ab und schob ein paar Meter. Nun, Ende gut, alles gut. Ich bin nun schon in San Marcos. Von hier sind es nur noch wenige Meter bis zum Hügel an der Herberge Monte del Gozzo'. Irgendwo habe ich mal über diese Stelle vom Hügel der erfüllten Sehnsüchte' gelesen.
Pilgerdenkmal am Monte do Gozzo
Es ist in der Tat schon ein großartiges Gefühl, von hier hinab zu sehen in die Stadt, dem Ziel, für das man so manche Strapaze und Entbehrung auf sich genommen hat. Doch nun hat man es geschafft, Jubel und Dank kommt in einem hoch Als erstes fahre ich zur Rezeption der großen Pilgerherberge, wo ich mir eigentlich nur den Stempel und einen Stadtplan abholen wollte. Hier muss ich dann hören, dass die Herberge in der Stadt, im Seminario Menor, wo ich eigentlich hin wollte, geschlossen sei. Das ist ja wieder eine ganz neue Situation. So nehme ich schließlich das Angebot hier zu bleiben an. Hier ist übrigens Platz für etwa 800 Pilger, die in vielen, vielen einstöckigen Bauten in meistens 8.-.Bett.- .Zimmern untergebracht werden. An der Rezeption erhalte ich die Nr. eines Baues, dort bekomme ich dann von der Aufsicht ein Bett angewiesen. Die erste Nacht sei kostenlos, sagt man mir. Doch gegen eine freiwillige Spende hat man nichts einzuwenden. Eine Büchse steht schon dazu bereit. Die Anlage ist wie ein kleines Dorf für sich, mit drei Gaststätten ein gutes Restaurant, eine Selbsbedienungs-Gaststätte und eine Cafeteria- Einkaufsläden für allerlei Waren, Wäscherei u.dgl. Alles befindet sich in gutem Zustand. Eine Busverbindung in die Stadt besteht stündlich. Die nutze ich schon um 17.00 Uhr, um evtl. ab 18.00 Uhr eine Messe zu bekommen. Das war jedoch falsch kalkuliert. So sehe ich mir die Kathedrale und den näheren Bereich an. Und fahre am Abend wieder mit dem Bus zurück. In der Cafeteria esse ich ein Sandwich und trinke ein großes Bier. Danach mache ich mich auf in meinen Bau. Meine körperlichen Kräfte sind fast gänzlich aufgebraucht, ich mag nicht mehr lange aufbleiben und lege mich alsbald ins Bett. Ich denke nochmals über die geplante Fahrt nach Fatima nach. Doch das ist für mich einfach unmöglich. Gefahren hatte ich zum Abschluss nochmals 66,75 Km in 5.44 Std., das ist ein Schnitt von 11,63 Km/h. Die Addition der Tagesetappen ergab 1.698 Kilometer. Die Endrechnung ergibt: Km.Stand bei Ankunft in Santiago 31.406 minus Km.Stand bei Abfahrt in St.Etienne 29.697 das sind 1.709 Gesamtkilometer
Mittwoch und Donnerstag, 16. u. 17. Mai 2001 Aufenthalt in Santiago
Zum Frühstück gehe ich in die Cafeteria, trinke einen Café con leche und esse zwei Croissants. Ich habe mich mittlerweile entschlossen, auch die weiteren Tage meines Aufenthaltes in Santiago auf dem Monte del Gozzo zu wohnen. Aber in dem Haus, in dem ich die erste Nacht verbracht hatte, konnte ich nicht bleiben, Ich musste für die beiden nächsten Nächte in einen anderen Bau umziehen. Nun kostete eine Übernachtung 1.200 Pts, ohne Frühstück. Danach fahre ich mit dem Bus< um 09.10 Uhr in die Stadt. Gestern hatte ich etwas Schwierigkeiten mit der Haltestelle für die Rückfahrt. Heute lasse ich mir diese vom Busfahrer zeigen, so dass es künftig besser geht. Zuerst gehe ich zum Bahnhof und regele die Angelegenheiten für die Rückfahrt. Das klappt an sich gut. Nur ärgere ich mich wieder über die mangelhafte Auskunft beim Bahnhof Saarbrücken vor meiner Abfahrt. Ich will das im Nachhinein nicht vertiefen, sonst kommt der Ärger nochmals hoch. In der Stadt mache ich alle Wege zu Fuß. Als erstes gehe ich vom Bahnhof zum Pilgerbüro. Wo ich mir die