Der Jakobsweg

Inhalt
Vorbemerkungen
1. Wie kam es zu dieser Fahrt?
2. Vorbereitungen
Die Fahrtroute
1. Tag, Dienstag, 21. April 1998, Alsweiler - Champenoux bei
Nancy
2. Tag Mittwoch, 22. April 1998, Champenoux - Neufchateau
3. Tag, Donnerstag, 23. April 1998, Neufchateau - Chatillon s.
Seine
4. Tag, Freitag, 24. April 1998, Chatillon - Vezelay
5. Tag, Samstag, 25 April 1998, Vezelay - Nevers
6. Tag: Sonntag, 26. April 1998, Nevers - St. Pierre le
Moutier
7. Tag, Montag, 27. April 1998, St. Pierre - Boussac
8. Tag, Dienstag, 28. April 1998, Boussac - Vigen bei Solignac
9. Tag, Mittwoch, 29. April 1998, Vigen - Perigueux
10. Tag, Donnerstag, 30. April 1998, Perigieux - La Reole
11. Tag, Freitag, 01. Mai 1998, La Reole - Riscle
12. Tag, Samstag, 02. Mai 1998, Riscle - Lourdes
13. Tag, Sonntag, 03. Mai 1998, Lourdes - Sauveterre
14. Tag, Montag, 03. Mai 1998, Sauveterre - St.
Jean-Pied-de-Port - Roncesvalles
15. Tag, Dienstag, 15. Mai 1998, Roncesvalles - Puente la
Reina
16. Tag, Mittwoch, 06. Mai 1998, Puente la Reina - Navarrete
17. Tag, Donnerstag, 07. Mai 1998, Navarrete - St. Juan de
Ortega
18. Tag, Freitag, 08. Mai 1998, St. Juan de Ortega - Fromista
19. Tag, Samstag, 09. Mai 1998, Fromista - Mansilla de las
Mullas
20. Tag, Sonntag, 10. Mai 1998, Mansilla de las Mullas -
Rabanal del Camino
21. Tag, Montag, 11. Mai 1998, Rabal - O Cebreiro
22. Tag, Dienstag, 12. Mai 1998, O Cebreiro - Palas de Rei
23. Tag, Mittwoch, 13. Mai 1998, Palas de Rei - Santiago de
Compostela
Die restlichen Tage
Donnerstag, 14. Mai 1998, Santiago
Freitag, 15. Mai 1998/Samstag, 16. Mai 1998,
Heimfahrt mit der Bahn, Santiago - Hendaye - Paris - Saarbrücken
Vorbemerkungen
1. Wie kam es zu dieser Fahrt?
Eigentlich wußte ich von Santiago de Compostela bis zum Jahre 1997 relativ wenig.
Vielmehr, als daß es eine Stadt irgendwo im Nordwesten Spaniens ist, war es nicht. Erst
die Kenntnis über die ersten Pilger aus unserem Ort, Sabine und Hans Theobald, sowie
Bruno Therre, jeweils mit dem Fahrrad unterwegs, machten mich neugierig.
Und so blieb es nicht aus, daß auch ich Interesse an einer solchen Pilgerfahrt fand.
Erst recht, nachdem ich Kontakt mit Bruno, dem Schwager meines Schwagers Herbert,
aufgenommen hatte. Dieser schilderte mir seine Fahrt detailliert. Das hatte bei mir einen
großen Eindruck hinterlassen. Es war im September 1997. Bruno lieh mir auch seinen
Reiseführer und sonstige Unterlagen.
2. Vorbereitungen
Im Oktober 97 bat ich bei der Deutschen St. Jakobusgesellschaft in Aachen und
bei der Jakobusbruderschaft in Düsseldorf um weiteres Informationsmaterial, was mir auch
umgehend zugesandt wurde. Nach dessen Durchsicht hielt ich nur noch Kontakt mit der
Jakobusgesellschaft Aachen, wo ich mich auch als Mitglied anmeldete.
Während Bruno, Sabine und Hans ihre Touren in den Pyrenäen gestartet hatte -
St.-Jean-Pied-de-Port - kam mir der Gedanke, daß ich auch von zu Hause, also ab
Alsweiler, fahren könnte. Das hört sich im ersten Moment gewaltig an, erschien mir aber
dennoch durchführbar.
Hierbei möchte ich auf die vielen Radwanderungen hinweisen, die ich in den letzten
Jahren unternommen habe. So bin ich z. B. von Alsweiler nach Alassio durch die Schweiz,
über den Simplonpaß sowie ab Wien durch Ungarn - über Budapest, Plattensee - durch
Kroatien, durch Slowenien - der Drau entlang - wieder nach Österreich - Kärnten - über
die Großglockner Hochalpenstraße bis nach Innsbruck gefahren. Aufgrund dieser
Erfahrungen traute ich mir durchaus zu, auch bis Santiago zu fahren.
Die Entfernung errechnete ich mit gut 2.000 Kilometer, wozu ich mit allem Drum und Dran
einen Zeitbedarf von etwa 4 Wochen veranschlagte.
Auf den Rat meines Sohnes Hans, der als Jugendlicher und später bei seiner
Jugendarbeit als Gemeindereferent öfters französische Regionen aufgesucht hatte,
entschloß ich mich, über Vezelay zu fahren. Vezelay ist neben Paris, Le Puy und Arles
ein Ausgangspunkt der vier großen St.-Jakobs-Wege Frankreichs in Richtung Pyrenäen.
Während es für den Pilgerweg in Spanien, auch Camino genannt, genügend Literatur
gibt, ist für die Route Vezelay - Pyrenäen in dieser Hinsicht nur sehr wenig vorhanden.
Zur Festlegung der Route und zur allgemeinen Information benutzte ich Domke
"Aquitanien" und ganz besonders die kleine Broschüre von John Hatfield
"Vezelay to the Pyrenees". Obwohl es letztere nur in englisch gibt, kam ich doch
relativ gut damit zurecht. Es sind drei Reiserouten aufgeführt, dazu Streckenprofile, die
wichtigsten Sehenswürdigkeiten der einzelnen Orte, sowie ein Verzeichnis preiswerter
Unterkünfte. Die angegebenen Routen arbeitete ich nach den Michelin-Karten 241, 238, 233
und 234 aus und erstellte mir einen Streckenplan mit Straßennummern, Entfernungen in
Kilometern, Abzweigungen und dergleichen.
Ein anderes Problem konnte ich allerdings zunächst nicht lösen: Wie erfolgte der
Rücktransport des Fahrrades? Am einfachsten wäre für mich ja die Fahrt mit der Bahn
gewesen. Aber in Spanien kennt man die Beförderung der Räder in Fahrradabteilen nicht.
Auch die eingeholten Informationen über Möglichkeiten mit dem Flugzeug, einer Spedition
oder mit dem Bus waren nicht zufriedenstellend, wenngleich es andererseits nicht
aussichtslos war.
So wurde dieses Problem mal zunächst ausgeklammert.
Kurz vor Weihnachten 97 suchte mich Werner in einer anderen Sache auf. Wir waren
schon 2 oder 3 mal mit den Rädern zusammen nach Klausen, einem Marienwallfahrtsort in der
Voreifel, gefahren, etwa 140 Tageskilometer. Als ich ihm von meinen Plänen erzählte,
meinte er, da würde er gerne mitfahren.
Ich muß hier gestehen, daß ich alleine fahren wollte und nicht die Absicht hatte,
jemanden mitzunehmen. Es gibt hierfür mehrere Gründe, was ich ihm auch zu verstehen gab.
Er war jedoch in meinem Bekanntenkreis einer der wenigen, mit dem ich eine solche Fahrt
überhaupt unternehmen konnte. Es waren ja nicht nur die Anforderungen des Radfahrens zu
bestehen, er paßte auch in seiner menschlichen und religiösen Einstellung zu mir. Denn
schließlich sollte es ja eine Pilgerfahrt werden.
Nach Rücksprache mit meinen Kindern, die die Mitfahrbereitschaft sehr positiv sahen
und nach reiflicher Überlegung teilte ich ihm am 2. Weihnachtstag, als ich ihn nach der
Morgenmesse mit seiner Frau Maria traf, mit, daß ich seinem Wunsch entsprechen würde,
wenn er ernst gemeint sei. Nach ein paar Tagen Bedenkzeit stand dann endgültig fest, daß
wir zu zweit nach den bereits vorliegenden Planungen fahren würden. Wir trafen uns dann
jeweils an jedem 1. Und 3. Mittwoch des Monats, um anstehende Fragen zu besprechen.
Für die körperliche Fitneß beschlossen wir, unser allgemeines Trainingsprogramm zu
erhöhen und gemeinsame Touren mit beladenem Fahrrad zu machen. Werner meldete sich dann
auch bei der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft als Mitglied an.
Mitte Februar erhielten wir von dort unseren Pilgerausweis und den Pilgerbrief. Dann
hatten wir auch eine neue Idee für den Rücktransport der Fahrräder mit dem Zug: Bei den
Prospekten der Spanischen Staatsbahn stieß ich mehrmals auf die Transportmöglichkeit in
einer Fahrradtasche. Nun konnten wir ja eine solche nicht von zu Hause mitnehmen.
Aber man könnte die Räder auseinander nehmen und in einer Plane zu einem Paket
verschnüren. Wir besorgten uns also etwas kräftigere Planen und machten ein
Probepäckchen. Das fiel sehr zu unserer Zufriedenheit aus. Fürs Erste schien uns also
dieses Problem gelöst zu sein.
Für die Ausrüstung brauchte ich mir persönlich keine großen Gedanken zu machen,
denn da hatte ich schon meine Erfahrung. Dennoch erstellten wir eine List, was wir
mitnehmen wollten. Eine gewisse Auswahl mußte schon mal wegen des Gewichtes getroffen
werden. Was wir an Werkzeug und Ersatzteilen mitnahmen, brauchten wir jeweils nur in
einfacher Ausfertigung, denn wir fuhren die gleichen Räder. Wir hatten uns entschlossen,
mit dem ATB (All-Terrain-Bike), Marke Schauff, 26-Zoll-Rädern und dicken Reifen mit
glatter Lauffläche, zu fahren, ein sehr robustes und leistungsfähiges Modell. Werner,
der erstmals eine größere Tour mit dem Rad unternahm, mußte sich seine Ausrüstung neu
zusammenstellen. Er kaufte sich noch zusätzlich zwei Vorderradtaschen, was sich sehr gut
bewährte. Ich selbst hatte wie immer nur die beiden Packtaschen am Hinterrad. Dazu eine
weitere Umhängetasche, den Schlafsack, der allerdings von geringem Volumen und sehr
leicht war. Den hatte ich einfach nur in eine gelbe Nylontüte eingepackt.
Während der Fahrt, hauptsächlich in Spanien, gab es keine Probleme damit, wir
fühlten uns in ihnen sehr wohl.
Zur Frage der möglichen Kilometerleistung pro Tag hatten wir uns durch Frankreich etwa
100 und durch Spanien etwa 80 Kilometer vorgestellt. Zahlen, die uns durchaus realistisch
erschienen. Allerdings muß man dafür in der Lage sein, etwa 5 - 7 Stunden im Sattel zu
sitzen.
Wir waren uns auch einig, daß der Sinn des Pilgerns nicht zu kurz kommen sollte. Ein
paar besinnliche Minuten wollten wir jeden Morgen einlegen. Zu dieser
"Morgenandacht" hatte mir Hans ein paar passende Texte zusammengestellt. Zur
zusätzlichen Stimulanz überspielte ich mir von den Musikkassetten meiner verstorbenen
Frau Kirchenlieder, Marien- und Lourdeslieder auf eine Kassette meines Diktiergerätes.
Hiervon spielten wir bei der "Morgenandacht" jeweils etwas ab und sangen mit.
Ich war bereits dreimal in Lourdes, wovon ich Werner bei unseren monatlichen
Zusammenkünften erzählt habe. Er war noch nicht dort gewesen und zeigte großes
Interesse daran. So kamen wir überein, evtl. einen Umweg über Lourdes zu machen, wenn es
unser Zeitplan zuläßt.
Zum Abschluß der "Vorbemerkungen" noch ein Wort zu den einzelnen
Sehenswürdigkeiten der nun folgenden Tagesberichte. Ich bin nicht dazu geeignet, diese
Objekte auf historische Hintergründe, Geschichte, Baustil, Stifter, Bauherr usw.
besonders zu würdigen, es sei denn, ich würde es aus den Werken prädestinierter
Sachkenner abschreiben. Und das ist nicht der Sinn meines Berichtes. Von diesen Dingen
habe ich einfach zu wenig Ahnung. Trotzdem werde ich nicht einfach alles verschweigen,
sondern das eine oder andere erwähnen und es als "schön" oder
"wunderbar" oder dergleichen bezeichnen.
Die Fahrtroute
- Alsweiler - Illingen - Quierschied - Saarbrücken - Saargemünd - Puttelange - Chateau
Salins - Champenoux
- Champenoux - Nancy - Toul - Blenod - Barisey au Plain - Martigny - Neufchateau
- Neufchateau - Liffol - Andelot - Chaumont - Chateauvillain - Boudreville - Chatillon s.
Seine
- Chatillon - Coulmier - Montbard - Vassy - Montreal - Avallon - Vezelay
- Vezelay - Bazoches - Corbigny - St. Saulge - Nevers
- Nevers - Magny-Cours - St. Pierre le Moutier
- St. Pierre le Moutier - Lurcy-Levis - Troncais - Urcai - Culan - Boussac
- Boussac - Gouzon - Ahun - Bourganeuf - St. Leonard de Noblat - Vigen bei Noblat
- Vigen - Nexon - les Cars - Boussier-Galant - la Coquille - Thiviers - Perigieux
- Perigieux - St. Astiere - Mussidan - St. Gery - St. Foy-la-Grande - Duras - la Reole
- La Reole - Auros - Bazas - Capitieux - Roquefort - Villeneuf-de-Marsan - Aire s.
lAdaour - Riscle
- Riscle - Tarbes - Lourdes
- Lourdes - Betharam - Louvie-Juzon - Buzy - Oloron - Navarrenx - Laas - Sauveterre
- Sauveterre - St. Palais - St. Jean-Pied-de-Port - Roncesvalles
- Roncesvalles - Larrasoana - Pamplona - Puente la Reina
- Puente la Reina - Estella - Los Arcos - Viana - Logrono - Navarrete
- Navarrete - Najera - Sto. Domingo de la Calzada - Belorado - San Juan de Ortega
- San Juan de Ortega - Burgos - Castrojeritz - Fromista
- Fromista - Carrion de los Condes - Sahagun - El Burgo Raneros - Mansilla de las Mulas
- Mansilla - Leon - Villadangos - Astorga - Rabanal de Camino
- Rabanal - Ponferada - Villafranca del Bierzo - O Cebreiro
- O Cebreiro - Samos - Sarria - Portomarin - Palas de Rei
- Palas de Rei - Arzua - Santiago de Compostela
1. Tag, Dienstag, 21. April 1998: Alsweiler -
Champenoux bei Nancy
Unseren Herrn Pastor, Pfarrer Karl Renner,
hatten wir gebeten, uns den Reisesegen zu geben. Wir trafen uns - wie vereinbart - um
07.30 Uhr mit unseren gepackten Rädern an der Kirche. Dabei waren auch Angehörige,
Werners Frau Maria, Tochter Ursula mit den beiden Kindern, Sohn Achim und die beiden
Brüder Herbert und Gerhard. Von meiner Seite waren Thomas, Mechthild und Kevin gekommen.
Pastor Renner hielt eine kleine Ansprache und gab nach einem Gebet seinen Segen. Das war
schon eine eindrucksvolle, rührende, Angelegenheit.
Kurz vor 08.00 Uhr verabschiedeten wir uns und fuhren los. Der Wetterbericht
hatte uns nach einer Schlechtwetterperiode ab heute eigentlich schönes Wetter
versprochen, aber es war anfangs noch nicht viel davon zu sehen.
Bis Saarbrücken wählten wir den Weg über Marpingen - Dirmingen - Illingen -
Merchweiler - Quierschied - Rußhütte, weil der uns insgesamt am leichtesten schien.
Lediglich zwischen Illingen und Merchweiler mußten wir den "Galgenberg"
überwinden. Hier "lauerte" und Werners Bruder Herbert mit dem Fotoapparat auf,
um noch ein Bild am Aufstieg zu machen.
Die knapp 40 Kilometer bis Saarbrücken bewältigten wir locker. An der "Berliner
Promenade" machten wir die erste Rast am Ufer der Saar. Besondere Sehenswürdigkeiten
gab es im Moment ja noch nicht, denn hier war alles längst bekannt. Zügig gings
alsbald saaraufwärts weiter. Wir setzten auf die linke Seite des Flusses über und fuhren
über den Treidelpfad bis Saargemünd. Bei Km 58 waren wir nun schon in Frankreich. Die
Uhr zeigte 12.00 Uhr durch, und es wurde Zeit, wieder eine Pause zu machen. In der Nähe
der Schleuse, am Kreisel der Innenstadt, machten wir Picknick. Nun durchbrach auch die
Sonne öfters die Wolken, das Wetter zeigte sich von einer angenehmen Seite.
Außerhalb von Saargemünd kamen wir zur N 74, auf der wir in Richtung Nancy
weiterfuhren. Hier kamen wir noch immer ohne Karten zurecht. Die Gegend war zumindest mir
bekannt. Die Straße führte zunächst bergauf. Oben, auf der Anhöhe, konnten wir dann
erstmals den eindrucksvollen Blick über das weite, fast flache, Lothringer Land
genießen.
Wegen der nahen Autobahn Straßburg - Paris wird hier die N 74 gewissermaßen als
Zubringer genutzt. Und so herrschte zunächst sehr lebhafter Verkehr. Aber bald legte sich
dieser und die Straße wurde wesentlich ruhiger.
Immer wieder faszinierte uns die Weite des Landes mit seinen wohlbestellten Feldern,
die grünen Saaten und das erste gelbe Leuchten der beginnenden Rapsblüte. Große
Rinderherden weideten in den Koppeln, selbst ein Esel schaute aus seinem Pferch zu uns
herüber.
