Wolfgang Trost

Wolfgang Trost, geb. 1949 studierte von 1969-1975 Kath. Kirchenmusik an der Musikhochschule des Saarlandes in Saarbrücken bei Prof. Hans Lonnendonker (Musiktheorie, Chor- und Orchesterleitung), Prof. Paul Schneider (Orgelliteratur) und Prof. Andre Luy, Lausanne/Schweiz (Orgelimprovisation).
Seit dem A-Examen (1974) war er mehrere Jahre Lehrbeauftragter für Orgel an

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der Musikhochschule des Saarlandes sowie Lehrer für Orgel an der Städt. Musikschule Saarbrücken. Darüber hinaus ist er seither hauptamtlicher Kirchenmusiker an der Pfarrkirche „Maria Himmelfahrt“in Marpingen und übernahm von 1973-2003 ständige Vertretungen des Domorganisten in Würzburg.
Im Jahre 2008 hat ihn das Bistum Trier zum Regionalkantor für das nördliche Saarland mit den Dekanaten Losheim-Wadern, St. Wendel und Illingen ernannt.
Nach seinem Musikstudium widmete er sich zusätzlich der Aquarellmalerei bei Werner Leismann (St. Wendel), Ursula Krewer-Bordbach (Bosener Kunstkurse) und absolvierte eine fünfjährige Ausbildung in der Kunst des Aquarellierens bei Fritz-Ludwig Schmitt in Saarbrücken. Zahlreiche Ausstellungen führten ihn bis ins thüringische Weimar. Auch heute noch leitet er regelmäßig Kurse in Aquarellmalerei.
Als weitere Leidenschaft begeistern ihn immer wieder die russische Sprache, Russland, das er bereits fünf mal bereist hat und vor allem Sibirien. Sein Buch über die zweite Sibirienreise „Wenn die Taiga ruft“war nach der zweiten Auflage bereits vergriffen. Sein neues, 
„Sehnsucht nach Sibirien, erschienen 2010 bei der Edition Schaumberg
(ISBN 978-3-941095-05-2), berichtet von seiner vierten Sibirienreise, von Moskau, von einem unfreiwilligen Stop der Transsibirischen Eisenbahn, von einer freundlichen Gastfamilie, dem Aufenthalt in einer sibirischen Kleinstadt und überhaupt von Land und Leuten im 7.000 km entfernten Mittelsibirien, versehen mit einer Vielzahl von originellen Fotos (Dr. Franz-Josef Hoffmann).

Nachfolgend einige wenige Auszüge:

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... Nach 15 Minuten bereits erreichen wir die Stanzija (Haltestelle) Kolomenskaja, Nadjas und Arinas Wohngebiet. Wir aber begeben uns in entgegengesetzter Richtung zu Fuß und bei trockenem Wetter nach Kolomenskoje, diesem ruhig gelegenen Ort in parkähnlicher Umgebung, dem beliebtesten Landsitz der Zaren. Die dortige Kirche der Gottesmutter von Kasan, 1650 in Moskauer Barock erbaut und mit himmelblauen Zwiebeltürmen versehen, ist eines meiner Lieblingsmotive. Stumm sitze ich mit Nadja davor auf der Bank, jeder in Gedanken versunken. Tauben dösen auf dem Gesims vor sich hin und eine hungrige Nebelkrähe stochert unruhig im Gras nach etwas Essbarem. Ganz wenige Personen nur sind zugegen. Die uns umgebende Ruhe ist wohltuend und erholsam, Lärm habe ich genug ertragen.  ...

... Unaufhörlich, und das seit 18 Stunden, klopfen die Räder monoton ihren Ostinato-Schienenrhythmus, von Varianten und Trommelwirbeln beim Überfahren von Weichen abgesehen. Dennoch bin ich sehr angetan von unserer Transsib Rossija, hat sie doch mit ihren 22 blauroten Waggons eine Länge von fast 500 m. Sie  schleust uns angenehm und komfortabel durch alle Wetter und Stimmungen unserem Ziel entgegen. Angetan aber bin ich auch immer wieder von den bewohnten, alleinstehenden Holzhäuschen in unmittelbarer Nähe der Bahn, fern jedem Dorf. So auch jetzt im Moment, als wiederum ein solches Häuschen vorbeizieht. Zwei kräftige Babuschkas sitzen friedlich in ihren bunten Röcken und farbigen Kopftüchern davor auf einer Bank und genießen die milde Abendsonne, umgeben von Gartenatmosphäre und üppigem Blumenschmuck. Nie haben sie etwas Anderes kennen gelernt als ihr Häuschen am Bahndamm und ihr Gärtchen, und das Tag für Tag, jahrein, jahraus, ihr Leben lang. Sie leben hier in und mit der Natur und interessieren sich nicht im Geringsten für die vorbeifahrenden hektischen Züge mit ihren fernen Zielen und diese wiederum nehmen auch von ihnen beiden keinerlei Notiz. Wer hier aus dem Fenster schaut, muss ein Fremder sein, kein Einheimischer interessiert sich je für die vorbeiziehende Landschaft ...
 