Compostela' ausstellen ließ. Das ist die Urkunde, mit der bestätigt wird, dass man als Pilger nach Santiago wenigstens 100 Kilometer zu Fuß oder 200 Km mit dem Fahrrad zurückgelegt hat. Vor dem Büro begrüßt mich ein holländischer Radfahrer, mit dem ich in Navarrete in der Herberge war. Ein feiner Kerl. Er ist schon einen Tag länger hier und wird morgen mit dem Rad bis nach Arles in Südfrankreich zurückfahren. Dort besitzt er eine Ferienwohnung, wo auch seine Frau auf ihn wartet. Wie er mir sagte, möchte er über den Somport Pass fahren. Ich habe mich sehr gefreut, ihn hier wieder getroffen zu haben. Um 12.00 Uhr ist die Pilgermesse in der Kathedrale. Es ist ein feierliches Amt mit sechs Priestern. Lektorin ist die bekannte Ordensschwester mit dem schönen Gesang. Zum Abschluss wurde das Botafumero (der große Weihrauchkessel) hereingebracht und durch das Querschiff der Kirche geschwenkt. Zum Mittagessen nehme ich mir in einer Bar eine Portion Tortilla und ein Bier. Danach sehe ich mir noch Teile der Stadt an. Allzu lange halte ich mich jedoch nicht mehr hier auf, denn ich möchte heute noch das Fahrrad verpacken. Das erfordert auch noch einigen Zeitaufwand. So fahre ich dann mit dem Bus wieder zur Herberge zurück.
Santiago, ein Teil der Pilgerherberge am Monte do Gozzo
In das Paket stecke ich noch etliche Wäschestücke und die Fahrradkleidung, damit ich zur Rückfahrt nur noch eine Packtasche habe. Ich bin froh, dass das schon mal erledigt ist. Eigentlich wollte ich nun noch ein Schläfchen halten, aber einer der Zimmer - .Mitbewohner, ein Spanier mit etwas Deutschkenntnissen, hörte nicht auf zu fragen. So vergeht die Zeit und ich gehe zum Abendessen in das Restaurant mit Selbstbedienung. Die Auswahl des Essens bereitet keine Schwierigkeiten, denn in der Vitrine an der Ausgabetheke sind Musterteller ausgestellt. Als ersten Teller nehme ich einen Gemüse Eintopf mit grünen Bohnen ( auf die habe ich schon die ganze Zeit vergeblich gewartet ). Der zweite ist Fischfilet mit Salzkartoffeln. Dazu einen halben Liter Rotwein und ein Brötchen. Der Wein gehörte nicht zum Menü. Es gab auch noch andere leckere Angebote, so z.B. ein schöner Salatteller, Reis mit Gulasch oder Nudeln mit Soße Bolognaise. Als Nachtisch nahm ich Pudding. Das Menü hat insgesamt 2.100 Pts. gekostet. So ist der erste Tag in Santiago schon beendet, ich bin sehr zufrieden.
Donnerstag, 17. Mai, 2001
Ohne Frühstück fahre ich um 08.10 Uhr mit dem Bus in die Stadt und gehe zum Bahnhof. Hier frühstücke ich in der Bahnhofsgaststätte und sehe mir um 09.00 Uhr die Abfahrt des Zuges nach Hendaye an. Der Zug hat nur zwei Waggons, doch die relativ viele Leute kommen bequem unter. Das läuft normal ab, da brauche ich für morgen keine Bedenken zu haben. Was ich noch nicht gewusst hatte, heute ist in Galicien Feiertag. Viele Geschäfte sind nicht geöffnet. Etwas blöd, ich habe ja noch keine Souvenirs. Die Besorgung gestaltet sich etwas schwierig. Gestern hatte ich mir schon das eine oder andere angesehen, doch nun kann ich es nicht kaufen. Ich stelle das Problem mal bis zum Nachmittag zurück, schlechter kann es ja nicht werden. In der Stadt gibt es auch beim drittenmal immer noch neues zu sehen. Was aber besonders auffällt, sind die folkloristischen Darbietungen sowie das Auftreten von Gesangs- und Musikgruppen. Das Wetter ist heute super, viel blauer Himmel und schöne weiße Wolken, der richtige Rahmen zum Feiertag. Allerdings hätte ich mir während der Fahrt hierher wenigstens auch ein paar Tage mehr von dieser Art gewünscht.