Obwohl wir erst 80 Kilometer von zu Hause entfernt waren, war die Vegetation hier
deutlich weiter voran. Am Straßenrand blühten schon die ersten Schlüsselblumen,
schöne, besonders große Exemplare, wie wir fanden. Werner, der zu Hause eine kleine
Landwirtschaft nebenerwerbsmäßig betreibt, hatte seine helle Freude an diesen Dingen.
Trotz des relativ flach aussehenden Landes gab es doch einige Steigungen, wo wir
kräftig in die Pedale treten mußten. Aber das ist eben mal so beim Radfahren. Dennoch
sind wir an diesem ersten Tag sehr gut vorangekommen.
Das Wetter hatte sich am Nachmittag prächtig gemacht, wir hatten teilweise blauen
Himmel und Sonnenschein.
Über Puttelange und Chateau Salins erreichten wir Champenoux, wo wir die erste Etappe
beendeten, etwa 17.45 Uhr.
Im Hotel "La Lorette", einem Betrieb der Hotelkette "Logis de
France" fanden wir ein Zimmer, welches sich in einem Nebengebäude, vermutlich
ehemalige Scheune einer Landwirtschaft, befand. Der Zugang zu den Zimmern erfolgte über
einen Balkon von außen. Alles war ziemlich neu gestaltet und sehr schön. Der Preis
betrug 265 Fr. In Frankreich gibt es nur Zimmerpreise. Das waren also etwa 45 DM für
jeden (100 Fr sind etwa 30 DM). Ein Frühstück war allerdings im Preis nicht enthalten.
Man muß aber auch keins nehmen, wir buchten wegen einer frühzeitigen Abfahrt am
nächsten Morgen ohne Frühstück. Unser Abendbrot gestalteten wir von dem noch reichlich
vorhandenen Reiseproviant.
Fahrleistung: 138 km = 8 Stunden Fahrtzeit = Ø 17 km/h.
2. Tag Mittwoch, 22. April 1998: Champenoux -
Neufchateau
Im Champenoux konnten wir schon um 07.45 Uhr
in Richtung Nancy abfahren, allerdings ohne Frühstück. Hinter dem Ort ist ein
Heldenfriedhof für französische Soldaten aus dem 1. Weltkrieg angelegt, wo wir eine
kleine Pause einlegen und angesichts der vielen Gräben Gedanken machten über den Sinn
oder Unsinn solcher Kriege.
Das Wetter war schön, aber anfangs sehr kühl, dennoch gute Bedingungen zum Fahren.
Den Weg bis Nancy, die Entfernung ab Champenoux betrug etwa 15 km, hatten wir bald
abgespult.
Wir fuhren durch das Stadttor geradewegs zum Place Stanislas. Hier beeindruckten uns
die vergoldeten Kunstschmiedearbeiten, prächtigen Gitter, Laternen und Brunnen, nochmals
ein Tor, eine Allee, sowie herrliche Bauten wie z. B. das Palais Ducal.
In einem bereits geöffneten Straßencafé holten wir unser Frühstück nach. Danach
machten wir noch eine kleine Rundfahrt durch die Stadt und zur Kathedrale. Dann ging es
stadtauswärts Richtung Toul. Das ging ziemlich steil bergauf, manchmal waren wir uns auch
nicht im klaren, ob wir die richtige Route hatten. Doch dann hatten wir die D 400 nach
Toul gefunden.
In der Stadt hatten wir mehr Zeit liegen gelassen, als wir gedacht hatten. Der
Vormittag war schon zum größten Teil vorbei. Wir legten wiederum eine Pause ein,
hauptsächlich zum Trinken, denn mittlerweile war es schön warm geworden. Auch mußten
wir was gegen die Sonne tun und uns eincremen.
Erstmals hielten wir hier an einem verlassenen Holzlagerplatz unsere Morgenandacht. Ich
erwähne das hier einmal, wir haben sie in der Folge wie abgesprochen jeden Tag gehalten,
es sei denn, wir hatten Gelegenheit zum Besuch einer Messe.
Nach Toul ging es nun - wie bereits gesagt - über die D 400, einer guten, neu
ausgebauten Straße unweit der Autobahn. Unsere Mittagspause machten wir dann auf einer
Grünanlage am Rande der Stadt, zwischen Mosel und einem Teil der noch gut erhaltenen
alten Befestigungsanlage. In der Stadt selbst hatten wir keine weiteren Besichtigungen
geplant.
Die Weiterfahrt führte uns über Bulligny über gänzlich verkehrsarme Sträßchen. Es
gab immer wieder schöne Ausblicke übers Land, dominierend die immer gelber werdenden
Rapsfelder, aber die Steigungen sind gegenüber gestern schwerer geworden. Bei dem nun
sehr schönen Wetter nahmen wir das gerne in Kauf.
Wir befinden uns immer noch in Lothringen. Das Land ist relativ dünn besiedelt, nur ab
und zu trifft man auf ein kleines Dörfchen. Die Häuser sind bei weitem nicht in dem
Zustand, wie bei uns.
Die meisten könnten einen neuen Anstrich gut gebrauchen. Abgesehen von öffentlichen
oder historischen Gebäuden läßt auch die Bausubstanz oft zu wünschen übrig. Aber das
ist nun mal die Mentalität der Franzosen, sie haben für derartige Dinge nicht so viel
übrig wie wir - sie leben lieber.
Gegen 17.00 Uhr kommen wir in Neufchateau, unserem heutigen Etappenziel, an. Im Hotel
"Moderna" bekommen wir ein sauberes, sehr geräumiges Zimmer für 195 Fr. Danach
machen wir einen Einkaufsbummel durch einen Supermarkt, kaufen hauptsächlich Getränke,
und besichtigen die Stadt. Als Abendbrot esse ich im Hotel einen großen Salatteller und
trinke ein Viertel Rotwein.
Fahrleistung: 90 km = 5,35 Std. Ø 16,13 km/h.
3. Tag, Donnerstag, 23. April 1998: Neufchateau - Chatillon s.
Seine
Das Frühstück ließen wir uns heute im Hotel Moderna servieren. Es kostete
pro Person 25,- Fr. Die Franzosen stehen ja bei ums im Rufe der Feinschmecker. Ihre
Gewohnheiten beim Frühstück sind aber absolut nicht so. Wenn ich da an die üppigen
Büffets in Deutschland oder Österreich denke - ja selbst in Ungarn und Slowenien
gabs tolles Frühstück. So ist das schon ein gewaltiger Unterschied. Nein, hier in
Frankreich war das im höchsten Maße einfach. Ich möchte mal heute aufzählen, im Grund
war es immer ähnlich: Also, es gab 1 Croissant, 1 Stück Flitt, Butter und Marmelade in
kleinen Mengen. Ich trank dazu Café au lait, Werner bestellte sich Tee. Nun, man konnte
damit leben, aber etwas enttäuscht war ich schon.
Gegen 08.15 Uhr war Abfahrt. Zunächst war es wieder sehr kühl, aber die Aussichten
auf schönes Wetter waren gut. Über die N 74 fuhren wir nun in Richtung Chaumont.
Abgesehen von kleineren Anstiegen war es hier ziemlich flach. Aber es blies uns
kontinuierlich ein unangenehmer Gegenwind ins Gesicht. Wir befanden uns jetzt im
Departement Haut Marne. Bei Rimacourt lag der Friedhof des Ortes direkt an der Straße,
und wir wollten mal die dortige Gestaltung der Gräber sehen. Das ist was ganz anderes als
bei uns. Als Grabschmuck dienen fast ausschließlich künstliche Blumen und eine Anzahl
kleiner Schrifttäfelchen aus Marmor.
Vor Chaumont geht es dann rasant abwärts in Tal, wo wir die Marne überqueren. Die
Stadt liegt aber oben auf dem Berg, den wir anschließend wieder hinauf müssen. Es ist
Mittagszeit und im Zentrum der Stadt ist nicht viel los, die Geschäfte sind über Mittag
geschlossen. Werner möchte seien Trinkvorräte auffrischen und befragt eine Gruppe junger
Mädchen, wo es eine Möglichkeit dazu gäbe. Eines der Mädchen entfernt sich und kommt
mit einer Flasche Mineralwasser zurück. Aber sie will kein Geld dafür haben. So war das
ja wiederum nicht gemeint. Aber es fällt schwer, ihr die Flasche Wasser zu bezahlen.
Für alle Fälle wollte ich mir an einem Bancomaten noch ein paar Francs besorgen, doch
der Bancomat akzeptiert die Karte nicht. Ich mache mir Sorgen, möchte aber keinen
weiteren Versuch starten, um nicht in die gleichen Schwierigkeiten zu geraten wie in der
Toscana. Das Problem stelle ich erstmal zurück.
Nach einer Rundfahrt durch die Stadt haben wir Probleme, die richtige Ausfahrstraße zu
finden. Die junge Frau an der Tankstelle kann uns hierzu nur wenig behilflich sein. Ein
Kunde schaltet sich ein und meint, es sein nicht so einfach. Schließlich lädt er mich in
sein Auto und zeigt mir den Weg bis außerhalb der Stadt. Und in der Tat - es gab ein
Gewirr von Straßen, Zu- und Abfahrten, so daß sich die noble Geste des Herrn als sehr
nützlich erwies. Er zeigte mir noch ein großes Viadukt, von wo es in Richtung Auxerre
weiterging.
Unser nächster Aufenthalt war in Chateauvillain, wo ich das Problem mit dem
Geldautomaten lösen wollte. An einer geöffneten Bankfiliale bat ich den Bediensteten am
Schalter, mir die Handhabung des Automaten zu erklären. Und siehe da - es funktionierte,
ich bekam mein Geld und war eine Sorge los. Während Werner sich wieder um Essens- und
Trinkvorräte kümmerte, trank ich in der Bar eine gute Tasse Kaffee und aß ein
Stückchen.
Das Wetter ist weiterhin sonnig, wir können in kurzen Kleidern fahren, erst
am Abend ziehen Wolken auf. Die Landschaft bis Chatillon ist weiterhin ziemlich flach und
vom Ackerbau geprägt, große Parzellen mit Getreide und Raps, Weiden mit Rindvieh, kein
Brachland.
Am Ende der Tagesetappe kommen wir schon an die Seine, zu dem romantischen Städtchen
Chatillon. Es findet gerade ein Umzug mit Pferden statt. Ein Ehepaar in unsrem Alter
empfiehlt uns auf unsere Fragen zur Übernachtung das nahe Hotel "Cheval rouge".
Dort hat man noch ein Zimmer für uns, Kostenpunkt 220 Fr. Wir sind zufrieden. Bei der
Suche nach den Zimmern ist natürlich wichtig darauf zu achten, ob wir unsere Fahrräder
auch sicher unterstellen können. Möglichkeiten gabs immer, wenn auch manchmal
unter erschwerten Umständen.
Wir essen auf dem Zimmer und machen dann noch einen Stadtbummel. Zum Abschluß
genehmige ich mir noch ein Viertel Rotwein in der Gaststube des Hotels. Der Gastbesuch war
sehr mäßig, sowohl in der Gaststätte als auch im Speiseraum.
Fahrleistung: Ankunft in Chatillon um 18.30 Uhr, gefahrene km = 119 = 7 Std. 10 min =
Ø 16,7 km/h, Gesamtkilometer: 340
4. Tag, Freitag, 24. April 1998, Chatillon -
Vezelay
Das Wetter ist umgeschlagen, es ist stark bewölkt und es ist fast am
regnen.
Wir frühstücken wieder im Hotel. Diesmal kostet es 20 Fr. Um 08.15 Uhr fahren wir ab.
Heute fahren wir erstmals in den gelben Wetterjacken. Auf der D 980 gehts bei 300
bis 400 Höhenmetern in Richtung Montbard. Bis wir richtig aus dem Seinetal draußen sind,
geht es zunächst bergauf, dann ist es relativ eben. Erst vor Montbard wird es wieder
hügelig. Vermehrt fahren wir nun durch große Waldgebiete, in denen viele Eichen, schöne
Exemplare, zu sehen sind.
Obwohl das Wetter sich etwas gebessert hat, müssen wir weiter in langen Hosen und mit
Ärmlingen fahren. Dennoch machen wir eine weitere Frühstückspause im Freien.
Zwischen Montbard und Avallon wird es zeitweise richtig bergig, das ist ein
strapaziöser Abschnitt. Hier gibt's nur kleine Straßen, die uns über Wassy und Montreal
führen, eine etwas ärmliche Gegend.
Avallon ist eine alte, ehemals befestigte Stadt, wo noch gut erhaltene Teile der
Stadtmauer zu sehen sind. Weitere Sehenswürdigkeiten sind das Rathaus, das Stadttor und
die Kirche St. Lazare. Nach der Besichtigung gehts dann durch ein romantisches Tal
nach Vezelay. Das liegt auch wieder auf einem Berg. Der Anstieg forderte unsere letzte
Kraft.
Von Vezelay aus wurde im Mittelalter ein Kreuzzug gestartet. Aber noch bekannter ist es
durch seine Kathedrale und das Kloster, wo die Gebeine der Hl. Maria Magdalena ruhen
sollen. In meinem Vorbericht habe ich schon erwähnt, daß von hier einer der vier
französischen Pilgerwege ausgeht. Also müßte auch hier eine Herberge sein. Wir fragten
uns durch und fanden sie am Kloster, bei der Kathedrale, ganz oben auf dem Berg. Wir
meldeten uns an der Pforte und bekamen ein Zimmer mit zwei Betten angewiesen. Das kostete
für die Nacht 55 Fr. Ich nehme an, daß die Gebäude mehrere hundert Jahre alt sind, sie
boten wenig Komfort. Dennoch: Fließendes Wasser war im Zimmer, WC, Dusche und
Essensmöglichkeiten waren in Gemeinschaftsräumen untergebracht.
Wir stellten jedoch keine großen Ansprüche und waren mit den Verhältnissen
zufrieden.
Unsere Ankunft in Vezelay war etwa um 17.45 Uhr. Bereits um 18.30 Uhr war in der
Kathedrale eine Messe, die wir natürlich besuchen wollten. Da war schon gleich etwas Eile
geboten. Beim Betreten der Kirche staunten wir nicht wenig über die gewaltigen Ausmaße
der Kirche. Das Hauptschiff ist über 100 Meter lang sowie schlank und hoch in romanischem
Stil, abwechselnd mit hellen und dunkleren Steinen erbaut.
Dann zog die Klostergemeinschaft zur Messe in die Kirche ein, alle in weißen
Gewändern, 10 Patres und noch etwas mehr Nonnen. Sehr beeindruckend waren, man könnte
fast sagen "himmlische" Gesänge während des Gottesdienstes. Das war also ein
sehr hohes Erlebnis, wie es nur noch ganz wenige während unserer Reise gab. Nach der
Messe konnten wir noch die Kirche und den Kreuzgang besichtigen. Tiefbewegt kamen wir zur
Herberge zurück.
Dort hatten wir bereits bei unserer Ankunft die ersten Santiago-Pilger getroffen,
zweimal drei Leute aus Belgien. Sie waren nicht zusammen, aber jede Gruppe hatte ein Auto
dabei. Zwei Marschierten, einer fuhr den Wagen. Es waren ebenfalls ältere Personen, wenn
sie bis Santiago durchhalten, eine große Leistung.
Der heutige Tag war der bisher anstrengendste gewesen. Ich persönlich war ziemlich
müde und mir taten die Beine weh. Das Abendessen bereiteten wir uns selbst in der
Herberge.
Fahrleistung: 98 km = 7 Std. = Ø 14 km/h, Gesamtkilometer: 438
5. Tag, Samstag, 25 April 1998, Vezelay -
Nevers
Die Wetterlage ist gegenüber den Anfangstagen wesentlich schlechter
geworden. Auch heute ist es wieder stark bewölkt und zunächst ausgesprochen
unfreundlich.
Wir machen uns von unseren Vorräten im Aufenthaltsraum unser Frühstück. Hierzu hatte
ich u. a. von zu Hause Portionspäckchen Pulverkaffee mitgenommen, was sich nun als sehr
nützlich erwies. Gegen 08.15 Uhr verließen wir die Herberge und fuhren zunächst
nochmals zur Kathedrale. Auf dem Vorplatz haben wir noch ein Foto von drei Nonnen gemacht,
die sich gestern unter den "himmlischen" Sängerinnen befanden. Dann ging es
rasant den Berg hinab, Vezelay lag hinter uns.
Ab jetzt konnten wir nach dem bereits erwähnten Führer in englischer Sprache von John
Hatfield fahren. Wir hielten uns aber nicht streng an die angegebenen Routen, sondern
wählten unseren Weg zwischen "Le Grand Chemin Royal" und "The Direct
Route", je nach Gutdünken aus.
Wir fahren zunächst auf der D 958 und einigen ruhigen Nebenstraßen. In der Nähe von
Bazoches kommen wir an dem Schloß des ehemals französischen Festungsbaumeisters Vauban
vorbei. Dieser hat auch einen Teil der Befestigung von Saarlouis erbaut. In Corbigny
machen wir eine Pause und ergänzen unseren Proviant. In einer Metzgerei braten Hähnchen
am Grill. Der ausströmende Duft läßt mich nicht vorbeigehen, ich lasse mir ein halbes
einpacken.
Das wird dann gleich hinter dem Ort aus der Tüte gegessen. Ab und zu fallen nun ein
paar Regentropfen. Wir beschließen, ab Corbiny den kürzeren Weg nach Nevers über St.
Saulge zu nehmen. Wir kommen dabei durchs Tal der Yonne und zum Canal du Nivernais, wo wir
wieder eine Rast einlegen. Aber ein glattes Weiterfahren ist nun nicht mehr möglich,
dreimal müssen wir uns wegen der Regenschauer unterstellen. Diese Umstände haben aber
auch unsere Fahrt etwas beschleunigt. Wir sind schon vor vier Uhr in Nevers. Wir fragten
bei der Touristeninformation nach Unterkunftsmöglichkeiten. Aber da meinte man, es sehe
schlecht aus. Da war guter Rat teuer ...
Werner fragte dann die junge Dame, ob nicht im Kloster der Bernadette eine Möglichkeit
für zwei Santiagopilger für eine Nacht bestünde. Sie telefonierten mit dem Kloster und
man sagte ihr, daß wir kommen könnten. Voller Freude fuhren wir hin. Wir mußten warten,
denn der Verwaltungsdirektor persönlich sollte kommen. Schließlich war er da. Er bat uns
in sein Büro, stellte ein paar Fragen und wies uns dann in einem Nebengebäude ein
beheiztes Gästezimmer an. Hier konnten wir zunächst mal unsere feuchten Sachen
aufhängen, einen Teil konnten wir auswaschen.