... Die Sonne, mittlerweile als kraftloser roter Feuerball dem Horizont ganz nahe, „setzt sich nieder, wie es im Russischen heißt, und legt nun vollends ihre weit ausladenden Schatten auf das müde, schlafende Land. Franz-Josef und ich unterhalten uns noch sehr lange, bis spät in die Nacht. Gerade in dem Moment, als er die Toilette aufsucht, unsere Tür zum Gang steht als einzige noch offen, kommt Elena ganz aufgeregt zu mir: „Gdje wasch drug, wratsch?" (Wo ist Ihr Freund, der Arzt?). Ihrem Temperament nach zu urteilen, scheint ein Notfall eingetreten. Beide entschwinden meinen Blicken. Kurz danach bremst unsere Transsib ab und wir halten, was für einen derart bedeutenden Zug ungewöhnlich ist, in dunkler Nacht entgegen dem Fahrplan auf einem kleinen, unbekannten Bahnhof. Der gesamte Zug schläft, niemand bemerkt diesen Vorfall, gespenstige Stille überall. Draußen nähert sich ein Wagen mit Blaulicht und verlässt nach einer Viertelstunde wiederum das Gelände. Mein Mitfahrer, er ist Facharzt für Nuklearmedizin und Radiologie, sein Betätigungsfeld die interventionelle Radiologie, kommt zurück und winkt ab, kein Problem. Ein junger Mann, stark zitternd, aber sonst keine auffälligen Anzeichen, habe nach seiner Vermutung irgend eine Droge genommen. Für die von außerhalb herbeigerufene Krankenschwester mit Arzt ebenfalls kein Grund zur Panik: Patient auf den Bauch, Spritze aus einem Koffer mit undefinierbarem Inhalt in den Hintern, Pflaster überflüssig, Aktion beendet: „Vogel, friss oder stirb!" Schon sind wir wiederum auf Fahrt, der nächste Halt duldet keinen Aufschub...

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... Die Stadt Taischet mit ihren 40.000 Einwohnern liegt tellereben, eingegrenzt von den endlosen Wäldern der Taiga. Wir sind zu Fuß auf dem Weg zur Innenstadt und ich frage in einer Seitenstraße eine Fußgängerin nach dem Zentrum. „Welches Zentrum?, erfahre ich kopfschüttelnd. Mir fällt daraufhin nur noch der Bahnhof ein. Alles klar! Kurz darauf begegnen uns zwei Männer, die ich freundlich grüße. Der eine, er wird uns sofort als Ausländer erkannt haben, reicht mir spontan die Hand. Jedermann erklärt mir den Weg zum Bahnhof äußerst hilfsbereit. Ein Fußweg, zugleich auch Bürgersteig, entlang der Uliza Kirova (Kirover Straße), mal Schotter oder Reste von Asphalt, mal Matsch oder ein Brett als Brücke über eine große Wasserlache bringen uns dem Ziel Bahnhof näher. Franz-Josef ist mit seiner gesamten Fotoausrüstung entweder vor oder hinter mir und hat stets ein für ihn interessantes Detail im Visier. Dann, auf der Brücke vor dem Bahnhof etwa 15 Bahngleise mit Oberleitungen unter mir. Züge bewegen sich in 
gegensätzlichen Richtungen. Für mich als Eisenbahnfan eine unbeschreibliche Situation, dazu die wärmende Sonne bei leichter Bewölkung. Aufgeregt und laut schimpfend plärrt eine Frauenstimme irgendeine dienstliche Anweisung über die Lautsprecheranlage und übertönt mit ihrem Gezeter noch das Geratter eines vorbeifahrenden Güterzugs. 15° C zeigt die digitale Bahnhofsuhr und steigende Tendenz des Luftdrucks sowie 6.33 Uhr als Moskauer Zeit, dabei haben wir doch vor Ort bereits 11.33 Uhr...

... Weiter geht unsere Fahrt gen Osten. Draußen zieht eine riesige Siedlung von Datschen vorbei, viele stehen leer, ihre Besitzer wahrscheinlich verstorben und die Kinder kein Interesse. Mehr und mehr nimmt auch die Helligkeit zu und so kann ich draußen im Vorbeifahren genau die Zahl 4.528  erkennen, nämlich die Anzahl der gefahrenen Kilometer von Moskau bis hierher. Auf der gegenüberliegenden Seite des Mittelgangs in unserem Abteil schläft ein Arbeiter in seinen Gummistiefeln tief und fest auf der Holzbank. Ihn interessieren keineswegs die Kilometersteine oder Stationen. Müde, aber dennoch kontrollbereit, hält er die Fahrkarte zwischen seinen Fingern parat. Die Schaffnerin, allen Situationen gewachsen und gut gelaunt, entzieht sie ihm, prüft kurz und – steckt sie ihm wieder zurück, einfach, unbürokratisch, sibirisch eben. Außer einem weiteren, ebenfalls schlafenden älteren Mann sind Franz-Josef, Igor und ich momentan die einzigen Passagiere im Waggon. Alle 10 bis 15 Kilometer halten wir an. Es sind ganz kleine Stationen, mit liebevoll restaurierten, etwa 100 Jahre alten Bahnhöfen in Holzbauweise aus den Anfangszeiten der Transsibirischen Eisenbahn. Dazwischen kein Haus, keine Straße, keine Menschenseele, nur Wald, unendlich