Santiago, Blick über die Stadt zur Kathedrale
Um 12.00 Uhr gehe ich wieder in die Kathedrale zur Pilgermesse. Diesmal befinden sich acht geistliche Herren am Altar, darunter ein Deutscher. Die Nonne ist ebenfalls wieder anwesend. Auch diesmal wird das große Weihrauchfass durch die Kirche geschwenkt. Ich nehme an, dass das nun häufiger, vielleicht sogar täglich geschieht. Das wäre auch richtig. Die Pilger freuen sich doch darauf. Nach der Messe treffe ich den deutschen Priester in Nähe der Sakristei. Ich spreche ihn an und mache ein Foto von ihm. Er kommt vom Bodensee und ist in Lourdes mit dem Fahrrad gestartet. Die Rückfahrt bis Lourdes will er auch noch mit dem Fahrrad durchführen und zwar über Finisterra, La Coruna und dann an der Küste vorbei bis Irun. In der Stadt komme ich zum einem Lokal, eine Art Schnellimbiss, die ihre Angebote auch in deutsch aushängen haben. Da gehe ich mal rein. Sie habe auch Speisenkarten in deutsch, und preiswert obendrein. Ich nehme mir ein paniertes Schnitzel mit zwei Spiegeleiern, Pommes und Salat, dazu ein Bier sowie zum Abschluß einen Kaffee. Das kostete zusammen nur 1.400 Pts, das war super. Am Nachmittag habe ich dann doch noch Gelegenheit etwas Geld für Souvenirs auszugeben und gehe nochmals zur Kathedrale. In Nähe der Bushaltestelle esse ich am Allmenda Platz noch ein Eis und fahre dann zum Monte del Gozzo zurück. Ich bin ja nun seit heute morgen auf den Beinen und verspüre eine beachtliche Müdigkeit. Zunächst lege ich mich eine Weile aufs Bett. Danach packe ich schon mal alles was ich entbehren kann in die Tasche. Wegen des Feiertages ist auch auf dem großen Freigelände an der Herberge reger Betrieb. Viele Familien verbringen bei dem schönen Wetter hier den Nachmittag. Auf den großen Freiflächen können die Kinder gut herum toben. Zum Abendessen gehe ich wieder in die Selbstbedienung. Ich nehme mir Spaghetti Bolognaise und Braten mit Pommes. Dazu Rotwein und Pudding als Nachtisch. Das war mengenmäßig mal wieder zuviel, ich musste Reste machen. Das war praktisch der Abschluss meines Aufenthaltes in Santiago. Morgen geht's nach Hause.
Freitag und Samstag, 18. u. 19. Mai 2001
Ich bin schon früh wach, kann praktisch nicht erwarten bis es Zeit zum Aufstehen ist. Gegen 06.30 Uhr beginne ich, mich fertig zu machen und den Rest meiner Sachen einzupacken. Danach schleppe ich alles zur mehr als 100 Meter entfernten Rezeption. Das ist doch schwer, an der einen Schulter das große Paket mit dem Fahrrad und an der anderen die Packtasche und die Lenkertasche. Hier lasse ich mir ein Taxi bestellen. Das verlief alles reibungslos, so dass ich schon sehr früh am Bahnhof war. Zuerst frühstückte ich in der Bahnhofsgaststätte und ließ mir noch ein Sandwich als Reiseproviant machen. Der Zug war pünktlich, aber im Gegensatz zu gestern waren heute bedeutend weniger Reisende auf dem Bahnsteig. Weshalb der große Unterschied, kann ich nicht sagen. Es hatte zumindest den Vorteil, dass beim Einsteigen kein Andrang herrschte und ich somit bequem meinen reservierten Platz fand und auch das Gepäck gut unterbringen konnte. Die meisten Mitreisenden waren ebenfalls Pilger mit Rucksäcken. Auf der anderen Seite des Mittelganges saßen z.B. vier Franzosen mir gegenüber, eine lustige Gruppe, die durch ihr Auftreten (Trinken, Essen, Unterhalten u. dgl.) für Abwechslung sorgte. Bei sehr schönem Wetter fuhr der Zug wieder durch Gegenden, durch die ich noch vor ein paar Tagen auf der Hinfahrt gewesen war. Ab und zu konnte man sogar deutlich Teilstücke des Pilgerweges erkennen. Unterwegs wurde der Zug mit etlichen Waggons, darunter auch ein Speisewagen, bedeutend