Dann sahen wir uns das Kloster an, die Kirche, wo Bernadette in einem Glasschrein
aufgebahrt liegt. Sie sieht fast so aus, als ob sie noch leben würde. Auch die Grotte
nebenan und das kleine Museum suchten wir auf.
Um 19.15 Uhr war in St. Pierre, einer Kirche im Stadtzentrum, eine Vorabendmesse. Da
gingen wir hin. Die Zahl der Kirchenbesucher war nicht besonders groß, und dabei war das
die einzige Abendmesse in der gewiß nicht kleinen Stadt.
Durch die Kirche zog es, so daß wir die Plätze wechselten, um uns nicht eine
Erkältung zu holen. Der Gottesdienst hat nach meinen Begriffen sehr lange gedauert, es
war schon 21.00 Uhr als wir ins Kloster zurückkehrten. Dabei hatten wir noch kein
Abendbrot. Das genossen wir dann ausgiebig in unserer Residenz.
Fahrleistung: 94 km = 5,5 Std. = Ø 16 km/h, Gesamtkilometer: 532
6. Tag: Sonntag, 26. April 1998, Nevers - St.
Pierre le Moutier
Heute steht uns ein schlimmer Tag bevor: In der Nacht bin ich mehrmals
aufgewacht und habe den Regen gehört, der förmlich herniederprasselte. Auch als der Tag
beginnt regnet es immer noch. Die Aussichten sind schlecht, wir brauchen uns nicht zu
beeilen. Um 08.00 Uhr ist nebenan in der Kirche der Bernadette nochmals eine
Sonntagsmesse, die wir dann aufsuchen. Hier sind etwas mehr Besucher als gestern in der
Stadt. Der Grund ist auch bald gefunden: eine italienische Pilgergruppe mit einem
Geistlichen gestaltet die Messe mit. Und die Italiener, das kenne ich, sind bei besonderen
Anlässen mit einer gewissen Inbrunst dabei.
Auch nach der Messe hat der Regen noch nicht aufgehört. Wir machen uns in unserem
Zimmer ein Frühstück und können danach in aller Ruhe packen. Es ist schon 10.30 Uhr als
wir wieder neuen Mut schöpfen, der Regen hört fast auf. Als Hobbywetterkundler sind wir
der Meinung, daß das Ärgste vorbei ist. Wir geben unseren Schlüssel an der Pforte ab
und wollen bezahlen. Aber man will nichts haben, man kennt offensichtlich keine Preise.
Wir geben aber eine angemessene freiwillige Spende und lassen uns noch den Stempel des
Hauses in unseren Pilgerausweis drücken.
Um 10.45 Uhr verlassen wir das Kloster. Aber der Regen hört nicht auf, es ist mir
nicht einmal möglich, ein Foto von Nevers zu machen.
Wir fahren hinunter zur Loire, die schon einen sehr hohen Wasserstand hat. Über eine
Brücke gehts ans andere Ufer. Es ist gut, daß wir uns vor unserer Abfahrt noch
Regenumhänge (Ponchos) gekauft hatten. Die tun jetzt gute Dienste. Wir fahren über die N
7 an Mangny Cours vorbei, den Formel-1-Fans ein Begriff, sozusagen das französische
Hockenheim. Doch auch das ist heute uninteressant. Der Regen wird zeitweise so stark, daß
wir uns zweimal unterstellen müssen. Das Wasser steht mir in den Schuhen. Das zweite Mal
halten wir an einem alleinstehenden Hotel-Restaurant. Die Chefin des Hauses hat uns unterm
Dach eines der Nebengebäude stehen sehen und kommt zu uns heraus. Vorsorglich fragen wir
nach einem Zimmer. Sie zeigt uns welche, ebenfalls im Nebengebäude.
Aber die sind alle nicht geheizt. Wir gehen mit ihr ins Restaurant, einem
reetgedeckten, rustikalen Haus. Der Speisesaal ist kreisrund und gut besetzt. Es ist ja
Sonntag und Zeit zum Mittagessen. Die Tische stehen ringsum der Feuerstelle, wo die Steaks
zubereitet werden. Steaks sind offensichtlich die Spezialität des Hauses. Wir erklären,
daß wir kein großes Essen möchten. Die Chefin bietet uns eine Gemüsesuppe an. Die ist
schön warm und tut gut. In dem feinen Lokal fühlen wir uns im durchnäßten Zustand
nicht recht wohl. Doch was wollen wir machen? Um nicht ganz "trocken" zu sitzen,
trinke ich noch ein Glas Wein. Und danach müssen wir uns entscheiden: Das hieße in
diesem Falle, bis zum nächsten Ort weiterfahren. So ging`s halt wieder in den Regen.
Alsbald kommen wir nach St. Pierre le Moutier. Der Ort wirkt wie ausgestorben, kein
Mensch ist zu sehen. Wir kommen zum Hotel "Du Commerce" und wollen hinein. Doch
da ist gerade eine Familienfeier, eine geschlossene Gesellschaft. Man will uns wieder
hinausweisen, als ich nach einem Zimmer frage. Ja, Zimmer haben sie, und ein sehr großes
mit zwei Heizkörpern.
Das war gerade das richtige für uns. Es soll 185 Fr. kosten.
Als wir unser Gepäck im Hinterhof abladen, kommen wir an der Küche vorbei, als im
Fernsehen gerade der Start des Großen Preises der Formel 1 aus Monza übertragen wird.
Dann richten wir uns in unserem Zimmer "häuslich" ein, das heißt, die
Heizung wurde groß gestellt und Wäscheleinen, die wir dabei hatten, quer durchs Zimmer
gespannt. Dann hängten wir unsere durchnäßten Sachen zum Trocknen auf. Eine gute warme
Dusche durfte natürlich nicht fehlen.
In trockener Kleidung fühlten wir uns wieder wohl und wir gingen mal hinunter ins
Lokal. Bei der dort stattfindenden Familienfeier handelte es sich um eine Kindtaufe. Die
Stimmmung unter den Gästen war prächtig. Wir nahmen am Tresen Platz. Ich bestellte mir
einen Cappuccino und einen Armagnac. In seiner Freude kam auch der Vater des Täuflings
mit einem Tablett vorbei und bot uns Gebäck an. Zum Abendessen zogen wir uns wieder auf
unser Zimmer zurück.
Das war heute ein schlimmer Tag, aber auch der schlimmste geht mal zu Ende... Und Ende
gut - alles gut.
Fahrleistung: 26 km = 1,4 Stunden = Ø 16 km/h, Gesamtkilometer 558
7. Tag, Montag, 27. April 1998, St. Pierre -
Boussac
Auch in der Nacht hatte es nicht aufgehört zu regnen. Am Morgen sah es im
wahrsten Sinne des Wortes düster aus. Doch zuerst gingen wir mal zum Frühstück. Und
hier gab es schon gleich was erfreuliches. Das unterschied sich zwar in der Qualität kaum
von den bisherigen, aber es war doch wesentlich mehr auf dem Tisch. Da hatte der Magen
schon was zu tun. Es kostete auch nur 20 Fr.
Dann kam die zweite Überraschung. Wir studierten in der Zeitung den Wetterbericht, so
es ging. Die Prognosen für unsere Region waren nicht schlecht, helle Wolken und Sonne.
Der Wirt bestätigte dies.
Wir packten schon mal unsere Sachen, und tatsächlich - es hörte auf zu regnen, so
daß wir um 09.45 Uhr weiterfahren konnten. Es blieb trocken bis zum späten Nachmittag.
Die Flüsse und Bäche waren randvoll mit Wasser, das oft schon über die Ufer getreten
war. Auch die beiden größeren Flüsse Allier und Cher, die wir heute überquerten, waren
stark angeschwollen. Zwischen Lurcy-Levis und Urcai fuhren wir etwa 20 km durch ein
zusammenhängendes Waldgebiet mit einem prächtigen Baumbestand, hauptsächlich hohe,
gradgewachsene Eichen.
Heute machten wir nur kurz Pause, denn es war relativ kühl. Fahren war trumpf, wollten
wir doch die verlorene Zeit von gestern und heute morgen wenigstens zum Teil wieder
aufholen. So ging es von Urcai über Saulzais, Culan und Preveranges nach Boussac, welches
wir über die D 997 erreichten. Wegen kleinerer Regenschauer, die uns gegen Ende der
Etappe wieder trafen, unterbrachen wir allerdings die Fahrt nicht mehr. Boussac liegt etwa
auf halbem Weg zwischen Montlucon und la Chatre, allerdings schon im Departement
Haut-Vienne, dessen Hauptstadt Limoges noch eine Tagesreise entfernt ist.
In dem Reiseführer von Hatfield wird für Boussac das Hotel "Le Boeuf
Couronne" empfohlen - das Hotel von gestern steht übrigens auch darin. Wir konnten
wählen zwischen einem Zimmer im neuen Trakt für 280 Fr. und einem im älteren Teil für
120 Fr. Wir haben uns natürlich für das letztere entschieden, zumal es noch etwas
geräumiger war, allerdings ohne Dusche und WC.
Vielleicht sollte ich noch ein paar Worte über die Landschaft sagen. Die schönen
Wälder habe ich schon erwähnt. Die zuletzt durchfahrene Gegend ist wieder relativ flach
gewesen, es gab nur ein paar kurze Steigungen. Wir fuhren fast ausschließlich über
ruhige, verkehrsarme Straßen. Außer den Wäldern war aber auch noch viel Landwirtschaft
zu sehen. Der Raps steht nun in voller Blüte und sorgt für farbliche Abwechslung.
In Boussac sind wir kurz vor 18.00 Uhr angekommen. Im Zentrum wurde ein Fest, ähnlich
unserer Kirmes, gefeiert. Der Ort hat offensichtlich schon seine Geschichte. Am Steilhang
zu dem tief unten im Tal fließenden Flüßchen Creuze steht ein Schloß.
Wir machten noch einen Rundgang durch die Stadt in der Hoffnung, ein Lokal mit
Teigwaren (Spaghetti o. ä.) im Angebot zu finden. Aber dem war nicht so, so daß wir
unser Abendbrot wieder auf dem Zimmer einnahmen.
Fahrleistung: 105 km = 6,2 Std. = Ø 16,54 km/h, Gesamtkilometer = 663
8. Tag, Dienstag, 28. April 1998, Boussac -
Vigen bei Solignac
Heute beginnt schon die zweite Woche unserer Fahrt. Wenn wir Bilanz ziehen
wollen, so können wir eigentlich mit der ersten Woche zufrieden sein. Wenngleich das
Wetter es in den letzten Tagen nicht besonders gut mit uns gemeint hat. Aber mit sowas
muß man rechnen, vor allem muß man entsprechend ausgerüstet sein. Unter den
Verhältnissen können wir auch mit unserer Kilometerleistung durchaus zufrieden sein.
Frühstück gab`s im Hotel. Das ist auch nach den bisherigen Erfahrungen das beste. Wir
hatten ja mal in Erwägung gezogen, erst unterwegs zu frühstücken, doch das geht
schlecht. Es sei denn, wir könnten mal bei sehr günstigem Wetter sehr zeitig losfahren.
Bei unserer Abfahrt in Boussac ist es noch sehr kühl. Die Wolkendecke reißt zwar ab und
zu auf und gibt den Blick zum blauen Himmel frei, aber dennoch bleiben wir von kleineren
Schauern nicht verschont. Selbst Graupel ist dabei. Wir kommen durch Gouzon und Ahun,
machen dann eine Pause an einer Hütte für Wanderer. Landschaftlich haben wir hier eine
sehr reizvolle Gegend. Wir rufen uns mehrmals beim Fahren zu: "Wie im
Schwarzwald". Dadurch läßt sich auch erkennen, daß es wieder bergiger geworden
ist, was aber auch größere Steigungen bedeutet. Doch das Auf und Ab war uns ja bekannt,
doch mit der entsprechenden Gelassenheit ließen sich auch wesentlich größere
Schwierigkeiten meistern. Und die kommen noch.
Nach einer längeren Abfahrt kommen wir zu einem Stausee, der uns zum Fotografieren
einlädt. Nicht weit davon ist eine kleine Kapelle, St. Martial.
Nach längerer Fahrt sind wir am frühen Nachmittag in Bourganeuf, einer Kleinstadt mit
Kirche, Rathaus usw. Am Marktplatz machen wir in einer Bar Rast. Werner trinkt seinen Tee,
ich einen Kaffee, dazu einen Armagnac, dazu essen wir etwas Gebäck. Wir sind jetzt in der
Region "Limousin", die Hauptstadt ist Limoges. Eine Region hat in Frankreich
mehrere Departements, etwa 4 - 5. Das Limousin ist u. a. durch die rotbraunen Rinder
bekannt, die in großen Herden auf den Weiden sind. Auch in St. Leonard, der nächsten
Stadt, machen wir einen Besuch in der Altstadt.
Hier beeindruckt besonders die romanische Kathedrale. Nach kurzem Aufenthalt fahren wir
hinab ins Tal der
Vienne, wo wir ein Stück flußabwärts radeln. Dann biegen wir links ab auf die D 65,
einer schmalen Straße mit wenig Verkehr, aber ein paar kräftigen Anstiegen.
Dazu mußten wir noch für einen Rechenfehler büßen, der mir bei der Festlegung der
Fahrtroute unterlaufen war. Denn zu dem mir vorliegenden Kartenmaterial - Michelin 238 und
233 - gab es keinen direkten Anschluß, so daß ich einen Teil der Route mit dem
Straßenatlas überbrücken mußte.
Wegen dessen größeren Maßstabes gab es ungenaue bzw. fehlende Kilometerangaben. So
hatten wir bis Noblat gerade in dem etwas schwierigeren Tagesabschnitt bedeutend mehr zu
fahren als uns lieb war.
Auf diesem letzten Stück hatte ich mir sehr schwer getan und war bei der Ankunft in
Vigen ziemlich fertig. Werner hatte es nicht so viel ausgemacht. Gleich bei der ersten
sich bietenden Möglichkeit stiegen wir im Hotel "Les Touristes", das ebenfalls
bei Hatfield empfohlen wird ab.
Hier bekamen wir ein sehr großes Zimmer mit Dusche und WC. Es war wiederum ein altes
Gebäude. Unser Zimmer hatte z. B. in der Diagonalen einen Höhenunterschied von
mindestens 10 cm. Für die Nacht haben wir zusammen 200 Fr. und für das Frühstück je 20
Fr. bezahlt. Zum Abendessen gabs Schweinesteak mit Pommes. Wir waren allein in dem
sehr großen, mit Kamin und sonstigen schönen Dingen ausgestatteten Speisesaal.
Heute hatten wir immerhin 133 km "abgerissen" in 8,15 Std., bei einem Schnitt
von 16 km/h.
Ein Novum: Vom heutigen Etappenziel gibt es keine Fotos. Offensichtlich war ich zu
müde und hatte keinen "Bock" darauf.
9. Tag, Mittwoch, 29. April 1998, Vigen -
Perigueux

Beim Aufstehen regnet es mal wieder. Wir brauchen uns also mit dem Frühstück nicht zu
beeilen. Dennoch bereiten wir uns langsam zum Aufbruch vor. Wir ziehen unsere
Regenkleidung an und packen unsere Sachen so gut wie es geht wasserdicht ein. Dafür hat
jeder einen besonderen Regenschutz dabei.
Gegen 09.00 Uhr können wir abfahren, der Regen hat fast aufgehört. Schon nach wenigen
hundert Metern beginnt ein kräftiger Anstieg. Und bald regnet es nicht mehr, wir können
zumindest unseren Umhang ausziehen. In Nexon machen wir die erste Pause, wo wir ein
Schloß mit Gestüt besichtigen.
Eigentlich wollten wir über Chalus fahren, wo einst der englische König Richard
Löwenherz gefangen war. Aber das hätte einen Umweg und noch größeren Zeitverlust
bedeutet. Und so fuhren wir nicht der mit Hinweisen versehenen Straße nach, sondern bogen
in Les Cars in südlicher Richtung auf die D 20 ab. Obwohl es weiterhin hügelig ist, wird
das Land auch hier intensiv landwirtschaftlich genutzt. Immer wieder sieht man große
Rinderherden auf den Weiden.
Das Wetter ist nach wie vor nicht sehr freundlich, so daß wir in Boussier-Galant
wieder eine Pause einlegen. Wir kaufen uns in einer Bäckerei Eßwaren, die wir in der Bar
nebenan zu Kaffee bzw. Tee verzehren können. Heute brauche ich mal wieder einen Armagnac.
In der Bar waren übrigens noch etliche Franzosen beim Frühschoppen. Es ging laut zu.
Einer der Gäste interessierte sich besonders für uns, war wir wohlwollend aufnahmen. Er
war schon fast 80 Jahre alt, man sah es ihm in keinster Weise an. Es war ein kurzweiliger
Aufenthalt.
Zwischen Coqville und Thiviers fuhren wir über die N 21, als es wieder zu regnen
begann. In Thiviers wollen wir anhalten, um uns über den weiteren Verlauf der Route zu
orientieren. Hierzu fahre ich sehr diagonal auf den nassen Bürgersteig auf und rutsche
bei sehr geringer Geschwindigkeit mit dem Vorderrad am abgesenkten Bürgersteig ab und
falle regelrecht um. Gottseidank ist nichts dabei passiert.
Dann haben wir wieder eine sehr ruhige Straße, mehr oder weniger einen Weg. Der
verläuft allerdings etwas bergauf und - ab und hat zudem ab Sorges eine Strecke, die mit
Schlaglöchern geradezu übersät ist. Offensichtlich habe ich mir hier zwei Speichen am
Hinterrad abgerissen, was wir allerdings erst am nächsten Tag feststellen.
Unser heutiges Ziel ist Perigieux, eine schon größere Stadt in der Landschaft
Perigord, wo wir gegen 17.00 Uhr ankommen.
Zur Zimmersuche folgen wir den Hinweisschildern zur Touristeninformation. Hier treffen
wir ein sehr hilfsbereites, z. T. deutschsprachiges, Personal. Aber es gelingt ihnen erst
nach einigem Hin und Her, im Hotel "Regina", in der Nähe des Bahnhofs, ein
Zimmer zu finden. Der Preis 260 Fr., Frühstück 32 Fr.
Beim anschließenden Gang durch die näheren Viertel der Stadt versorgen wir uns mit
Proviant. Während sich Werner dann zurück ins Hotel begibt, versuche ich, die bekannte
Kathedrale St. Front zu finden, die wir am nächsten Morgen noch besichtigen wollen.
Sie war auch nicht so weit weg, wie wir ursprünglich vermutet hatten. Vom Vorplatz der
Kathedrale hat man einen schönen Ausblick auf den Fluß Isle und einen Teil der Stadt.
Auf dem Rückweg esse ich in einem Restaurant für knapp 30 Fr. noch eine Portion
Spaghetti Bolognaise und trinke dazu ein Gläschen Rotwein.
Fahrleistung: 93 km = 6,0 Std. = Ø 15,7 km/h
10. Tag, Donnerstag, 30. April 1998,
Perigieux - La Reole
Mit dem Frühstück ist man im Hotel relativ früh dran, es ist im Vergleich
zu anderen umfangreicher, so daß man den höheren Preis auch akzeptieren kann. Mit dem
Wetter sieht es nicht sehr gut aus. Die grauen Wolken deuten auf Regen hin.
Wir fahren durch die Stadt zur Kathedrale und dann den Berg hinab zur Isle. Und wenn
man von oben einen schönen Blick hinab zum Fluß hat, so gilt das in gleichem Maße
umgekehrt. Mit ihren 5 Kuppeln erhebt sich diese imposante Kirche über die Stadt. Wir
fahren entlang der Isle flußabwärts. Aber noch sind wir nicht aus der Stadt, so zwingt
uns ein kräftiger Regenschauer, die Fahrt zu unterbrechen. Wir müssen uns unterstellen
und ziehen die Regenkleider an. Obwohl es noch leicht weiterregnet, setzen wir
schließlich die Fahrt fort. Das Gelände ist hier nur noch leicht hügelig. Die
Erhebungen sind etwa bis 200 m hoch, also aus dieser Sicht nicht mehr so anstrengend.
Auch der Regen hat wieder aufgehört. Doch vor Mussidan meint Werner, der hinter mir
fährt, daß mein Hinterrad "eiern" würde. In der Tat - wir stellen zwei
gebrochene Speichen fest. Offensichtlich ist das am Vortag auf der schlechten Wegstrecke
zwischen Sorges und Perigieux passiert, ohne daß wir es bisher bemerkt hatten. In
Mussidan fanden wir auch gleich einen Reparaturbetrieb, wo der Monteur die Panne bald
behoben hatte. Es war nicht sehr teuer, mit etwas Trinkgeld habe ich 80 Fr. bezahlt. Eine
deutsch sprechende, sehr freundliche, Dame erklärte uns anschließend den nicht gerade
einfachen Weg aus der Stadt.
Danach verlassen wir das Tal der Isle und fahren durch etwas welliges Gelände. Die
Erhebungen sind nun mal gerade noch 100 m hoch. So kommen wir in der Nähe von St. Foy ins
Tal der Dordogne. Das Wetter hat sich inzwischen wesentlich gebessert, zum Fahren allemal,
und wir machen Picknick am Ufer des Flusses. In St. Foy überqueren wir denselben. Wir
befinden uns nun etwa in Höhe von Bordeaux, ungefähr 60 km entfernt. Immer häufiger
sind auch nun die Weinfelder des Bordeux-Weines anzutreffen.
Die für die Weiterfahrt von uns gewählten Straßen erweisen sich wiederum für
Radfahrer als sehr gut geeignet. Wir kommen nur durch wenig Ortschaften. Auch können wir
den Rest der Strecke in kurzer Kleidung fahren.
Es ist inzwischen 18.30 Uhr geworden, als wir in La Reole an der Garonne ankommen. Die
Information hat schon geschlossen. Aus einem Aushang entnehmen wir die Adresse einer
Privatpension. Obwohl uns die Madame anfangs einen hohen Preis für ein Zimmer nennt,
erhalten wir nach entsprechenden Verhandlungen 2 Einzelzimmer nebeneinander für zusammen
200 Fr. Ein Frühstück bietet sie für 15 Fr. an. Die Adresse der Pension lautet: Le
Martouret, Chambres D Hotes, Mme & Mr Latapye, 66, rue du Martouret, 33190 La
Reole, Gironde-France, Tel 05 56 61 04 81.
Obwohl es mittlerweile schon etwas spät geworden ist, machen wir noch einen kleinen
Bummel durch die mittelalterliche Stadt. Aber ein städtisches Leben gibt es nicht, die
Straßen sind fast menschenleer. Was uns dabei besonders aufgefallen ist, ist die sehr
alte Bausubstanz eines Wohnviertels, wo uns zumindest ein Teil der Häuser baufällig
erschien, fast wie ein Slum.
Fahrleistung: 120 km = 7,06 Std = Ø 16.93 km/h, Gesamtkilometer: 1.010
11. Tag, Freitag, 01.05.98, La Reole - Riscle
Heute ist der 1. Mai, wie ich glaube, in ganz Europa ein Feiertag. Das
Ehepaar Latapye hat uns schon früh ein gutes Frühstück bereitet und zeigt uns stolz ihr
großes Anwesen, ein ehemaliger landwirtschaftlicher Betrieb. Wir machen vor dem Haus noch
ein Foto mit ihnen und fahren gegen 08.00 Uhr los. Leider hatten sie keinen Stempel für
unseren Pilgerausweis. Der wurde uns aber in einer Bar am Marktplatz gerne aufgedrückt.
Trotz des 1 Mais war heute Markttag, die ersten Stände waren schon geöffnet. Ein
Denkmal, an dem wir vorbeifuhren, war wegen des Feiertages mit der Tricolore geschmückt.
An allen öffentlichen Gebäuden waren ebenfalls die Fahnen aufgezogen.
Wir fuhren hinab zur Garonne, die wir anschließend überquerten. Das Wetter war auch
heute Morgen nicht sonderlich gut. Es war wieder regnerisch und keine gute Sicht. Erneut
mußten wir zunächst in Regenkleidung fahren.
Aber der Tag hatte auch eine angenehme Seite: Wir befanden uns nun in der Region
Aquitanien, im Departement Landes. Hier ist fast alles tellereben, die zum Teil
alleeartigen Straßen führen kilometerweit geradeaus. Das läßt sich sehr gut fahren,
zumal sich das Wetter immer mehr bessert. Was wir schon in La Reole gesehen hatten, setzte
sich auch in der nächsten Stadt, Bazas, fort: An den Straßen und Plätzen standen
fliegende Händler und boten Maiglöckchen an, auch bunte, wie ich noch keine gesehen
habe. Die Lebensmittelgeschäfte waren auch heute geöffnet, so daß wir in Bazas eine
erste Pause machten, um für das leibliche Wohl vorzusorgen.
Dann besichtigten wir die Kathedrale mit ihrem mächtigen Vorplatz und den
Arkadengängen. Ab Bazas fahren wir dann durch unendlich große Waldgebiete, meistens
Kiefern. Aber auch Laubwälder sind gepflanzt worden, Baum für Baum in einer Reihe
stehend. An einer lichten Stelle machen wir Picknick.
Kilometer für Kilometer bringen wir rasch hinter uns. Das Gelände reizt zum
Schnellfahren, es gibt ohnehin nicht viel zu sehen in dem nur schwach besiedelten Land.
Wir kommen über Roquefort - das hat nichts mit dem berühmten Käse zu tun, wie wir
zunächst dachten - und machen dann in Pouydesseaux eine Kaffeepause.
Über Villeneuf gehts dann nach Aire sur lAdour, wo wir schon von weitem
eine Gewitterfront hängen sehen. Und was wir befürchtet hatten trifft ein: Wir geraten
mitten hinein. Gottseidank befinden wir uns gerade an einem Gewerbegebiet, wo wir uns an
einem Supermarkt gut unterstellen können. Nicht auszudenken, wenn wir hier hineingeraten
wären. Es goß in Strömen und im Nu war der große Parkplatz vor dem Markt regelrecht
überflutet. Wir standen trocken, aber stellten auch fest, daß das Gewitter kaum noch
weiterzog. So entschlossen wir uns, als es nicht mehr so stark regnete, einfach
weiterzufahren. Und siehe - wir kamen bald in einen Bereich, wo es immer mehr aufhört.
Unser Tagesziel Riscle konnten wir so noch gut erreichen. Wir kamen gegen 18.00 Uhr
dort an. Im einzigen geöffneten Hotel am Platze, dem Hotel de la Paix, bekamen wir für
170 Fr. ein Zimmer, Frühstück 20 Fr.
Das Abendessen nahm ich im Hotel ein. Es gab Schweinesteak, Bratkartoffeln, Salat,
Käse, Pudding und einen Mokka. Dazu habe ich ein Gläschen roten Bordeaux getrunken. Das
war ein sehr gutes Mahl.
Zu dem Steak sei noch zu sagen, daß ich das nach Germanenart durchgebraten haben
wollte. Aber das sprach mir der Patron, der mich selbst bediente, partout ab. Das sei in
Frankreich unschicklich meinte er, ist sollte es wenigstens medium nehmen. Es war ein sehr
guter Rat.
Fahrleistung: 138 km = 7,26 Std = Ø 18,55 km/h. Das war heute eine sehr gute Leistung,
aber es waren auch gute Verhältnisse. Gesamtkilometer 1.148
12. Tag, Samstag, 02. Mai 1998, Riscle - Lourdes
Während der Woche hatte mir Werner nach einem Telefonat mit seiner Frau
Maria mitgeteilt, daß mehrere Personen aus Alsweiler mit dem Saar-Pilgerzug nach Lourdes
unterwegs seien. U. a. seine Nachbarn, Marliese und Rudi Seiler. Wir rechneten uns aus,
sie evtl. am heutigen Samstag in Lourdes treffen zu können. Und ich muß sagen, irgendwie
spornte uns das an.
Das Frühstück im Hotel wurde schon vor sieben serviert. Aber das nutzte zeitlich
nicht viel, denn es regnete. Dennoch zogen wir unsere Regenkleidung an und fuhren gegen
07.30 Uhr los in der Hoffnung, daß es bald aufhören würde. Dem war absolut nicht so.
Ich kann es vorwegnehmen - es regnete ununterbrochen bis Lourdes.
Wir machten zwei Imbißpausen mit Kaffee und Armagnac bzw. Tee. Von dieser Fahrt gibt
es von unterwegs nichts zu berichten. Es gab nur eins: Durchfahren, egal wie!!
Genau um 13.00 Uhr waren wir am Ortseingang in Lourdes, wo wir uns
gegenseitig ein Foto machten. Wir waren durch und durch naß. Bei der Fahrt zur
Information stießen wir auf das Hotel Parisien, wo Zimmer für 180 Fr. angeboten wurden.
Da die Lage ziemlich zentral war, mieteten wir uns hier ein. Es war ein großes Zimmer mit
3 Betten, Dusche und WC. Auch die Heizung funktionierte, so daß wir unsere nassen Kleider
trocknen konnten. Ich war ja schon zweimal mit Lenje im unweit gelegenen Hotel Napoleon
gewesen, aber dort waren die Zimmer nicht so geräumig wie hier. Also hatten wir es mal
wieder gut getroffen.
Da ich mit dem Ablauf der Pilgerveranstaltungen vertraut war, mußten wir uns schon
bald zur Sakramentsprozession fertig machen. Doch die Prozession konnte wegen des Regens
nicht stattfinden. Dafür fand ein Gottesdienst in der großen unterirdischen Basilika
statt. Das war dann auch sehr beeindruckend mit den vielen Geistlichen und der großen
Krankenschar in ihren Rollenstühlen. Imponierend auch die in verschiedenen Sprachen -
auch deutsch - dargebotenen Gesänge.
Nach dieser Veranstaltung trafen wir auf dem Vorplatz Pilger aus Schwalbach. Sie
meinten, die von uns gesuchten Personen müßten beim Rosenkranz mit Pater Gerard im
Pilgerzentrum anzutreffen sein. Dort machten wir sie dann auch unter den Teilnehmern aus.
Es waren drei Personen. Neben Rudi und Marliese Seiler war auch noch Mia Schmidt aus
der Tholeyer Straße da. Es war ein freudiges Wiedersehen. Und dann, für mich als Gipfel
dieses Ereignisses, standen plötzlich mein Cousin Vinzenz und seine Frau Renate neben
mir. Das war rührend, ich glaube, es sind ein paar Augen feucht geworden.
Ich führte Werner noch zu den wichtigsten Anlagen der Wallfahrtsstätte, vor allem
gingen wir durch die Grotte. Dann begaben wir uns wieder ins Hotel, um dort unser
Abendessen einzunehmen. Natürlich wollten wir auch nicht die abendliche Lichterprozession
versäumen, zumal der Regen eine Pause machte. Wir standen anfangs am Prozessionsweg und
erkannten dabei Hilde und Martin Maurer, ebenfalls Wallfahrer aus unserem Ort.
Als wir dann Vinzenz und Renate erblickten, reihten wir uns bei denen in die Prozession
ein.
Mit Ende der Lichterprozession hatten wir einen halben Tag in Lourdes hinter uns. Wenn
es auch nur kurz war, so war es doch sehr bewegend und eindrucksvoll.
Fahrleistung: 74 km = 4,23 Std. = Ø 17,0 km/h, Gesamtkilometer: 1.218
13. Tag, Sonntag, 03. Mai 1998, Lourdes -
Sauveterre
Es regnet wieder, das Frühstück nehmen wir im Hotel ein. Es nutzt alles
nichts, wir müssen unsere Regenkleider anziehen und fahren nochmals hinab zur Grotte. Ich
bestelle eine hl. Messe für all unsere Anliegen und stifte eine große Kerze. Schon
gestern hatte ich mir ein Mini-Fläschchen besorgt, in das ich Wasser von der Quelle
abfüllte. Das ist für meine Schwägerin Mariechen bestimmt, die die Hand gebrochen hat.
Ich weiß, daß sie sehr viel von dem Wasser hält, einen großen Glauben daran hat. Ich
habe es gut nach Hause gebracht. Mariechen hat sich sehr darüber gefreut.
Wir hätten auch noch die Gelegenheit gehabt, in der unterirdischen Basilika an einem
Pontifikalamt teilzunehmen, aber dann wären wir kaum vor Mittag in Lourdes losgekommen.
Bei Nieselregen machten wir uns schließlich vor 10.00 Uhr auf den Weg. In Betharam waren
die Läden geöffnet, und wir deckten uns für den Sonntag mit Proviant ein. Von dort
fuhren wir über die D 35 in die Pyrenäen hinein bis Jouvie-Juzon. Das war eine schöne
Strecke, wenngleich sie uns doch schon einige Anstiege brachte. Aber der Regen hat nun
aufgehört. Die Wolken hängen in den Bergen, so daß nicht viel von ihnen zu sehen ist.
Zur Mittagszeit sind wir in Jouvie-Juzon. Wir kehren in einer Gaststätte ein und essen
eine Gemüsesuppe. Ich trinke mal wieder einen "Kurzen", dazu noch einen Kaffee.
Werner trinkt seinen Tee. Am Nebentisch sitzen vier Personen aus Bayern, die mit dem PKW
über die Pyrenäen aus Spanien kommen. Als sie hören, wo wir hinwollen, erzählen sie
vom schlechten Wetter, das sie in den letzten Tagen hatten. In den Bergen würde teilweise
Schnee liegen. Das waren ja schöne Aussichten.
Für uns gehts aber zunächst mal weiter in Richtung Oloron. Es läßt sich nun
gut fahren, leicht bergab durchs Tal des Gave DOloron. Das Wetter hat sich sehr
gebessert.

In Oloron treffen wir die ersten richtigen Fußpilger nach Santiago, vier Franzosen,
darunter eine Frau. Wir sind glücklich über die Begegnung mit ihnen. Sie gehen über den
Somport Paß, über Jacca, eine Variante zu unserem Weg, wahrscheinlich aber etwas
schwieriger. Auf der rechten Seite des Gave fahren wir nun über die D 9 weiter über
Navarrenx nach Sauveterre. Dieser Abschnitt führt uns über ganz enge Sträßchen, etwa
mit unseren Feldwirtschaftswegen vergleichbar. Doch so schön das nun zu fahren ist, es
gibt wieder einige Schauer, wir müssen uns wieder unterstellen. Schließlich sind wir
doch wieder naß geworden, als wir in Sauveterre ankommen. Hier treffen wir auch wieder
auf den echten Pilgerweg. Seit Orthez sind die Wege ab Paris, Vezelay und Le Puy vereint
und führen nun gemeinsam in Richtung Spanien.
In Sauveterre kommen wir gegen 17.00 Uhr an. Bei der Suche nach einer Unterkunft
können wir wieder auf die Empfehlungen des Reiseführers von John Hatfield
zurückgreifen. U. a. wird dort die Hostellerie du Chateau aufgeführt, wo wir auch
vorsprechen und ein Zimmer bekommen. Es kostet 170 Fr. Ja, es ist richtig, zum Abschluß
unserer Fahrt durch Frankreich übernachten wir in fürstlichen oder ähnlichen
Gemächern, in einem ehemaligen Schloß. Man gönnt sich ja sonst nichts!
Und in der Tat, das ist ein Gebäude mit viel Platz, breiten Treppenaufgängen und
großzügig angelegten Fluren und Vorräumen. Auch unser Zimmer ist ein großer Raum, mit
Dusche und WC sowie einer gut funktionierenden Heizung. So können wir alle
Wäschestücke, einschließlich der noch etwas feuchten vom Vortag, trocknen. Abendessen
im Gastraum des Hotels.
Fahrleistung: 108 km, 6,40 Std = Ø 16,3 km/h, Gesamtkilometer 1.326
14. Tag, Montag, 04. Mai 1998, Sauveterre -
St. Jean-Pied-de-Port - Roncesvalles
Das Frühstück im Hotel war gut, besser als bisher üblich. Gehört sich
auch so für 30 Fr. und im Schloß!
Vom Wetter konnte man das wiederum nicht sagen, es war stark bewölkt, aber es regnete
nicht. Dennoch machten wir unsere Packtaschen wasserdicht und zogen entsprechende Kleidung
an. Es wurde schließlich schon 08.45 Uhr, als wir losfahren konnten. Nach St.