vergrößert. Dadurch hatte ich die Gelegenheit, auch noch meine letzten Münzen spanischer Währung in Essen und Getränke umzusetzen. Am späten Nachmittag gab es wieder ein paar Regenschauer. Pünktlich fuhren wir in den Bahnhof Hendaye ein. Nun war ich also schon in Frankreich. Hier muss ich mir noch eine weitere Fahrkarte lösen, doch der Schalter ist noch geschlossen. Vor der Bahnhofsgaststätte sitzt ein jüngerer deutscher Fußpilger mit seinem Gepäck. Den spreche ich an. Ich habe den Eindruck, dass er finanziell abgebrannt ist und lade ihn zu einem Bier ein. Das nimmt er gerne an. Dann öffnet der Fahrkartenschalter und ich kümmere mich um meine Fahrkarte. Ausdrücklich verlange ich bis Forbach Frontiere (Grenze). Ich bezahle, versäume es aber, die Karte genau zu überprüfen. Inzwischen ist auch schon der Zug nach Paris bereitgestellt, der ist unendlich lang. Früher sind um diese Zeit immer zwei Züge in kurzem Abstand hintereinander gefahren. Der erste hatte nur Schlaf- und Liegewagen, der zweite war ein normaler Zug. Heute ist es nur noch ein Zug und der ist gemischt. Deshalb auch die immense Länge. Ich suche mir einen nicht reservierten Sitzplatz und verstaue mein großes Paket mit dem Fahrrad am Eingang des Waggons in den dortigen Großraum Fächern. Das klappt alles prima. Nur die Abfahrt des Zuges verzöget sich schließlich um mehr als eine Stunde, wegen eines verspäteten Anschlusszuges. Da kommt schließlich wieder etwas Nervosität auf, ob da die Zeit zum Übergang in Paris reicht? Doch bei der Ankunft am Morgen in Paris Austerlitz sind wir wieder im Plan. Wie das möglich war, weiß ich nicht, ich habe während der Nacht gut geschlafen. Mit einem Gepäckwägelchen fahre ich zum Bahnsteig der Metro. Heute ist Samstag, und somit entfällt der sonst um diese Zeit herrschende Berufsverkehr. Eigentlich geht alles sehr leicht vonstatten. Lediglich das Passieren der Eingangsschleusen zur Metro bereitet mit dem großen Gepäckstück nach wie vor einige Probleme. Doch schließlich ist auch das geschafft. In Paris Est habe ich zunächst noch einen längeren Fußweg vor mir, wo ich das ganze Gepäck bis zum großen Querbahnsteig tragen muss. Erst hier kann ich einen der vorhandenen Gepäckwagen benutzen. Zunächst frühstücke ich an einem der Kioske. Danach heißt es wieder warten, denn der Abfahrtsbahnsteig steht ja hier nicht im Voraus fest. Etwa eine halbe Stunde vor Abfahrt wird er auf einer großen elektronischen Tafel angegeben. Nun beginnt das Rennen aller Reisenden nach den Plätzen. Ich komme gut unter und kann auch das Paket mit dem Fahrrad gut am Eingang des Großraumwagens abstellen. Nach Abfahrt des Zuges kommt der Fahrkartenkontrolleur, dem ich meine in Hendaye gelöste Fahrkarte aushändige. Doch der ist nicht damit einverstanden. Er macht mich darauf aufmerksam, dass diese ja nur bis Paris gelte. Tatsächlich! Es gelingt mir aber, ihn davon zu überzeugen, dass der Fehler nicht nur bei mir liege. Ich habe doch in Hendaye ausdrücklich bis Forbach-Grenze verlangt. Natürlich muss ich nachlösen, aber von der Nachlösegebühr sieht er ab. In Saarbrücken komme ich kurz vor 13.00 Uhr an. Thomas, Mechthild und Kevin erwarten mich am Bahnsteig. Damit ist auch diese Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela beendet. Nachzutragen wäre, dass ich auch zu Hause noch Probleme mit dem Knie hatte. Nun erst suchte ich den Arzt auf. Der machte mir allerdings Vorwürfe, weil ich solange gewartet und mich zum Teil falsch therapiert hatte. Als erstes verordnete er mir sechs Wochen Fahrverbot mit dem Rad. Damit sowie mit Medikamenten und Massagebehandlungen wurde es schließlich wieder gut.