Jean-Pied-de-Port benutzten wir die Landstraße D 933 über St. Palais - Ostabat, eine
noch relativ flache Strecke. Das waren etwa 46 km, wo wir einen guten Schnitt von 17 km/h
fahren konnten.
Unterwegs trafen wir wieder auf eine Gruppe mit sieben französischen Fußpilgern, die
uns herzlich begrüßten und mit denen wir ein Foto machten. Um die Mittagszeit kamen wir
in St. Jean an.
Wir wollten zuerst zu Mdm Debril in der Rue de la Citadelle. Sie ist in höchstem Maße
kompetent für die Pilger und gibt u. a. noch fehlende Ausweise ab. Doch wir kamen von der
falschen Seite in die Straße und gelangten zuerst, wie wir später erfahren mußten, zu
einer privaten Herberge, die als "Refugio für Santiagopilger" beschildert war.
Wir glaubten, hier richtig zu sein und erbaten den Stempel in unseren Ausweis. Der wurde
uns auch von der anwesenden Frau gegeben. Doch diese Frau war nicht Mdm Debril, sie war
auch, ebenso wie die Herberge, sehr ungepflegt. Wir wären hier nur im äußersten Notfall
zur Übernachtung geblieben.
Doch anschließend fanden wir dann in der gleichen Straße das Haus von Mdm Debril. Da
wir nun unseren Irrtum erkannten, versuchten wir bei ihr am Beginn des sogenannten
"Französischen Weges" auch den richtigen Stempel zu erlangen. Wir trugen ihr
also unser Anliegen vor. Doch als sie den Stempel der ersten Herberge sah, war sie in
höchstem Maße ungehalten.Offensichtlich war sie der Meinung, wir hätten in der nicht
offiziellen Herberge übernachtet. Es bedurfte schon erheblicher Anstrengungen, sie von
unserem Anliegen zu überzeugen.
Schließlich akzeptierte sie unseren Wunsch und war dann auch sehr aufgeschlossen. Ich
durfte auch noch ein Foto von ihr machen.
In der Stadt war gerade Markttag, so daß wir uns für den Rest des Tages mit
Verpflegung eindecken konnten.
Nun begann also der eigentliche Pilgerweg, den man in Spanien kurz "Camino"
nennt. Hier erscheint es mir angebracht, ein Resümee über den bisherigen Verlauf des
Weges durch Frankreich zu ziehen:
In den 14 Tagen, die wir nun schon unterwegs sind, haben wir 1.380 km gefahren. Das ist
eine Tagesleistung von rund 100 Kilometern. Wir liegen sozusagen genau im angestrebten
Bereich. Eigentlich darüber, wenn man die zwei kompletten Regentage berücksichtigt. Aber
auch an vielen anderen Tagen war das Wetter zumindest nicht besonders freundlich gewesen.
So gesehen können wir durchaus zufrieden sein.
Trotz der mangelnden Sprachkenntnisse sind wir auch in dieser Hinsicht gut zurecht
gekommen.
Es hat allemal gereicht, um ein Zimmer zu finden, unser Essen zu bestellen oder
einzukaufen, sowie jemanden nach dem rechten Weg zu fragen. Dann und wann hat es auch für
mehr gereicht. Werner hatte immerhin ein paar Englischkenntnisse. So gesehen sind wir also
relativ gut durch Frankreich durchgekommen. Auf dieser Ebene war die bisherige Fahrt also
kein Wagnis.
Doch nun gings auf der Fahrt zum spanischen Roncesvalles. Als erstes über den
Ibaneta-Paß, der 1.050 m hoch ist. Zwar habe ich bei meinen bisherigen Fahrten schon
wesentlich höhere Paßstraßen befahren. Doch ich mache mir nichts vor: Auch hier sind
immerhin etwa 1.000 Höhenmeter zu überwinden.
Direkt über Arneguy ist die französisch-spanische Grenze. Hier beginnen auch nach und
nach die Steigungen. Valcarlos ist dann die erste und einzige spanische Ortschaft
diesseits des Passes. Danach begegnen uns nur noch Autos. Das Wetter ist nach wie vor sehr
unfreundlich. Es beginnt wieder zu nieseln, die Wolken hängen in den Bergen, von den
Gipfeln ist nichts zu sehen.
Anfangs fährt es sich ja noch relativ locker. Doch dann beginnen die Serpentinen und
es wird doch etwas schwieriger. Doch unüberwindliche Hindernisse, etwa daß wir absteigen
und schieben müßten, gibt es nicht. Es wird immer nebliger und richtig kalt. Die Pausen,
die wir einlegen, können nur noch von kurzer Dauer sein. Aus dem Nebel taucht plötzlich
vor uns eine junge Frau auf, die ebenfalls Richtung Paßhöhe geht.
Endlich sind wir oben. Der Nebel ist nun doch dichter. Es reicht gerade noch zu einem
Foto am Straßenschild des Passes. Die Frau, der wir eben begegnet waren, ist inzwischen
auch angekommen und macht das Bild von uns. Dann ziehen wir uns zusätzlich was über und
können die Abfahrt in Angriff nehmen. Wir müssen bei eingeschalteter Beleuchtung langsam
fahren. Doch bald sind wir in Roncesvalles. Unsere erste Herberge befindet sich im Kloster
der Augustiner. An der Aufnahme werden wir registriert und erhalten den Stempel. Man
erklärt uns den Weg durch die Klosteranlage zur Herberge. Ein Mann zeigt uns den
Abstellplatz für die Fahrräder und führt in die Aufenthalts- und Schlafräume. Die
Hoffnung, uns nun aufwärmen zu können, erfüllt sich nur in geringem Maße. Durch die
Gänge und Flure des großen Gebäudes zieht der Wind regelrecht durch alle Löcher.
Die zwei Schlafräume der Herberge sind schon fast alle belegt, so daß wir uns trennen
müssen. Für die vielen Leute ist der Aufenthaltsraum etwas klein, an dem großen Tisch
ist im Moment kein Platz, die Toiletten und Waschgelegenheiten sind etwas dürftig.
Unsere feuchten Kleider können wir unter dem Dach in einem ebenfalls kalten und
zugigen Raum aufhängen. Dort ist auch noch ein weiterer Schlafraum, noch kälter als die
unseren, in dem die jetzt noch ankommenden Pilger eingewiesen werden. Ich muß schon
sagen, daß die Begeisterung für die Herberge nicht besonders groß war.
Wir machen uns fertig, um den Bereich des Klosters und die Kirche zu besichtigen. In
den Höfen stehen und Kräne und andere Baumaschinen. Es wird viel gebaut. In der Kirche
erfahren wir, daß um 20.00 Uhr eine Pilgermesse ist. Im nahen Restaurant wollen wir etwas
Warmes essen. Aber vor 20.00 Uhr gibt es nichts. Der Kamin im Gastraum ist angeheizt und
verbreitet eine wohlige Wärme. Wir setzen uns an einen Tisch und bestellen uns einen Tee
bzw. Kaffee mit Armagnac. Es sind noch mehr Pilger im Raum.
Die meisten sitzen um den Kamin herum, offensichtlich in der gleichen Absicht wie wir.
Und in der Tat - die Wärme des Raumes und die Getränke tun uns wohl.
Nach unserer
Rückkehr in die Herberge ist auch unsere Bekannte von der Paßhöhe des Ibanetas, eine
Französin, angekommen. Obwohl wir sie ja ohne jegliches Gepäck angetroffen haben, hat
sie nun einen Gaskocher auf dem Tisch stehen und kochte eine Suppe. Bereitwillig ließ sie
andere Pilger mitessen. Auch für uns war nun Platz am Tisch und wir konnten uns
dabeisetzen. Die Zeit, bis es warmes Essen geben würde, erschien uns doch zu lang, so
daß wir unser Abendbrot von den Vorräten, Brot, Käse und Salami, bestritten.
Danach wurde es langsam Zeit zur Messe. Das war wiederum ein Erlebnis. Sie wurde von 6
Geistlichen zelebriert. Alle in hellen Gewändern, die mit einem grünen Emblem versehen
waren, das einem spiegelverkehrten kleinen "F" ähnelte.
Eindrucksvoll auch die von ihnen vorgetragenen melodischen Gesänge. Zum Schluß wurden
alle Pilger aufgefordert, zum Altar vorzutreten, wo wir gemeinsam den Pilgersegen
erhielten. Es waren etwa 60 Pilger anwesend, ein beeindruckendes Erlebnis.
Danach begaben wir uns zur ersten Übernachtung in Spanien zu unserer Herberge. Als
Entgelt wurde um eine freiwillige Spende gebeten. Die Strecke von St. Jean-Pied-de-Port
nach Roncesvalles, also über den Ibaneta-Paß, hatte noch eine Länge von 28,7 km, wir
brauchten dafür 3,11 Std. Das war ein Schnitt von 9 km/h. Gesamtfahrstrecke: 1.407 km
15. Tag, Dienstag, 5. Mai 1998, Roncesvalles
- Puente la Reina
Das Wetter hat sich noch nicht wesentlich gebessert. Es ist immer noch sehr
kühl und stark bewölkt, aber es regnet nicht mehr. Wir fahren gegen 08.00 Uhr in
Roncesvalles ab. Es geht nun im Prinzip mehr bergab als umgekehrt. Roncesvalles liegt z.
B. noch 950 m hoch, Pamplona etwa 450 m, Puente la Reina gar nur 350 m.
Doch es gibt dazwischen auch noch ein paar kräftige Anstiege. An einem solchen, an der
Erro-Höhe, treffen wir wieder auf eine noch sehr junge Deutsche, deren Bekanntschaft wir
in Roncesvalles gemacht hatten. Sie war mit dem Zug über Biarritz nach St.
Jean-Pied-de-Port gekommen, hatte ein 28-Zoll-Rad, und fuhr sehr gut.
Da es nun auch wieder zu regnen begann, konnten wir feststellen, daß sie gerade für
dieses Wetter sehr gut ausgerüstet war. Erstaunlich auch, daß sie alleine fuhr. Wir
haben sie dann doch hinter uns gelassen und auch später nicht mehr gesehen.
Auf der Erro-Höhe machten wir am Fußabdruck Rolands kurze Rast. Dann ging es über
Zubiri und Larrasoana weiter bis Pamplona, wo wir um die Mittagszeit waren.
Zunächst kaufen wir uns etwas Proviant für alle Fälle. Dann suchten wir eine Bar
auf, wo wir eine Kleinigkeit aßen und etwas Warmes tranken. Der Weg durch die Stadt
führte uns an der Stierkampfarena vorbei zur Kathedrale. Die war jedoch verschlossen, so
daß wir uns mit einer Besichtigung von außen begnügen mußten.
Das Wetter hat sich inzwischen wieder gebessert. Wir kommen zum Rathaus, wo wir Fotos
machen. In den Straßen des Zentrums stehen auffallend viele gepflegte Häuser, die dem
Ganzen einen guten Eindruck verleihen.
Ausgangs der Stadt befindet sich noch eine hübsche Parkanlage, die man durch ein
mittelalterliches Tor erreicht.
Hinter Pamplona fahren wir zunächst auf der N 111 - mit Randstreifen - weiter, und
sehen bald einen Höhenzug mit etwa 30 Windrädern. Hier am Alto del Perdon (734 m)
mußten wir wieder kräftig in die Pedale treten. Über Uterga bis Puente konnten wir dann
eine verkehrsarme Straße benutzen, die weitgehend mit dem Fußweg identisch ist.
Gegen 16.00 Uhr sind wir in Puente la Reina. Wir haben zwar erst 75 km gefahren, aber
die Möglichkeit, die Wäsche zu waschen, und das nun schöne Wetter ließ uns hier
bleiben.
Was für ein Unterschied! Diese Herberge im Vergleich zu Roncesvalles. Die Padres vom
Kloster Zum Heiligen Kreuz sind hierfür zuständig. Alles schön gepflegt und sauber,
Aufenthaltsraum, Toiletten und Waschräume. Allerdings: Im großen Schlafraum ist es etwas
eng, die Betten sind dreistöckig. Für die Nacht in der Herberge erheben die Padres 500
Pesetas.
Vor dem Haus stehen ein paar Bäume. Gerade recht, um eine Wäscheleine zu spannen.
Ein Ehepaar aus München kommt ebenfalls mit den Rädern an. Es ist ihre erste Etappe.
Sie suchen das Gespräch. Mein Gott, sind die beladen. Die Frau beklagt sich schon, daß
sie oft absteigen und schieben muß. Sie befürchtet, so nicht nach Santiago zu kommen.
Wir raten ihnen, das Gepäck auf das Notwendigste zu überprüfen und alles andere nach
Hause zu schicken. Das wollen sie auch tun.
Wir machen noch einen Rundgang durch die Stadt zur bekannten Pilgerbrücke und der
Santiago-Kirche. Den Schlüssel zur letzteren gibt es im Laden gegenüber. Bei unserer
Rückkehr zur Herberge treffen wir wieder unsere "Bekannte" vom Ibaneta-Paß,
die sich gerade eine Nudelmahlzeit auf dem Kocher bereitet.
Auf unsere erstaunte Frage, wie sie schon hier sein könne, löst sie das Rätsel auf.
Sie geht einen Teil des Weges zu Fuß und läßt sich dann von ihrem Freund, der das
Gepäck mit dem Auto befördert, noch ein Stück weiterfahren. Das ist zwar nicht nach
unserem Geschmack, aber schließlich ihre Sache. Für den nächsten Tag ist Logrono (etwa
70 km) ihr Ziel .
Unser Abendbrot bereiten wir uns am Schluß des Tages in der Herberge.
Fahrleistung: 75 km = 5,08 Std. = Ø 14,65 km/h, Gesamtkilometer 1.482.

16. Tag, Mittwoch, 06. Mai 1998, Puente la
Reina - Navarrete
In der Herberge ist gute Gelegenheit zum Frühstück. Werner hat sich gut
mit Teebeuteln eingedeckt. Ich hatte mir von zuhause Einzelportionen Nescafé mitgenommen.
Die erforderlichen Lebensmittel kauften wir nach Bedarf in den bis in den späten Abend
geöffneten Läden.
Heute bestehen gute Aussichten auf schönes Wetter. Bei unserer Abfahrt gegen 08.00 Uhr
ist es zwar noch recht frisch, aber die Sonne scheint schon. Und das wird den ganzen Tag
so bleiben. Die Temperaturen gehen merklich höher.
Nach wenigen Kilometern, ab Maneru, versuchen wir mal wieder, die Landstraße zu
verlassen und den Fußweg zu befahren. Aber das schmeckt uns einfach nicht. Es ist uns
erstens zu beschwerlich und zweitens nicht gut für die Räder. Dennoch fahren wir so bis
Cirauqui weiter.
Hier widmen wir unsere Aufmerksamkeit kurz der alten Römerbrücke und der
entsprechenden Straße. In Estella machen wir Pause auf einer Bank in der Stadt. Dann geht
es zur Pilgerbrücke über den Ega und anschließend steil bergauf zur Stadt hinaus, wo
wir im letzten Abschnitt durch einen Tunnel müssen.
Im daran
anschließenden Irache gibt es dann eine kleine Überraschung. Der Pilgerweg führt an
einer großen Weinhandlung vorbei. Der dort vorhandene Brunnen wurde von der Firma so
hergerichtet, daß man neben Wasser auch Wein zapfen kann. Der Brunnen heißt "Fuente
de Irache".
Natürlich ist der spendierte Wein nur zum sofortigen Verzehr gedacht, mitnehmen soll
man ihn nicht. Es wird allerdings erzählt, daß mancher Pilger einen sehr großen Durst
zu löschen hatte und dann nach dem Weingenuß an diesem Tag nicht mehr weit gekommen ist.
Wir beschränken uns jedoch wie die meisten auf einen kleinen Trunk, Werner noch weniger.
Heute ist die Wetterlage dazu angetan, mal wieder ein ausgiebiges Picknick zu machen.
Wenn ich auch schon einige Zeit nicht mehr über unsere Morgenandacht berichtet habe,
so heißt das nicht, daß wir sie unterlassen haben. Lediglich an Tagen, wo wir eine Messe
hatten, ließen wir sie ausfallen. Heute aber hat uns die Natur und das Wetter förmlich
dazu eingeladen.
Das Land ist hier immer noch ziemlich hügelig. Die mittlere Höhe beträgt zwischen
500 und 600 Metern. In Puenta la Reina hatten wir die geringste Höhe mit etwa 350 m. Der
Boden wird in den tieferen Lagen mit Getreide und Landbau landwirtschaftlich genutzt.
Bei Villamajor ragt ein Kegelberg in den Himmel. Auf seiner Spitze steht die Burg
"Castillo de Monjardin", die von weither aus allen Richtungen sichtbar ist. In
Los Arcos hat Werner wieder ein kleines Erlebnis. Es ist gegen 12.00 Uhr und er möchte
noch schnell etwas einkaufen. Er fragt einen Mann, der gerade mit einem Brot unterm Arm
daher kommt nach dem Bäckerladen.
Aus welchen Gründen auch immer, wollte der doch etwas ärmlich gekleidete Mann Werner
sein Brot schenken. Es bedurfte schon einiger Mühe, ihm zu erklären, daß er lediglich
den Weg zum Laden wissen wollte.
Bis Viana waren wir für heute schon gut vorangekommen. Wir fuhren zum Zentrum der
Stadt, zur Kirche und dem Rathaus. Während ich ein paar Fotos machte, blieb Werner bei
den Rädern und machte eine kleine Inspektion. Hierbei stellte er fest, daß an meinem
Hinterrad schon wieder 2 Speichen abgerissen waren. Das war wieder wie ein Schlag in die
Magengrube.
In Viana war keine Reparaturmöglichkeit. Wir mußten bis Logrono weiterfahren. Den uns
schon in Viana bezeichneten Laden fanden wir relativ schnell, aber es war noch nicht
einmal 14.00 Uhr, und somit Mittagszeit. Die Geschäfte wurden nicht vor 16.00 Uhr
geöffnet. Es blieb uns nichts anderes übrig zu warten. Zu anderen Unternehmungen war uns
die Lust vergangen.
Zu dem Speichenbruch hatten wir hier dann noch ein weiteres Malheur: Während Werner
die Rückseite des Häuserblocks in der Hoffnung inspizierte, dort die Werkstatt zu
finden, blieb ich bei den Rädern. Werners Reiseführer lag neben mir. Nachdem ich eine
Banane gegessen hatte, trug ich die Schale zu einem etwa 20 m entfernten Müllcontainer.
Auf dem Rückweg sah ich Werner auch schon zurückkommen. Wir kamen beide gleichzeitig zur
Bank und stellten fest, daß das Buch nicht mehr da war - Alles Suchen war umsonst, eine
ärgerliche und für mich peinliche Sache!
Es war schon nach 16.00 Uhr, als eine junge Frau den Fahrradladen öffnete. Zu unserer
Enttäuschung teilte sie uns mit, daß für den heutigen Tag kein Monteur mehr zur
Verfügung stehe. Sie gab uns aber bereitwillig eine neue Adresse, wo wir uns hinwenden
sollten. Es war nun schon 17.00 Uhr, als wir dort ankamen. Der Chef selbst machte die
Werkstatt. Aber wir mußten warten, hatte er doch zunächst noch ein anderes Rad in
Arbeit. Wir luden schonmal das Gepäck ab und bauten das Hinterrad aus. Schließlich kamen
wir an die Reihe. Ich muß sagen, daß uns die Ruhe und Geschicklichkeit, mit der er zu
Werke ging, sehr beeindruckt hat. Gegen 18.00 Uhr waren wir fertig, es kostete 1400
Pesetas, knapp 20 DM. Ich übergab 2000 Pts. und wollte den Rest als Trinkgeld
überlassen. Aber das hat er unter keinen Umständen angenommen.
Eigentlich wäre ja Logrono noch eine Besichtigung wert gewesen, doch wir wollten auch
noch zur Übernachtung bis Navarrete fahren. So mußten wir notgedrungen auf einen
weiteren Aufenthalt in Logrono verzichten und fuhren weiter.
Der Verkehr auf den Straßen der Stadt war ziemlich stark. Wir mußten oft an den
Ampeln der Kreuzungen anhalten und kamen so nur langsam voran. Es war schließlich schon
19 .00 Uhr, als wir nach weiteren 10 km in Navarrete ankamen. Die Herberge war
verschlossen. Von Passanten erfuhren wir, daß sich der Schlüssel bei der nahen Bar
befindet. Wir sprachen dort vor und die Bedienung wies uns einen Schlafraum an. Es gab
mehrere: Sie waren alle nicht sehr groß, jeweils etwa 10 Betten. Ich erwähne es deshalb,
weil dies wahrscheinlich die beste und sauberste Herberge war, in der wir übernachtet
haben. Mal abgesehen von den Doppelstockbetten war es wie in einem guten Hotel.
Zu jedem Schlafraum gehörten Toiletten, Waschraum und Duschen, alles neu und
piksauber. In unserem Zimmer waren schon 4 Betten belegt. Es waren ebenfalls Deutsche,
zwei Paare aus dem Raum Heilbronn. Auch der geräumige Aufenthaltsraum war super
ausgerüstet. In der Küchenzeile befanden sich neben Herd, Spüle und Kühlschrank auch
eine Waschmaschine und ein Wäschetrockner - die beiden letzten mit Münzautomat.
Kochtöpfe und Eßgeschirr waren ebenfalls reichlich vorhanden.
Der Gemeindesekretär kam am Abend vorbei und machte die Anmeldung. Als Entgelt wurde
eine Spende erwartet.
Zum Abendessen ging ich in die Bar nebenan. Nach den Ereignissen des heutigen
Nachmittags hatte ich keine Lust mehr, mich selbst zu verpflegen. Als Pilgermenü gab es
zwei Teller, einmal ein gemischter Kartoffelsalat und dann Geflügelfleisch mit Teigwaren
und Gemüse. Dazu einen halben Liter Rotwein und als Nachspeise Pudding. Das Essen kostete
1.200 Pts, es hat sehr gut geschmeckt.
Fahrleistung: 86 km = 6,36 Std = Ø 13,05 km/h, Gesamtkilometer 1.568
17. Tag, Donnerstag, 07. Mai 1998, Navarrete
- St. Juan de Ortega
Unser Frühstück konnten wir uns heute in der gut ausgestatteten Küche
unseres "Hotels" zubereiten. So ist es aber auch schon 08.30 Uhr geworden, bis
wir abfahren konnten.
Ich war mal wieder der letzte, der fertig wurde. Ich weiß nicht wie es kommt. Es
gelingt mir einfach nicht, vor Werner fertig zu sein. Da kann ich schon verstehen, wenn
Werner schon mal ungeduldig wird.
Das Wetter ließ sich schon früh gut an. Es sollte auch heute wieder ein sonniger Tag
werden. Wir fahren fast nur noch über die Straße, denn es zeigt sich immer wieder, daß
die Wanderwege doch nicht so gut zum Radfahren geeignet sind. Immer wieder muß ich an
Bruno (Therre) denken, der diese Wege doch ausschließlich gefahren ist, und das noch bei
dem sehr hügeligen Gelände. Eine feine Leistung (Chapeau!!)
Nun, auf der N 120, die wir nicht nur heute öfters benutzen, herrschte reger Verkehr.
Vor allem fahren hier viele LKWs, richtige Brummer. Die Straße ist gut angelegt. Es
ist ein relativ breiter Randstreifen vorhanden. Wir hatten nie den Eindruck, daß während
der Fahrt eine besondere Gefahr bestanden hat.
In Fahrtrichtung links liegt ein Gebirge, dessen Gipfel mit Schnee bedeckt sind. Ein
wunderbarer Anblick gegen den blauen Himmel. Ich habe mich mal bei anderen Pilgern nach
dem Namen des Gebirges umgehört, aber niemand wußte es. Zu Hause habe ich in meinen
Unterlagen nachgesehen, es heißt Sierra de la Demandos. Die höchsten Erhebungen sind
über 2.000 m hoch.Die vielfältigen Motive während der bisherigen Fahrt hatten dazu
geführt, daß mein Vorrat an Filmen langsam zur Neige ging. So sah ich mich in der
nächsten Stadt, Najera, veranlaßt, mal vorerst drei neue zu kaufen. Hier hatten wir auch
die Gelegenheit, den Bestand an Essen und Trinken aufzufüllen.
Die nächste größere Stadt war St. Domingo de la Calzada, eine traditionsreiche Stadt
mit engen Gassen. In der Kathedrale werden in einem besonderen Stall aufgrund einer
Legende über Santiago ein Hahn und eine Henne gehalten. Am Ende der Stadt führt eine
große Pilgerbrücke über den Orga, von wo wir letztmalig die schneebedeckten Berge sehen
konnten. Hier verließen wir auch die Provinz La Roja, wir waren nun im Bezirk Burgos.
Allmählich wurde es auch Zeit zur Mittagspause, die wir wieder gut in freier Natur
genießen konnten. Überhaupt mußten wir heute wegen des Wetters öfters pausieren als
sonst, hauptsächlich zum Trinken.
Nach Belorado machen wir in Tosantos unsere Kaffeepause in einer Bar. In einer Felswand
hinter der Stadt ist von der Straße aus eine Einsiedelei zu erkennen. Bei Villafranca
Montes de Oca beginnt nun eine längere Steigung, die es mal wieder in sich hat und die
uns zum Alto de la Pedraja führt. Der höchste Punkt der Straße heißt Puerto de la
Pedraja und ist mit 1.150 m die bisher höchste Stelle, die wir befahren haben. Doch
danach gibt es - gewissermaßen als Belohnung - eine herrliche Abfahrt.
Im Tal ist ein großer Rastplatz mit einer Einsiedelei. Allerdings ist das Wasser des
Brunnens nicht trinkbar. Die Steine und die Erde im Uferbereich haben eine auffallend
braune Farbe, so daß wir es auch gar nicht versuchen.
Wir fahren auf der N 120 weiter. Um nach St. Juan zu kommen, müssen wir aber über
eine kleine Straße ein Stück zurück. Wir sind gegen 17.00 Uhr am Ziel. Der Pfarrer
selbst nimmt die Anmeldungen der Pilger entgegen. Er ist ein sehr freundlicher,
vertrauenerweckender Mann. Wir hatten gehofft, daß er deutsch spricht, aber dem war
leider nicht so. Die Herberge befindet sich in einem alten Klostergebäude und hat zwei
Schlafsäle, an die sich Waschraum, Duschen und WC anschließen. Die Herberge war schon
fast ganz belegt. Das liegt vermutlich mit daran, daß der Pfarrer für seine Art, wie er
mit den Pilgern umgehen kann, hinlänglich bekannt ist.
Um 19.00 Uhr war eine Messe in der Kirch, wo er die Pilger nochmals begrüßte und für
20.00 Uhr zum gemeinsamen Abendessen in den Speisesaal der Herberge einlud. Hierbei teilte
er dann eigenhändig eine von ihm gekochte Suppe aus.Sie bestand zwar in erster Linie aus
Brot und Zwiebeln, sie hat besser geschmeckt als jedes andere Pilgermenü. Und danach gab
es noch ein großes "Pallaver", jeder sprach so gut es ging mit dem anderen. Ich
habe später mal gesagt, so ähnlich könnte es auch am ersten Pfingsfest in Jerusalem
gewesen sein; nur wenige sprachen die Sprache der anderen, aber verstanden haben sich
schließlich alle. Und dann die leuchtenden Augen des Pfarrers, als er die anwesenden
Sprachen zählte. Von 8 Sprachen waren Pilger anwesend. Der Glücksgefühl war ihm ins
Gesicht geschrieben. Der Geist Santiagos ist hier deutlich geworden.
Nun, von der Suppe ist man trotz Nachschlags nicht satt geworden, dazu ist sie ja wohl
auch nicht gedacht. Gemeinsam mit anderen Pilgern machten wir uns dann im Speisesaal das
Abendbrot. Das ist eigentlich so gedacht, daß das, was auf dem Tisch ist, gemeinsam
gegessen wird. Aber dazu gab es offensichtlich noch etwas Zurückhaltung. Aber dennoch,
St. Juan war für mich einer der Höhepunkte der Pilgerfahrt.
Heute war ein wohl anstrengender Tag. Der Höhenunterschied von Najera bis zur Pedraja
Höhe betrug doch immerhin ca. 700 m.
Fahrleistung: 90 km = 6,1 Std., Gesamtkilometer = 1.657
18. Tag, Freitag, 08. Mai 1998, St. Juan de
Ortega - Fromista
Abfahrt in St. Juan ist schon gegen 07.30 Uhr, jedoch ohne Frühstück. Das
Wetter wird heute wieder gut. Die letzten Tage haben wir ja damit Glück gehabt.
Überschwenglich reden wir noch von dem großartigen Erlebnis des letzten Abends, als
uns plötzlich einfällt, keine Spende für die Übernachtung gegeben zu haben.
Wahrscheinlich haben wir sie in der Freude vergessen. Zurückfahren konnten wir nicht
mehr, wir haben sie aber von zu Hause dem Pfarrer per Post zugeschickt.
Bis Burgos sind es etwas mehr als 20 km und es geht fast immer leicht abwärts. Eine
gute Radstrecke. Ich habe mir mal den Durchschnitt der Geschwindigkeit gemerkt: Es waren
gut 21 km/h, das hatten wir noch nie.
Burgos ist ja eine bekannte und relativ große Stadt, die Hauptstadt der gleichnamigen
Provinz. Als Radfahrer, der nicht ortskundig ist, tut man sich etwas schwer. Durch die
Außenbezirke gelangen wir an den Rio Arlazon und dann an ein Stadttor. Nicht weit
dahinter ist die Kathedrale. Sie ist allerdings mit Baugerüsten und Planen eingehüllt,
so daß der Gesamteindruck etwas negativ beeinträchtigt wird.
Dennoch besichtigen wir abwechselnd den großartigen Innenraum. Auf der großen
Außentreppe treffe ich zwei Santiago-Fußpilger aus München. Sie haben viel Zeit, sie
wollen den heutigen Tag ganz hier verbringen. In einem Straßencafé am Rande des
Domplatzes holen wir unser Frühstück nach. Zur Weiterfahrt orientieren wir uns in
Richtung Castrojeriz, überqueren den Arlanzon und verlassen schließlich die Stadt.
Auf der N 120, die hatten wir ja schon einmal, fuhren wir weiter. Die Straße führt
nicht in unmittelbarer Nähe des Caminos vorbei, sondern bedeutet kilometermäßig einen
Umweg. In Olmillos stehen noch gut erhaltene Teile einer Burg. Hier machten wir unsere
Mittagspause. Eine kleine Rundfahrt durch den recht interessanten Ort und die Begegnung
mit einem Schäfer schlossen sich an, und schon gings weiter. Bei Castrojeriz
können wir nun auf einer Nebenstraße weiterfahren. In einem großen Bogen geht es
zunächst um einen Bergkegel herum, auf dem eine weit ins Land blickende Burg steht. Im
Ort fahren wir an der Herberge vorbei und machen in einer Bar in der Stadtmitte eine
Kaffeepause. Danach brechen wir zu unserem heutigen Etappenziel, Fromista, auf. Die Fahrt
verläuft zügig. Das Land ist nun ziemlich eben. Wir kommen in die Provinz Palenzia.
Die Herberge in Fromista wird von der Gemeinde verwaltet. Die Schlafräume befinden
sich auf zwei Etagen. Hier könnte man wieder einiges kritisch sehen, z. B. dürftige
sanitäre Bedingungen - nur ein Klo auf der unteren Etage - Dusche nur in der Wanne, nur
kaltes Wasser.
Da die Strecke heute nicht allzu schwierig war, fiel das Duschen eben aus! Die oberen
Räume sind schon weitgehend belegt. In einem unteren Zimmer ist Platz für 8 Personen.
Zwei Betten sind auch hier schon belegt, als wir einziehen. Es sind 2 Fußgänger aus
Münster in Westfalen, beide etwa 65 Jahre alt. Der eine war bei der Bundeswehr und kennt
sich aus dienstlichen Aufenthalten gut in unserer Kreisstadt St. Wendel aus. Der andere -
ein ev. Pfarrer - war als solcher längere Zeit in San Sebastian tätig.
Am Abend kamen noch 4 Franzosen zu uns, so daß wir voll belegt waren. Zudem mußten
wir während der Nacht unsere Räder in dem Raum unterstellen. Wir waren schon um 16.30
Uhr hier angekommen und hatten somit noch reichlich Zeit, trotz des kalten Wassers, unsere
Wäsche zu waschen und zu trocknen. Ein deutsches Ehepaar schaute noch vorbei. Nicht zum
Übernachten sondern wegen der Unterhaltung. Wie sie sagten, sind sie zu Fuß ab
Baden-Baden über Le Puy gekommen und hätten Etappen bis zu 40 km täglich zurückgelegt.
Der Mann ist selbständiger Spediteur und hat u. a. Aufträge vom Globus St. Wendel. Wenn
der hier zu tun hat, will er mal bei uns auftauchen.
Am späten Abend machte der Gemeindesekretär die Aufnahme, gab den Stempel in den
Pilgerausweis und kassierte 500 Pts für den Tag.
Zu Fromista wäre noch zu sagen, daß eine der beiden Kirchen, San Martin, einen
weltweiten Ruf als Meisterwerk romanischer Baukunst hat.
Zum Abendessen gabs in einem Lokal ein Pilgermenü für 1000 Pts. Der ev. Pfarrer
fungierte als exzellenter Dolmetscher. Es gab Schweinekotelett, Bratkartoffeln und grüne
Bohnen, dazu noch einen Nachtisch. Der obligatorische Wein wurde auf seine besondere Art
verteilt. Neben mir saßen die beiden aus Münster. Sie erhielten zusammen eine Flasche
Wein. Etwas weiter entfernt waren 3 Holländer, auch sie erhielten zusammen eine Flasche.
Schließlich brachte der Kellner noch zu mir eine ganze Flasche, obwohl ich heute allein
am Tisch saß. Als ich mich nach dem Essen zur Unterhaltung zu den beiden Deutschen
setzte, bot ich ihnen von meiner Flasche an. Sie lehnten jedoch dankend mit der
Begründung ab, sie hätten noch genug vom Vortag, wo sie mit den 3 Holländern etwas zu
viel getrunken hätten. Daraufhin bot ich diesen meine restliche Flasche an, die sie auch
dankend annahmen.
Fahrleistung: 105 km = 6,20 Std. = Ø 16,7 km/h, Gesamtkilometer: 1.762
19. Tag, Samstag, 09. Mai 1998, Fromista -
Mansilla de las Mullas
In Fromista verließen wir die Herberge gegen 07.30 Uhr, ohne Frühstück.
Die Aussichten aufs heutige Wetter sind hervorragend. Schon früh scheint die Sonne, es
sind nur ein paar Wölkchen am Himmel. Zwar weht noch ein frischer Wind, aber der kommt
meistens von hinten oder der Seite, so daß er beim Fahren keine Beeinträchtigung
darstellt. Hinzu kommt noch, daß wir uns schon seit einigen Kilometern von Fromista in
einer großen Ebene, Meseta genannt, befinden. Sie ist etwa 180 km lang. Für die
nächsten beiden Tag haben wir also ziemlich flaches Gelände vor uns, in etwa 800 - 900
Metern Höhe.
Der Boden scheint sehr fruchtbar zu sein, denn es wird eine intensive Landwirtschaft
betrieben. Wohltuend das saftige Grün der großen Getreidefelder.
Auf dem Camino neben der Straße treffen wir auf einen Reiter, der auch nach Santiago
unterwegs ist. Wir hielten ihn für einen Spanier, worauf er mürrisch antwortete, er sei
"Baske". Doch schnell haben wir ein gutes Einvernehmen mit ihm hergestellt. Er
bringt sich schließlich für ein Foto mit seinem Pferd extra in Position. In Carrion de
los Condes wollen wir in einer Bar frühstücken - aber es gibt nur Getränke. Der Kaffee
hat mir aber auch gut getan. Das Frühstück holen wir ein wenig später in freier Natur
aus unseren Vorräten nach.
Wir fahren jetzt wieder auf "unserer" N 120. Bis Sahagun, der nächsten
Stadt, ist es ein relativ weiter Weg. Wir kommen hier in die Provinz Leon. In Sahagun ist
Markttag, großer Trubel um die Stände mit ihren vielfältigen Angeboten. Es geht nur
langsam durch die Stadt voran. Außerhalb von Sahagun fahren wir auf einem gut ausgebauten
Feldwirtschaftsweg weiter. Er ist umsäumt von jungen Bäumen. Ab und zu steht eine
Ruhebank. Leider ist dieser schöne Weg später nur noch geschottert, es gibt nun viele
Schläge aufs Rad und auch viel Staub.