Santiago 2001, Lyon Le Puy - Espalion Rodez Albi Lourdes Streckenbeschreibung: Von Straßen Weg über einzel Gesamt Nach Km Km Lyon Jh in Lyon-Vénissieux 51. rue Roger Salangro, 69200 Venissieux (Rhone) Tel. 478763923 Vennissieux 10 Ri. Rhone u. Autobahn, zwischen Eisenbahn und D 12 Autobahn Ri. Süden, bis Solaize, rechts ab auf die D 36 über die Autobahn und die Rhone nach Vernaison links ab an der Rhone abwärts über D 15 bis Grigny hinter dem Bahnhof links ab über die Bahn auf die D 488 - unter der Bahn durch, unter der Straße durch und Nochmals unter der Bahn durch rechts der Auto- bahn weiter auf D 488 bis Rive der Gier - St.Madeleine- 35 45 D 88 unter der Autobahn durch, über la Grand Croix nach St. Chamond, am Autobahnknoten wieder auf die Rechte Seite der Autobahn über D 32 und evtl. D 88A durch St. Etienne 25 70 D 88 bis Unieux Jh in Unieux les Echandes, le Pertuiset (Loire) 20 90
vor der Loire links ab auf die D 46 durchs Tal aufwärts bis Aurec sur Loire und Bas-en-Basset über D42/46 bis Retournac .40 130 Durchs Tal der Loire weiter über D 103 über Chamaliere Varey Lavoute s. Loire nach Le Puy In Le Puy Unterkunftsverzeichnis von .40 .170 Heinrich Wipper
Anlage I : Auszug aus den Vorbereitungen Streckenbeschreibung', die roten Dreiecke sind Markierungen für Steigungen mit den Höhenangaben.
Streckenbeschreibung 2: Allgemein: Ab Le Puy wird es sehr bergig. Es geht bis auf 1300 Meter hoch, mal wieder runter und wieder bergauf, im Schnitt ist die Höhe um 1000 Meter. In Espalion wird der Lot überquert. Weiter geht es in die Täler des Viaur und des Tarn, also wieder auf und ab., mal sehen; das wird nicht leicht!!! von Straßen Nr. Weg über einzel-Ges. nach Km Km Le Puy D 589 in Richtung Saugues, Ausfahrt aus Le >Puy evtl. auch 170 650 Hm über die D 31, ^ Steigung auf 885 m bis Bains 976 etwa 16 Km ^ 1127, ^ 1059, St. Privat, Monisterol an der Allier, (ca. 680 Hm), ^ 993, Saugues 45 215 983 D 589 in Richtung St. Albain D 33 und D 335 ^ 1079 bis Falzet, Villeret D 587 Chanaleilles, ^ 1013, St. Roche, ^ 1121, ^ 1013, St.Alban sur Limagnole (Rimeize) 920 40 255 Rimeize D 987 in Richtung Espalion 914 ^ 995, Aumont-Aubrac, ^ 1025 Lasbros, ^ 1078, 1164, Malbouzon, ^ 1134, Nasbinals, ^....1324, Aubrac, ^1307, D 987 ^ 1194, 1078,912,St. Cames d'Olt im Tal des Lot. Espalion ..75 330 350 D 920 ^ Bozouls, 582, ^ Curlande, Sébazac-Concourèss, Rodez am Fluss Aveyron 30 360 500 N 88 Olemps ^ La Primaube 687, Baraqueville..^...708, Rancillac 600,Montemeyrac, St.Martial 466, links ab auf D 574 hinab ins Tal des Viaur zum Viadukt du Viaur, ein Stück Fluß abwärts bis zur N 88 Links weiter den Berg hinauf nach Tanus, bei la Cabresie Ist die Höhe 428 Carmaux, etwa 300, nun dürften die Berge alle sein. Albi am Fluß Tarn 80 ..440 .........N 112 Realmont (20) Castres ..42 482 .........N 126 Soual (13) .........D 622 Revel (14), St. Felix, Vallegue, Villefrance Villefrance ..58 540 D 622 Nailloux, Auterive 24, Capens, 20 zur Garonne, D 10 Carbonne, Cazeres 22 D 62 Roquefort 10, übner die Autobahn und den Fluß auf die .........N 117 St. Martory nach St. Gaudens ..103 ..643
|