An einem Rastplatz treffen wir 3 weitere Radpilger. Wir setzen uns dazu. Es sind
wiederum Deutsche, ein Ehepaar aus Bayern und ihre Bekannte aus dem Westerwald. Wir
wechseln später wieder auf die Straße und fahren über die N 601 bis nach Mansilla.
Die Herberge der Stadt ist sehr geräumig. Wir ziehen in einem Zimmer mit 6 Betten ein
und werden für die Nacht alleine bleiben. Toiletten, Wasch- und Duschanlagen könnten
allerdings etwas sauberer sein. Wie mir Werner, der in einem anderen Teil des Hauses
geduscht hatte, später berichtete, sei es dort wesentlich besser gewesen. Bei einem
Stadtbummel trafen wir in einer Bar den männlichen Angehörigen der Gruppe, mit denen wir
ein paar Kilometer vorher auf dem Rastplatz waren. Sie haben sich in einem Hotel
eingemietet, in der Herberge hat es ihnen nicht gefallen.
Vom Stadtbild sind vor allem die Reste einer großen Befestigungsmauer, die sich am
Fluß Esla entlangzieht, sowie eine alte Pilgerbrücke zu erwähnen.
Zum Abendessen war ich im nahen Restaurant. Es gab Hähnchenfleisch mit Bratkartoffeln
und einen Kartoffel-Gemüse-Salat, als Nachtisch Eis, sowie ½ Liter Rotwein. Zusammen
für 1000 Pts.
Wir sind etwa um 16.45 Uhr hier angekommen. Eine Mitarbeiterin der Gemeinde nahm die
Anmeldung entgegen, gab uns den Stempel und kassierte 500 Pts für die Übernachtung.
Abends war eine Vorabendmesse in der Kirche.
Fahrleistung: 110 km = 6,20 Std. = Ø 17,3 km/h, Gesamtkilometer: 1.871
20. Tag, Sonntag, 10. Mai 1998, Mansilla de
las Mullas - Rabanal del Camino
In der geräumigen Küche des Refugios war gute Gelegenheit, das Frühstück
zu bereiten. Allerdings waren wir heute etwas spät dran, denn wir sind erst gegen 06.50
Uhr aufgewacht. Offensichtlich deshalb, weil wir alleine und ungestört im Schlafraum
waren. So kamen wir auch erst gegen 08.20 Uhr los.
Die Straße aus der Stadt führt über die große Brücke über den Esla. Nochmals
haben wir gutes Wetter und - wie schon erwähnt - eine ziemlich flache Strecke. Bis Leon
ist es nicht weit, knappe 20 km. Zunächst fahren wir zur Kathedrale. An diesem imposanten
gotischen Bauwerk sind wohl die mehr als 100 wunderbaren bunten Glasfenster am
auffallendsten, die den Innenraum der Kirche hell erleuchten.
Eine Gruppe Deutscher auf Studienreise macht gerade eine Besichtigung. Einer der
Teilnehmer ist aus Sulzbach, wir unterhalten uns eine Weile. Weitere interessante Punkte
in der Stadt sind die Basilika San Isodoro und das Kloster San Marcos, in dem heute u. a.
ein Hotel untergebracht ist. Und wieder überquert man eine mächtige Brücke, die Puente
de San Marcos, über die man stadtauswärts fährt.
In Puente de Orbigo machen wir unsere Mittagsrast. Die geschichtlich bedeutsame Brücke
überspannt weit Fluß und Tal. Bei der Weiterfahrt wird uns etwas unwohl, denn es ziehen
dicke Gewitterwolken auf. Wir kommen gerade noch bis Astorga an die Kathedrale und den
Bischofspalast, als es zu blitzen und zu donnern anfängt.
In einer Bar suchen wir Unterschlupf und es entlädt sich ein heftiges Gewitter über
der Stadt. Wir nutzen die Unterbrechung zu einer Kaffeepause und dem Gespräch mit einem
Gast, der längere Zeit in Deutschland gearbeitet hat.
Die Meseta, die große Ebene, ist nun zu Ende und es gibt wieder steilere Anstiege.
Doch es gibt auch noch etwas fürs Auge: Ein kleines Dörfchen, Castrillo de los
Polvazares, das etwas abseits der Straße und des Caminos liegt, ist ganz toll renoviert
und restauriert worden und bietet den Besuchern einen genußvollen Anblick. Ein wirklich
lohnender Abstecher.
Die engen Sträßchen sind zwar sehr holprig und kaum zum Fahren geeignet, aber beim
Schieben des Rades gewinnt man auch bessere Eindrücke. Danach fahren wir auf einer
schmalen Straße bergauf in Richtung Rabanal. Aber die Regenwolken haben sich noch nicht
ganz verzogen. Kurz vor Rabanal - wir sind noch keine 500 m vom Ort entfernt - gibt es
wieder einen kräftigen Schauer. Wir können uns gerade noch an der Wallfahrtskirche San
Jose unterstellen. Es ist gegen 17.30 Uhr, als wir in Rabanal ankommen. Ein mit
Natursteinplatten ausgelegter Weg führt uns zum Refugio Gaucelmo. Dies wurde von der
englischen Bruderschaft Confraternity of Saint James für die Pilger wiederhergerichtet
und wird auch von deren Mitgliedern betreut. Das Wohngebäude ist zwar etwas eng aber sehr
sauber. Wohltuend die Herzlichkeit, mit der die beiden Betreuerinnen Veronica und Luzi die
ankommenden Pilger umsorgen.
Im Aufenthaltsraum ist der Kachelofen aufgeheizt. Das tut wohl, denn auf nunmehr 1.150
Höhenmetern ist es wieder kühler geworden. Luzi bietet uns Tee - das ist was für Werner
- und Gebäck an. In den Schlafräumen wird jetzt schon großer Wert auf Ruhe gelegt. Die
sanitären Anlagen sind in einem sehr guten Zustand. Als Übernachtungsbeitrag wurde um
eine Spende gebeten.
Der Weg hier hoch nach Rabanal hat mich doch etwas an Substanz gekostet. Das war wohl
schön happig ... So gehe ich nach dem Duschen zunächst mal in die nahe Bar, wo ich mir
ein großes Bier genehmige. Das Lokal ist sehr rustikal ausgestattet, richtig zum
Wohlfühlen. Da man hier auch ein Pilgermenü anbietet, gehe ich auch zum Abendessen
wieder hin. Man sagt ja, Hunger ist der beste Koch, aber hier war das Essen wirklich gut.
Zunächst eine kräftige Gemüsesuppe, die in einer Terrine aufgetragen wurde, und der ich
gut zusprach.
Dann gab es Schweinekotelett mit fritierten Kartoffeln - etwa doppelt so groß wie
unsere Pommes - und Salat. Als Nachtisch einen Apfel und natürlich ½ l Rotwein. Der
Preis betrug 1200 Pts.
Fahrleistung: 91 km = 5,45 Std. = Ø 15,9 km/h, Gesamtkilometer: 1.962
Bis Santiago sind es noch etwa 270 km.
21. Tag, Montag, 11. Mai 1998, Rabal - O
Cebreiro
Der Tag beginnt für mich mit einem sehr ärgerlichen Mißverständnis. Das
Refugio hat eine sehr gut ausgestattete Küche, wo ich schon zeitig Frühstück herrichten
wollte. Aber an den Tischen waren schon alle Plätze eingedeckt. Ich dachte, andere Pilger
hätten hier ihre Plätze schon reserviert. So wollte ich schon verärgert abziehen, als
Luzi kam und mich fragte, ob ich denn nicht frühstücken wolle. Als ich ihr mitteilte was
ich meinte, mußte sie lachen und sagte, das sei doch für alle.
Ich war sehr überrascht, so was hatten wir noch nicht. Ich brauchte von unseren
Vorräten gar nichts auszupacken. Die Tische waren reichlich mit Brot, Butter,
verschiedenen Marmeladen usw. gedeckt. Dazu gab es Kaffee oder Tee. Wir waren richtig
gerührt ob der Fürsorge der beiden Mädchen. Da machten wir gerne noch einen
"Nachschlag" zu unserer Spende. Herzlich verabschiedeten wir uns mit dem
Versprechen, Abzüge von den Bildern zu übersenden (was inzwischen geschehen ist).
Nun, von Rabanal zum Eisenkreuz ist es nicht mehr weit, es geht aber immer bergauf. Das
Wetter ist anfangs sehr schlecht. Die Wolken hängen zum Teil tief unter uns in den Bergen
und ziehen sich an den Hängen hoch. Es ist empfindlich kühl. Wir fahren durch eine ganz
ärmliche Gegen, ein Dorf, Foncebadon, ist total von seinen Bewohnern verlassen worden und
dem Verfall preisgegeben.
Schließlich sind
wir am Eisenkreuz. Es ist nicht nur die fast höchste Stelle des gesamten Pilgerweges
(1.505 m). Für mich ist auch das Erlebnis hier sehr hoch angesiedelt. Das einfache
Eisenkreuz auf einem Baumstamm steht auf einem großen Haufen Steinen, die die Pilger
mitgebracht und hier abgelegt haben. Auch wir haben von zu Hause jeder einen Stein
mitgebracht (auch noch einen ganz kleinen von Kevin), die wir hier ablegten.
Wir waren die ersten, die im Nebel hier ankamen. Aber bald wird das Wetter frei. Nach
und nach treffen weitere Pilger ein. Man sieht dem einzelnen förmlich die Freude über
das Erlebnis im Gesicht an. Jeder versucht, mit den anderen ein paar Worte zu reden. Einen
Brasilianer machen wir glücklich. Er hat keine funktionierende Batterie mehr im
Fotoapparat. Er will sich eine leihen, um wenigstens ein Andenken von hier zu haben. Ich
habe Ersatzbatterien für mein Diktiergerät, die in seinen Fotoapparat passen und schenke
ihm eine.
Wir hatten schon ein paar Tage vorher erfahren, daß Sabine und Hand Theobald zu Fuß
unterwegs seien. So schrieb ich ihnen einen Gruß mit Filzschreiber auf eine Steinplatte
und stellte sie oben ans Kreuz. Wieder zu Hause habe ich dies ihrer Tochter mitgeteilt,
die es an die Eltern weitergab. An Pfingssonntag, Punkt 09.00 Uhr läutete bei mir das
Telefon: "Hier Sabine, ich bin am Eisenkreuz und suche unseren Stein." Sie hat
die Platte nicht gefunden, aber den Stein mit meinem Namen drauf. Über den Anruf von
Sabine mit Handy von hier oben war ich richtig glücklich.
Vom Eisenkreuz geht es noch etwas bergauf, auf eine Höhe von 1.515 m. Das ist dann der
höchste Punkt des Camino.
Was dann kam, war atemberaubend. Die nächsten elf Kilometer führten uns wieder hinab
auf eine Höhe von 525 m, das sind rund 1.000 m Unterschied. Dann folgen noch 25 km ebene
Strecke, eine schöne Belohnung für die vorangegangenen Strapazen. Aber man soll den Tag
nicht vor dem Abend loben...
In Molinaseca, das ist noch im Steilstück der Abfahrt, kommen wir an einen reißenden
Bach, über den wieder eine historische Brücke führt. Das Dörfchen ist schön
herausgeputzt und profitiert offensichtlich vom Fremdenverkehr (mehrere Lokale und
Geschäfte). Ponferada durchfahren wir ohne größeren Aufenthalt und in Cacabelos
erreichen wir den vorläufig tiefsten Punkt. Nun gehts wieder aufwärts, zunächst
allmählich bis Villafranca del Bierzo, wo wir zur Burg hochfahren.
In Sichtweite, in Nähe der Kirche, befindet sich das dortige Refugio. Im Stadtzentrum
machen wir Pause in einer Bar. Zu meinem Erstaunen gibt es dort Käsekuchen wie bei uns.
Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Die Stärkung war auch angebracht, denn
nun folgte bis O Cebreiro ein Abschnitt, wo ich persönlich die letzten Kräfte
mobilisieren mußte.
Ausgangs Villafranca grüßen wir noch froh eine Gruppe Radfahrer, die ebenfalls nach
einer Pause am Aufbrechen sind. Wir fahren die neue Straße mit ihren mächtigen Brücken.
Aber das sollte man sich besser überlegen, an den Brücken wird es eng, ja, manchmal
richtig gefährlich. Es herrscht reger Verkehr. An einer Stelle rasten zwei Radfahrer,
denen wir schon begegnet sind. Auch wir müssen mehrere Pausen zum Trinken und Ruhen
einlegen. Endlich, kurz hinter der Grenze von Lugo, kommen wir nach Pedrafitta. Wir
glauben, wir seien oben, aber dem ist noch lange nicht so.
Es ist schon relativ spät, Werner kauft noch ein paar Lebensmittel im Ort ein,
während ich schon mal langsam die nächste Steigung angehe.
Zwei weitere Radler, die wir auch schon getroffen hatten, rasten auf einen freien
Platz. Der eine ist ein Spanier, den treffen wir in Santiago wieder. Werner ist noch nicht
zu sehen und die beiden machen sich auf den Weg. Als Werner wieder zu mir gestoßen ist,
geht es mit neuem Mut auf das letzte Teilstück. Die beiden von eben sind noch nicht weit
gekommen, einer ist schon abgestiegen und schiebt sein Rad. Bei uns reicht die Kraft noch,
wir können an ihnen vorbeifahren.
Das gibt wieder etwas Auftrieb. Dann endlich sind wir bei 1.300 m wirklich oben. Ich
bin geschafft, das hat gerade noch gereicht. Bald sind wir in O Cebreiro. Das ist ein
winziger Ort z. T. mit Stroh gedeckt, was offensichtlich den Fremdenverkehr fördert. Das
Refugio liegt am Ende des Dorfes, ein ziemlich neuer, moderner Bau. Aber in welchem
Zustand! Mit einem Wort, vergammelt. Von Reinlichkeit keine Spur, es ist niemand da, der
sich um die Pilger kümmert. Auf einem Tisch am Eingang liegt das Pilgerbuch, wo man sich
eintragen kann. Daneben liegt der Stempel für den Pilgerausweis, ebenfalls
Selbstbedienung.
Der Schlafraum ist eine Etage tiefer, wo wir auch die Fahrräder abstellen können. Wir
duschen und sehen uns beim Restlicht des Tages kurz den Ort an. Dabei treffen wir zwei
Fußgänger aus Köln. Der eine hat offensichtlich Probleme mit dem rechten Knie, er kann
schlecht gehen. Später treffe ich die beiden wieder im Restaurant. Wir sitzen an einem
Tisch.
Sie waren schon vor zwei Jahren mit dem Fahrrad hier gewesen. Damals sei die Herberge
noch fast neu gewesen, aber schon in schlechtem Zustand.
Einer der beiden hat nur noch eine Hand. Er läßt sich aber nicht helfen, er kommt
erstaunlich gut mit seiner Behinderung zurecht. Der ältere, Hans, 72, der mit den
Kniebeschwerden, war ein guter Sportler. Er hat schon den Köln-Marathon gelaufen. Auf
meinen Einwand, ob er denn keine Bedenken habe, mit dem Knie bis Santiago zu kommen, und
das sind für die Fußgänger immerhin noch 170 schwere Kilometer, meinte er, er müsse
das einfach schaffen. Aufgeben werde er so schnell nicht.
Das Essen im Restaurant war relativ einfach, eine Art Kasseler, Mettwurst, Kartoffeln
und etwas Gemüse (war alles zusammen auf einer Platte angerichtet). Als Nachtisch gab es
Eis sowie zusammen zwei Flaschen Rotwein. Kosten pro Person 800 Pts. Über die Wirkung der
Weine an diesem schweren Tag werde ich morgen berichten.
Fahrleistung: 94 km = 6,55 Std. = Ø 13,55 km/h, Gesamtkilometer: 2.055
22. Tag, Dienstag, 12. Mai 1998, O Cebreiro -
Palas de Rei
Beim Aufwachen glaube ich zu träumen. Denn das Bett über Werner ist total
ausgeräumt. Und dabei war doch gestern abend noch ein junger Engländer, ebenfalls ein
Radfahrer, eingezogen.
Werner liefert auch gleich die Erklärung: Der junge Mann liege auf dem Podest im
Treppenhaus. Noch wäre der Nacht habe er seine Matratze und seinen Schlafsack genommen,
und sei dorthin ausgewichen. Der Grund sei ein übermäßiges Schnarchen von mir gewesen.
Er, Werner, habe mich ein paarmal gestört, aber es hätte nichts genützt. Ich muß dazu
sagen, daß ich schon mal ab und zu schnarche, aber wie mir Werner bestätigte, sei das
auf der bisherigen Fahrt noch nicht der Fall gewesen. Das war mir nun sehr peinlich und
ich glaube es auf den gestrigen harten Tag, die damit verbundene Müdigkeit und womöglich
auf den Weingenuß zurückführen zu müssen.
Als der Engländer dann zurück kam und sein Bett herrichtet, habe ich mich
entschuldigt, aber er blieb noch eine Weile mürrisch und sauer. Erst später, beim 2.
Anlauf meinerseits gab er sich freundlicher, so daß auch ich zufrieden war.
Zu den bereits geschilderten Zuständen im Hause kam dann noch die Küche hinzu. Die
war an und für sich geräumig und gut eingerichtet. Auch der Gasherd funktionierte. Aber
es war dennoch nicht möglich, Kaffee zu kochen. In den Schränken war kein einziges
Stück Geschirr vorhanden. Glücklicherweise hatten unsere Kölner Freunde einen kleinen
Topf dabei, so daß wir uns nacheinander schließlich doch ein heißes Getränk zubereiten
konnten. Mit der Abfahrt können wir uns ohnehin etwas Zeit lassen.
Um 07.00 Uhr regnete es noch, aber die Wolkenlage sah nicht nach Dauerregen aus. Und
schließlich gaben die Wolken die Berge frei und wir konnten von hier oben den Blick über
Land und auf die Berge genießen.
Gegen 08.00 Uhr fuhren wir los. Wir hatten nun wieder eine längere Abfahrt vor uns,
die jedoch auch wieder durch kräftige Anstiege unterbrochen wurde. Das Gelände insgesamt
wurde ab Triacastella richtig bergig.
Zwischendurch hatte ich wieder am Rad eine Panne. Der Seilzug fürs große Kettenblatt
war abgerissen. Doch wir hatten Ersatz dabei. Und so war das schnell repariert. Hierbei
holte uns der Engländer wieder ein und er war sofort bereit zu helfen.
Es war somit wieder alles gut. Am bekannten Kloster Samos machten wir eine
Besichtigungspause. Der Pförtner sprach etwas deutsch und erklärte uns die
Sehenswürdigkeiten und den Weg durch die Räume.
Wir gingen alleine weiter. Die Besichtigung kostete 200 Pts. Zwischen Sarria und
Portomarin versuchten wir, wieder mal den Wanderweg mit dem Rad zu fahren. Wie so oft
hielten wir nicht lange durch. Spätestens als der Weg auch als Bachlauf diente, gaben wir
auf und fuhren auf der Landstraße C 135 bis Portomarin. Dabei hatten wir uns gerade von
diesem Stück des Wanderweges viel versprochen, denn es liegen viele kleine Ortschaften am
Weg und wir hätten gerne hier hineingesehen. Schade!
Bei Portomarin ist der Fluß Rio Mino zu einem großen See gestaut. Eine mächtige
Brücke verbindet die beiden Ufer quer durch den See. Die Stadt ist gänzlich neu
errichtet worden. Der alte Ort ist ganz in dem um 1960 angestauten See versunken.
Hinter Portomarin mal wieder ein steiler Berg, wo wir hinauf müssen. Es hat sich
eingetrübt und bei Ligonde hängt ein schweres Regenwetter. Wir möchten gerne noch
trocken nach Ligonde gelangen. So wird auch die Begegnung mit einem Schweden, der mit
einem Esel unterwegs ist, von Werner alleine und in aller Eile abgehakt. Gerne hätten wir
uns länger mit ihm unterhalten. Wie er wohl zu dem Esel gekommen ist?
Wir schaffen es gerade noch bis Ligonde, als der Regen anfängt. Wir stellen uns an der
dortigen Herberge unter. Sie war offen, aber es war niemand anwesend. Das Haus ist neu
eingerichtet und sehr sauber. Es dauert auch nicht lange, da kam die in der Nähe wohnende
Herbergsmutter. Sie war wohl der Meinung, wir wollten übernachten. Doch wir erklärten
ihr, noch bis Pallas de Rei fahren zu wollen und das deshalb, weil wir ja morgen Santiago
erreichen wollten. Da waren die paar Kilometer, die wir heute noch fahren konnten, schon
mal weniger.
Wir konnten uns aber ein warmes Getränk aus unseren Vorräten zubereiten. Wir gaben
eine Spende. Ebenso auch ihrer kleinen Tochter Martha, die sich mittlerweile eingefunden
hatte. Eigentlich tat es uns leid. Hier hätten wir gut übernachten können. Aus unserer
Literatur war uns bekannt, daß eine Frau aus der Nachbarschaft abends für die Pilger ein
Essen kocht.
Nach dem Regen fuhren wir nach Pallas de Rei, wo wir um 18.30 Uhr ankamen. Auch diese
Herberge befand sich in einem sehr sauberen Zustand. Sie hatte mehrere Schlafräume von
verschiedener Größe, mehrere Toiletten und Waschgelegenheiten sowie eine gut
eingerichtete Küche. Der Zustand der Herberge hängt wesentlich davon ab, ob
Aufsichtspersonal vorhanden ist oder nicht. Hier war eine Gemeindesekretärin anwesend,
die verantwortlich für die Anmeldung war und das Kassieren der Gebühren. Ebenso
gabs eine männliche Hilfskraft, Mädchen für alles.
In der nahen Kirche war Gelegenheit zur Abendmesse. Essen wurde in mehreren Restaurants
angeboten, man hatte die Qual der Wahl. Bei der Essensbestellung war mir ein freundlicher
Fußpilger vom Nebentisch (wieder ein Engländer) behilflich. Es gab Rotwein, Salat,
Suppe, Kotelett, Pommes frites und als Nachtisch Käse. Das hat zusammen 1.500 Pts
gekostet.
Fahrleistung: 100 km = 6,56 Std. = Ø 14,31 km/h, Gesamtkilometer: 2.150
Wir habens bald.
23. Tag, Mittwoch, 13. Mai 1998, Palas de Rei
- Santiago de Compostela
Im Refugio richten wir unser letzte Frühstück vor Santiago. Um 08.15 Uhr
starten wir zu der noch etwa 70 km langen Etappe, die uns zu unserem Ziel bringen wird.
Die Spannung ist groß. Wir sind voll motiviert. Es ist bewölkt aber trocken.
Trotz mehrerer Steigungen geht es zunächst zügig voran. Dennoch wollen wir unseren
bisherigen Rhythmus beibehalten und uns nicht übernehmen. Die relativ kurze Etappe
dürfte uns nicht mehr in Schwierigkeiten bringen. So genießen wir auch heute nochmal die
Landschaft der Provinz La Coruna, die einen überwiegend bäuerlichen Charakter hat.
Häufig sieht man nun die typischen Kornspeicher an den Gehöften, für die wir uns
besonders interessieren.
Dann kam uns noch ein fast urzeitliches Kuhgespann entgegen, das wir unbedingt
fotografieren mußten. Obwohl sich die Sonne immer öfters blicken ließ, gab es auch noch
einige Regenschauer. In Arzua machten wir in einer Bar eine Kaffeepause. Anschließend
trafen wir auf dem Kirchplatz 4 Fußpilger aus Australien, die wir kurz begrüßten. Es
sind nun noch etwa 40 km.
Gegen Mittag machen wir nochmals eine Pause. Dann gibt es wieder einen kräftigen
Schauer, vor dem wir uns längere Zeit unterstellen müssen. Aber Santiago kommt immer
näher, links von uns ist schon der Flugplatz. In San Marcos, unmittelbar vor Santiago,
nochmals ein Schauer.
Und dann standen wir auf dem Monte Gozo, ein Hügel vor der Stadt, von dem man erstmals
bis Santiago blicken kann. Wir hielten an und fielen uns vor Freude in die Arme,
geschafft!! Das Ziel unserer Reise lag unmittelbar vor uns. Von meinem kleinen
Diktiergerät spielte ich: "Großer Gott" ab, wobei wir natürlich mitsangen.
Hier am Monte Gozo ist auch eine riesengroße Herberge für die Pilger, eine Unzahl
Flachbauten mit Schlafmöglichkeiten für ca. 800 Pilger, Funktionsräumen, Restaurants,
Geschäften und sonstigem. An der Aufnahme sagte man uns, daß man nur 1 Nacht bleiben
könnte. Das war wenig sinnvoll. Man gab uns aber eine Adresse einer weiteren Herberge in
der Stadt, in der Nähe des Zentrums, dem Seminario Menor.
Das ist ein ehemaliges Priesterseminar, in dem heute ein Gymnasium untergebracht ist.
Dort fanden wir Aufnahme für 3 Tage. Die Schlafräume für die Pilger sind im 3. Stock.
Große Säle, wo die Betten in langen Reihen stehen. Die Herberge war nicht so stark
belegt.
Wir richteten uns ein und begaben uns dann zu Fuß zum Pilgerbüro, wo wir unsere
Urkunde erhielten.
Eigentlich wollten wir ja noch einen Tag für die Fahrt nach Finestera
verwenden. Als wir aber im Pilgerbüro hörten, daß die einfache Entfernung bis dorthin
80 km beträgt, sahen wir von diesem Plan ab. Anschließend besuchten wir die Kathedrale.
Bei unserem Rundgang erfuhren wir, daß um 18.00 Uhr ausnahmsweise das große Rauchfaß
geschwenkt würde. Wir konnten es zunächst nicht glauben. Geschieht dies doch nur zu
besonderen feierlichen Anlässen. Wir ließen uns in den reservierten Bänken nieder
(diese waren zwar nicht für uns, aber wir meinten, auch irgendwie zu den
"Auserwählten" zu gehören).
Wir hatten einen guten Platz erwischt. Wir saßen direkt bei der Sakristei, von wo das
große silberne Faß von den rot-braun gekleideten Dienern hereingetragen wurde. Zwei
Leute trugen es mit einem Holzbalken auf den Schultern zum Altar. Dort folgten Rituale und
Gebete der anwesenden Geistlichen sowie die Belegung mit Weihrauch.
Dann wurde es an einem von der Decke herabhängenden 17 m langen Tau befestigt und von
den Dienern in Schwung gesetzt. Durch geschicktes Hochziehen und Ablassen schwang es
schließlich bis zur Decke, verbunden mit einem surrenden Geräusch, einem mächtigen
Rauchschweif hinter sich herziehend. Ein eindrucksvolles Erlebnis.
Wie wir später erfuhren, soll eine anwesende Organisation eine ansehliche Spende
gemacht und so das ganze ausnahmsweise ermöglicht haben. Ein weiterer Höhepunkt in der
Kathedrale war der Gang durch die Krypta, wo die Gebeine des Apostels in einem silbernen
Schrein aufbewahrt werden. Mehr über die weiteren Sehenswürdigkeiten und Eindrücke
möchte ich im Zusammenhang mit diesem Bericht nicht aufzählen.
Damit ist auch die Reise mit dem Fahrrad beendet, so daß man hierüber schon mal
Bilanz ziehen kann.
Fahrleistung heute: 70 km = 4,48 Std.
Fahrleistung gesamt:
Tachostand bei Ankunft in Santiago: = 18.955
Tachostand bei Abfahrt in Alsweiler: = 16.724
Gesamtkilometer: = 2.231
Die Strecke von St. Jean-Pied-de Port bis Santiago (französischer Weg) habe ich auf
meinem Tacho mit 852 km gemessen.
Die restlichen Tage
Donnerstag, 14. Mai 1998, Santiago
Freitag, 15. Mai 1998/Samstag, 16. Mai 1998, Heimfahrt mit der
Bahn, Santiago - Hendaye - Paris - Saarbrücken
Da wir nicht nach Fenistera fuhren, wollten wir nicht - wie ursprünglich
vorgesehen - erst am Montag nach Hause fahren, sondern schon am Freitag. Blieb uns also
nur noch der Donnerstag für Santiago.
Schon früh begaben wir uns zum Bahnhof, wo wir die Formalitäten für die Rückfahrt
mit dem Zug erledigten. Anschließend frühstückten wir in der Bahnhofsgaststätte. Vor
09.00 Uhr waren wir am Bahnsteig, um uns die Situation bei der Abfahrt unseres Zuges für
den nächsten Tag anzusehen. Bis hierher waren wir zufrieden.
Dann machten wir einen Besichtigungsgang durch die Stadt, wobei ich noch ein paar
Souvenirs kaufte.
Um 12.00 Uhr war unsere Pilgermesse in der Kathedrale. Dabei sind für die Pilger die
Plätze reserviert. Die Messe bekam einen besonderen Akzent durch die Teilnahme einer
Gruppe des Ordens der Ritter vom heiligen Grab. Sie zogen in einer Prozession mit etwa 30
bis 40 Personen in die Kathedrale ein. Die Männer trugen weiße Umhänge mit einem roten
Kreuz auf der linken Brustseite. Sie hatten auch einen Geistlichen dabei, der als
Mitzelebrant während der Messe deutsche Texte vortrug.
Wir hatten anfangs keine Ahnung über die Bedeutung und Herkunft der Gruppe. So machte
ich mich nach der Messe kurzerhand bei einer Dame kundig, die unschwer als Angehörige der
Gruppe auszumachen war. Sie gab mir auch bereitwillig Auskunft auf meine Fragen. Sie kamen
aus Wien, wo eine Sektion dieses Ordens besteht.
Von einem Fußpilger wurden die Fürbitten in spanisch vorgetragen.
Nach der Messe aßen wir in einem Lokal in der Nähe der Kathedrale zu Mittag. Dann
begaben wir uns zurück ins Refugio, um schonmal unsere Fahrräder zu verpacken. Hier
trafen wir wieder einen Bekannten, ein Radpilger, mit dem wir schon mehrmals zusammen
waren, unter anderem beim Anstieg nach O Cebreiro. Er war schon fertig zur Abfahrt.
Wie ich schon erwähnte, hatten wir uns von zuhause eine feste Plane mit gebracht.
Jeder von uns zerlegte nun sein Rad in seine Einzelteile, Räder, Schutzbleche, Lenker,
Sattel, Gepäckträger, Pedale usw. Nach der Größe des Rahmens wurden sie dann mit
anderen nicht mehr benötigten Gepäckstücken um diesen angeordnet und mit der Plane zu
einem Paket geformt, das dann mit Klebeband und einer kräftigen Kordel zusammengeschnürt
wurde. Am Querrohr des Rahmens wurde ein Tragegurt befestigt, mit dem man das Paket an die
Schulter hängen konnte.
Es war doch ein gutes Stück größer geworden als ein Koffer und es hatte auch sein
Gewicht. Aber dennoch waren wir zufrieden.
Am Nachmittag begaben wir uns wieder in die Stadt. Wir sahen uns noch das eine oder das
andere an. Dann machte jeder für sich noch ein paar Besorgungen. Ich hatte u. a. noch
Kartengrüße an Bekannte zu versenden.
Zum Nachtessen waren wir wieder in der Herberge.
Damit war eigentlich unser Programm in Santiago beendet.
Am Freitag begann also die Heimfahrt. Ein Bekannter aus der Herberge
bestelle uns gegen 07.30 Uhr ein Taxi, um zum Bahnhof zu fahren. Unsere Pakete waren
eigentlich zu groß für den Kofferraum. Aber der Fahrer war nicht zimperlich. Er ließ
einfach den Deckel nur halb geschlossen. Am Bahnhof luden wir alles auf einen Gepäckwagen
um und begaben uns zunächst zum Frühstück.
Hier trafen wir auf 2 junge Frauen, eine Deutsche und eine Französin, ebenfalls
Pilger, die auch mit unserem Zug fuhren. Sie hatten ihre Plätze im Abteil neben unserem.
Die Deutsche benutzte auch ab Paris den gleichen Zug wie wir, um über Frankfurt nach
Hannover weiterzufahren. Sie sprach gut französisch und bot sich an, da sie sich auch in
Paris auskannte, uns dort beim Umsteigen behilflich zu sein. Wir könnten wie sie mit der
Metro fahren und bräuchten uns kein Taxi vom Bahnhof Austerlitz nach Paris Est zu nehmen.
Das war schonmal beruhigend.
Das Einladen und verstauen unseren Gepäcks in den Zug verlief ohne Schwierigkeiten.
Auch der Schaffner nahm keine Notiz von unseren großen Paketen. Dann gings los zur
Heimfahrt. Adios Santiago!!
Mit uns im Abteil saßen noch zwei weitere Reisende. Eine Frau aus Argentinien und
ein Spanier. An der Jakobsmuschel an unseren Gepäcktaschen waren wir unschwer als Pilger
zu erkennen. Jedoch über den Inhalt der großen Pakete konnten sie sich keinen Reim
machen. Umso größer war ihr Erstaunen, als wir sie hierüber aufklärten.
Nun mußten wir so gut es ging über unsere Reise erzählen. Es war ein sehr lebhaftes
Gespräch. Leider hatte die Frau Platzkarten für ein anderes Abteil und mußte nach der
Fahrkartenkontrolle bei uns ausziehen.
Der Zug fuhr zunächst über Stationen, wo auch wir bei unserer Hinfahrt durchgekommen
waren: Ponferada, Leon, Burgos. Da zog auch wieder einiges am geistigen Auge vorbei. Dann
ging es weiter über Vitoria, San Sebastian, Irun nach Hendaye, der französischen
Grenzstation, wo wir umsteigen mußten. Es war schon Abend geworden, 20.30 Uhr, und wir
hatten 2 ½ Stunden Aufenthalt. Genügend Zeit, um noch was zu essen und nach Hause zu
telefonieren.
Hier verabschiedete sich auch unsere französische Bekannte, die in die Gegend von
Beziers weiterfuhr. Die Deutsche hatte bis Paris im Liegewagen gebucht, der etwas früher
als unserer fuhr. Sie versprach aber, in Paris im Bahnhof Austerlitz bei unserer Ankunft
am Bahnsteig zu sein.
Unser Zug, der um 22.55 Uhr abfuhr, stand schon frühzeitig am Bahnsteig bereit, so
daß wir uns ein freies Abteil aussuchen konnten. Wir machten es uns bequem und legten uns
auf die Sitze. Wir konnten bis Portiers ungestört schlafen. Erst hier stieg ein weiterer
Reisender zu. Gegen 07.30 Uhr kamen wir in Paris Austerlitz an. Wie verabredet, war unsere
Bekannte am Bahnsteig. Sie war uns für die Fahrt mit der Metro wirklich eine gute Hilfe.
Gemeinsam tranken wir dann am Bahnsteig in Paris Est auf unsere Kosten Kaffee. Hier gab es
allerdings noch ein Erlebnis, wo es uns nicht so wohl war, worüber man aber im Nachhinein
schmunzeln kann.
Unser Gepäck hatten wir zwar in unserem Blickfeld, aber doch in etwa 6 bis 8 Metern
von unserem Tisch abgestellt, als eine Militärpatrouille mit einem Offizier daher kam.
Sie interessierten sich für die großen Pakete und gingen vorsichtig drumherum. Als dann
der Offizier verschwand und die beiden Soldaten alleine zurück ließ, machte uns eine
Dame am Nebentisch, die wußte, daß das Gepäck uns gehörte, darauf aufmerksam, daß es
Schwierigkeiten geben könnte. Das Militär habe u. a. die Möglichkeit einer Bombe in
Betracht gezogen. Mit Hilfe unserer "Freundin" konnten wir dann die Sache
aufklären, mußten aber da Gepäck zu uns nehmen. Das war wirklich noch einmal aufregend
gewesen.

Dann konnten wir unseren Zug besteigen, mit dem wir um 12.50 Uhr in Saarbrücken
ankamen. Hier wurden wir von Mechthild, Thomas und Kevin, sowie von Maria, Ursula und den
beiden Enkelkindern Werners begrüßt.
Ein großes Erlebnis war gut zu Ende gegangen!
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